Polizei beklagt Personalknappheit

Im Bereich des Polizeipräsidiums Aalen sind 70 Stellen unbesetzt – Präventionsmaßnahmen werden zurückgefahren

Die Polizei hat derzeit mit großen Personalsorgen zu kämpfen. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Aalen, zu dem auch der Rems-Murr-Kreis gehört, sind momentan 70 Stellen nicht besetzt, in Backnang fehlen acht Kräfte. Um das aufzufangen, wird vor allem an Präventionsmaßnahmen gespart. Auch werden die Beamten weniger oft auf Weiterbildungen geschickt.

Polizei beklagt Personalknappheit

© Benjamin Büttner

Von Lorena Greppo

BACKNANG/AALEN. Ulli Eder könnte längst im Ruhestand sein. Seit Oktober 2017 hat der kommissarische Leiter des Polizeireviers Backnang seine nötigen Dienstjahre beisammen. Dennoch bleibt er noch bis April kommenden Jahres, in Verlängerung. Zum 1. September des vergangenen Jahres wechselte Kriminaldirektor Jürgen Hamm zur Kripo Waiblingen, seine Nachfolgerin ist noch in ein Projekt eingebunden und kann erst im Frühjahr 2020 nach Backnang kommen. Solange macht Eder weiter. „Der eine oder andere Kollege macht das ähnlich, damit wir die Talsohle in der Personalentwicklung etwas abfedern können“, erklärt er. Denn der Polizei fehlt der Nachwuchs. Im Vergleich zu 2016 habe man im Zuständigkeitsbereich des PP Aalen 70 Stellen weniger besetzt, sagt Polizeipräsident Roland Eisele. „Und das wird noch zunehmen.“ Man habe im Bereich des PP Aalen ohnehin einen schlechten Betreuungsschlüssel, auf 664 Einwohner komme ein Beamter. Das sei schon jetzt eigentlich nicht genug. Das Präsidium rutsche auf einen Erfüllungsstand von unter 90 Prozent, vor drei Jahren war man noch bei etwa 95 Prozent.

„Wir kommen in einen Bereich, wo es bei uns eng wird, auch in unseren Revieren draußen.“ In Backnang sollten eigentlich 90 Beamte im Einsatz sein, derzeit fehlen laut Eder acht. In der Personalplanung der Polizei seien die starken Jahrgänge, die sich jetzt zur Ruhe setzen, nicht ausreichend berücksichtigt worden. „Wir sind mitten im demografischen Wandel“, so Eisele. Diese Entwicklung werde sich in den kommenden zwei Jahren weiterziehen, denn da würden einige Beamte in den Ruhestand gehen, während die starken Nachwuchsjahrgänge auf sich warten lassen. Es dauere einige Zeit, bis man wieder auf den anvisierten Stand komme. Er gönne es jedem, der sich in den Ruhestand verabschiede, sagt der Polizeipräsident. Er wisse aber auch, dass er diejenigen, die gehen, nicht sofort ersetzt bekomme. „Wir sind um jeden froh, der uns wieder verstärkt“, macht Eisele klar. Aber die Nachwuchskräfte müssten schließlich erst einmal ausgebildet werden. „Auch das ist eine Herausforderung.“ Denn die Lage an den Hochschulen sei nun, nachdem die Freigabe für mehr Personal bei der Polizei vonseiten der Politik erteilt wurde, sehr angespannt. Die Verantwortlichen hätten einen hohen Druck, die entsprechenden Kurse und Projekte zu schaffen.

Wie aber geht die Polizei mit dem Personalmangel um? Am wenigsten dürfe der Streifendienst darunter leiden, erklärt Ulli Eder. Die Präsenz vor Ort sei sehr wichtig. Normalerweise sei der Schichtdienst so angesetzt, dass die Beamten Fehlstunden produzieren. Diese sollten dann eigentlich für Fortbildungen genutzt werden. Stattdessen leisteten die Polizisten weitere Schichten. Somit sei zumindest dort ein beinahe normaler Ablauf möglich. Eder berichtet, dass in Backnang immerhin einige Praktikanten im Einsatz seien. „Die sind aber nicht voll einsetzbar.“ Die Praktikanten seien stets mit einem Ausbilder unterwegs, sie könnten keine Fahrten allein unternehmen. Auch werde darauf geachtet, sie aus gefährlichen Einsätzen herauszuhalten.

„Im Ermittlungsdienst dagegen tut sich die eine oder andere Lücke auf.“ Etwa fünf der acht fehlenden Stellen entfielen auf diesen Bereich. Das habe zwei Entwicklungen zur Folge: Zum einen häufen die zugehörigen Beamten Überstunden an. Zum anderen müssen manche Aufgaben reduziert werden. Das betrifft meistens Präventionsmaßnahmen. Ulli Eder sieht das nicht gerne: „Wir wissen, dass Prävention viel bringt, gerade in den Schulen.“ Daher versuchten er und seine Kollegen, alles zu leisten, was ihnen hierbei möglich ist. „Aber das eine oder andere muss zurückstehen.“

Dass Backnang bei dieser Entwicklung keine Ausnahme, sondern vielmehr die Regel darstellt, zeigt ein Blick auf die Zahlen für das Zuständigkeitsgebiet des PP Aalen. Insgesamt 1699 Präventionsveranstaltungen führte die Polizei 2018 im Zuständigkeitsbereich durch, davon 725 im Rems-Murr-Kreis. Im Jahr zuvor waren es noch 2164 solcher Veranstaltungen, davon 778 im Rems-Murr-Kreis. Das schlägt sich auch in der Zahl der erreichten Personen nieder: Wurden 2017 noch 53323 Personen durch Präventionsveranstaltungen der Polizei erreicht, waren es 2018 nur noch 40337.

Da die Themen im Bereich Prävention breit gefächert sind, werde nicht einfach wahllos überall gleich stark gekürzt. „Man muss irgendwo Schwerpunkte setzen“, erklärt Eisele. „Bei der Prävention gibt es Pflichtaufgaben, die wir vorrangig machen müssen.“ Dazu gehöre beispielsweise die Jugendverkehrsschule. Zudem gebe das Präsidium einige selbst gesetzte Schwerpunkte aus. Dazu gehöre etwa die Einbruchsberatung, die von der Bevölkerung erwartet werde und die auch im Ergebnis gute Zahlen mit sich bringe (wir berichteten). Selbst diese ist 2018 weniger geworden. Nahm die Polizei des PP Aalen 2017 noch 883 Beratungen vor, waren es im vergangenen Jahr nur noch 537. „Alles können wir nicht mehr tun.“ Die klare Maßgabe landesweit sei, so Eisele, dort etwas locker zu lassen, wo nicht die Kernaufgaben der Polizei betroffen sind. „Deswegen trifft es manchmal auch Kür-Aufgaben, die wir wirklich gern machen würden.“

Er wisse, dass viel mehr an Prävention von der Bevölkerung erwünscht sei, sagt Roland Eisele. Da seien aber auch andere Partner gefragt, sagte er, ohne diese genauer nennen zu wollen. „Die dürften vielleicht auch mal mehr machen.“ Die Polizei sei oft der Initiator, „dann wär’s aber auch gut, wenn das Rädchen von selbst laufen würde“.

„Wir kommen in einen Bereich, wo es bei uns eng wird, auch in unserenRevieren draußen.“Roland EiselePolizeipräsident

„Wir kommen in einen Bereich, wo es bei uns eng wird, auch in unseren Revieren draußen.“ Roland Eisele Polizeipräsident

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Erstellt:
5. April 2019, 06:00 Uhr

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