Psaki rügt Reporter: „Sie waren noch nie schwanger“

dpa Washington. Das Thema Abtreibungen ist in den USA bitter umkämpft. Ein besonders extremes Gesetz aus Texas und eine Entscheidung des obersten US-Gerichts dazu erregen nun die Gemüter - auch im Weißen Haus.

Frauen protestieren in Texas gegen das neue Abtreibungsgesetz in dem US-Bundesstaat. „Mein Körper - meine Entscheidung“ steht auf einem Plakat. Foto: Joel Martinez/The Monitor via AP/dpa

Frauen protestieren in Texas gegen das neue Abtreibungsgesetz in dem US-Bundesstaat. „Mein Körper - meine Entscheidung“ steht auf einem Plakat. Foto: Joel Martinez/The Monitor via AP/dpa

Die Sprecherin des Weißen Haues hat mit einem Kommentar zu einem neuen strengen Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen im Bundesstaat Texas für Aufsehen gesorgt.

„Ich weiß, dass Sie noch nie vor diesen Entscheidungen standen und auch noch nie schwanger waren, aber für die Frauen da draußen, die vor diesen Entscheidungen standen, ist das eine unglaublich schwierige Sache“, sagte Jen Psaki bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Ein Journalist hatte zuvor die Frage aufgeworfen, wie US-Präsident Joe Biden trotz seines Glaubens Abtreibung unterstützen könne.

Psakis Antwort auf die Frage des Reporters wurde in sozialen Netzwerken zahlreich geteilt. Der 78-jährige Biden ist bekennender Katholik. Er spricht oft über seinen Glauben und betont oft, dass der Glaube ihm dabei geholfen habe, persönliche Tragödien durchzustehen. „Er glaubt, dass es das Recht einer Frau ist. Es ist der Körper einer Frau und es ist ihre Entscheidung“, sagte die 42-jährige Psaki über die Haltung des Präsidenten zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Neues Gesetz

Ein strenges neues Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen im Bundesstaat Texas sorgt in den USA für heftige politische Auseinandersetzungen. Der oberste Gerichtshof der USA lehnte am späten Mittwochabend (Ortszeit) einen Eilantrag gegen das Gesetz aus Texas ab. Die Entscheidung fiel mit fünf zu vier Stimmen knapp aus. Das seit Mittwoch geltende Gesetz, das die meisten Schwangerschaftsabbrüche verbietet, gilt damit erstmal weiter. Einspruch sei aber weiterhin möglich. US-Präsident Joe Biden und andere hochrangige Demokraten reagierten am Donnerstag mit ungewöhnlich scharfer Kritik und kündigten Gegenwehr an.

Das sogenannte Herzschlag-Gesetz aus Texas verbietet Abtreibungen, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Das kann schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein. Viele Frauen wissen zu diesen Zeitpunkt noch nicht, dass sie schwanger sind. Eine Ausnahme gibt es nur für medizinische Notfälle.

Frauenrechtsorganisationen schlagen Alarm

Außergewöhnlich an der Regelung ist, dass sie Privatpersonen ermöglicht, zivilrechtlich gegen jene vorzugehen, die einer Frau bei einem Schwangerschaftsabbruch helfen. Damit könnte es Klagen gegen eine Reihe von Personen geben - etwa gegen jemanden, der eine Betroffene zu einem Abtreibungstermin fährt, Eltern, die für eine Abtreibung zahlen oder Beschäftigte des Gesundheitswesens.

Sollte das Gesetz in Kraft bleiben, fürchten Frauenrechtsorganisation eine regelrechte Jagd auf alle, die Schwangere bei Abtreibungen unterstützen.

Biden beklagte, das Gesetz ermächtige völlig Fremde, sich in die persönlichsten Gesundheitsentscheidungen einer Frau einzumischen. „Dieses Gesetz ist so extrem, dass es nicht mal Ausnahmen im Fall von Vergewaltigung oder Inzest zulässt“, kritisierte er. Die Entscheidung des Supreme Courts sei „ein beispielloser Angriff auf die Verfassungsrechte einer Frau“, sagte er und verwies auf das Grundsatzurteil des Obersten Gerichts von 1973, bekannt als „Roe v. Wade“, das Abtreibungen landesweit legalisiert. Der Gerichtsbeschluss vom Mittwochabend, ohne Anhörung oder hinreichende Prüfung des Sachverhalts, mache nun den Weg frei für „verfassungswidriges Chaos“ und beleidige die Rechtsstaatlichkeit.

Der Präsident kündigte an, die Bundesregierung werde umgehend prüfen, was sie tun könne, um Frauen in Texas Zugang zu Abtreibungen zu verschaffen und sie, ebenso wie Gesundheitspersonal in dem Staat, vor der „bizarren“ neuen Regelung zu schützen. Konkreter wurde er nicht.

Auch die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die mächtige Demokratin Nancy Pelosi, reagierte empört. „Die feige nächtliche Entscheidung des Supreme Courts, einen ungeheuerlichen Angriff auf die Rechte und die Gesundheit von Frauen aufrechtzuerhalten, ist erschütternd“, kritisierte sie. Dass sich das „radikal parteiische Gericht“ dazu entschieden habe, ohne etwa eine Anhörung zu machen, sei beschämend. Sie kündigte Schritte im Kongress an, um die Rechte von Frauen bei diesem Thema zu stärken.

Trump sorgte für konservative Mehrheit

Unter den Supreme-Court-Richtern, die gegen den Eilantrag stimmten, waren auch die von Ex-Präsident Donald Trump für das Gericht vorgeschlagenen Richter Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Barrett hatte im Oktober 2020 die verstorbene liberale Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg ersetzt. In der Begründung der Richter hieß es, es sei nicht über die Verfassungsmäßigkeit des texanischen Gesetzes entschieden worden. Andere verfahrenstechnisch angemessene Anfechtungen seien möglich.

Anbieter von Schwangerschaftsabbrüchen hatten den Eilantrag eingereicht. Sie kündigten nach ihrer Schlappe vor dem Supreme Court an, auf juristischem Weg weiter gegen das Gesetz zu kämpfen.

Abtreibungsgegner wiederum äußerten sich erfreut über die Entscheidung des obersten US-Gerichts und werteten dies als kleinen Schritt in die richtige Richtung. Ihr Ziel ist es, das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ vor dem Supreme Court zu kippen.

Das oberste Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtliche Ehen immer wieder wichtige Weichen für die US-Gesellschaft. Während Trumps Amtszeit wurde mit den Nachbesetzungen auf der Richterbank die konservative Mehrheit an dem Gericht auf sechs der neun Sitze ausgebaut.

© dpa-infocom, dpa:210902-99-70690/4

Jen Psaki antwortet auf eine Frage zum Thema Abtreibung. Foto: Susan Walsh/AP/dpa

Jen Psaki antwortet auf eine Frage zum Thema Abtreibung. Foto: Susan Walsh/AP/dpa

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Erstellt:
2. September 2021, 19:46 Uhr

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