Bundesinnenminister
Politisch motivierte Straftaten erreichen neuen Höchststand
Im vergangenen Jahr zählten die Behörden so viele politisch motivierte Straftaten wie noch nie. Vor allem in zwei Bereichen fällt die Zunahme auf.

© Michael Kappeler/dpa
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) präsentierte die Zahlen in Berlin.
Von Rebekka Wiese
Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. 84 172 Delikte zählte das Bundeskriminalamt (BKA) für das Jahr 2024 – gut 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit setzt sich ein größerer Trend fort. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt. Mit Abstand die meisten Delikten wurden – wie schon in den Vorjahren – im Bereich rechts motivierter Kriminalität erfasst. In diesem Jahr sticht außerdem die Zunahme antisemitischer Straftaten hervor.
„Der noch nie dagewesene Anstieg der Fallzahlen politisch motivierter Straftaten ist eine bedenkliche Entwicklung, die wir mit aller Konsequenz und Entschlossenheit bekämpfen“, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der die aktuelle Statistik in Berlin präsentierte. Gemeinsam mit ihm stellte BKA-Präsident Holger Münch die Ergebnisse vor. Er betonte: „Das ist der größte Anstieg, seitdem wir diese Statistik seit 2001 führen.“
„Ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Polarisierung“
Wenn politische Straftaten und Gewalt zunehmen, sei das nicht nur ein statistisches Phänomen, sagte Münch. „Es ist ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Polarisierung und wachsender Radikalisierung.“ Darüber hinaus hätten zwei Faktoren die Entwicklung beeinflusst: die Häufung von Wahlen im Jahr 2024, in deren Kontext es meist zu mehr politisch motivierten Straftaten kommt, sowie die Auswirkung des Nahostkonflikts.
Schaut man sich die einzelnen Bereiche der Statistik an, stechen darunter besonders die rechts motivierten Straftaten hervor. Fast 42 790 der Fälle fielen in dieses Feld – gut die Hälfte aller erfassten Delikte und damit mit Abstand der größte Bereich. Im Vergleich zum Vorjahr sind es 48 Prozent mehr Fälle. Die Gewaltstraftaten in diesem Bereich nahmen um 17 Prozent zu. Dazu passt, dass knapp die Hälfte aller Menschen, die gesundheitlich durch politisch motivierte Kriminalität geschädigt wurden, Opfer rechter Gewalttaten waren.
Starke Zunahme bei Antisemitismus
Auch der zunehmende Antisemitismus fällt in der Statistik auf. Die Behörden erfassten im vergangenen Jahr knapp 6240 antisemitische Straftaten – ein Höchststand seit Beginn der Erfassung. Die meisten antisemitischen Straftaten sind zwar nach wie vor rechts motiviert, nämlich fast 3 020 der erfassten Delikte und somit fast die Hälfte. Während diese Zahl hier aber stagnierte, gab es eine starke Zunahme in anderen Bereichen. 1 940 der antisemitischen Delikte ordneten die Behörden ausländischer Ideologie zu, wo man die politische Radikalisierung im Nahostkonflikt verorten kann. Aus dem links motivierten Spektrum wurden 109 der antisemitischen Straftaten erfasst, fast eine Verdreifachung der Zahlen aus dem Vorjahr.
Zugenommen hat die politisch motivierte Kriminalität aber auch in allen anderen Bereichen. Die Behörden erfassten fast mehr als 9 970 linksmotivierte Straftaten, gut 28 Prozent mehr als 2023. Auch die Delikte, die die Behörden zu „Sonstigen“ zählt, sind mehr geworden: gut 22 190 gegenüber knapp 16 680. Darunter fallen zum Beispiel Reichsbürger oder andere Verschwörungsideologen.
Kompetenzen und Konsequenzen
Dobrindt kündigte an, mit mehr Kompetenzen für die Polizei und mehr Konsequenzen für die Straftäter auf die insgesamt besorgniserregende Entwicklung antworten zu wollen. Er verwies zum Beispiel auf den Plan der neuen Koalition, eine dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen einführen zu wollen. Außerdem sollte die Mindeststrafe für Angriffe auf Sicherheitskräfte von drei auf sechs Monate hochgesetzt werden, sagte Dobrindt. Wer wegen antisemitischer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werde, solle leichter ausgewiesen werden können.
Der Innenminister betonte außerdem, gegen die Polarisierung der Gesellschaft arbeiten zu wollen. Das Problem sei breiter als der Rechtsextremismus, dessen Bekämpfung aber ein wesentliches Element sei. „Dass die größte Gefahr für die Demokratie vom Rechtsextremismus ausgeht, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel“, sagte er auf Nachfrage einer Journalistin. Er erklärte außerdem, dass die notwendigen finanziellen Mittel für Demokratieförderprogramme auch künftig zur Verfügung stehen und erhöht werden sollten.
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz mahnte die Union zur Verantwortung. Er sagte dieser Redaktion: „Es gilt, geschlossen gegen diejenigen aufzutreten, deren erklärtes Ziel die Zerstörung von Demokratie und Rechtsstaat ist.“ Hier sei auch und vor allem die Union gefragt. „Sie darf sich nicht weiter von der AfD treiben lassen und viel zu oft deren Narrative übernehmen.“