Polizei sensibilisiert zum Saisonstart

An der Sulzbacher Steige und weiteren Schwerpunktstellen hat die Polizei am Samstag Motorräder kontrolliert. Die Unfallhäufung und die hohe Lärmbelästigung machen das Motorrad zu einem Handlungsschwerpunkt im Präsidium.

Motorradkontrolle am sonnigen Samstagnachmittag in der Fischbachkurve: Die Polizei wählt die Zeiten dafür nicht willkürlich, sondern aufgrund der Unfallauswertung. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Motorradkontrolle am sonnigen Samstagnachmittag in der Fischbachkurve: Die Polizei wählt die Zeiten dafür nicht willkürlich, sondern aufgrund der Unfallauswertung. Fotos: Alexander Becher

Von Nicola Scharpf

Sulzbach an der Murr. Die Kontrollstellen der Polizei, die sind schnell verbraten, sagt erster Polizeihauptkommissar Volker Nied von der Backnanger Verkehrspolizei, der am Samstagnachmittag die Einsatzleitung aller fünf Kontrollstellen im Gebiet des Polizeipräsidiums Aalen innehat. Schließlich sind Motorradfahrer gut vernetzt. „Ich habe an der Kontrollstelle noch nicht einmal meinen Motorradhelm abgesetzt gehabt, da berichtete mir ein Kollege schon, dass in der Facebook-Gruppe steht, dass die Polizei heute in der Fischbachkurve kontrolliert“, sagt einer der beteiligten Beamten über eine Erfahrung aus der zurückliegenden Motorradsaison. Aber auch am Samstag hat der Informationsfluss der Biker wohl ähnlich gut funktioniert wie damals: Zwei Stunden nach Einsatzbeginn haben die Polizisten noch keines jener schwarzen Schafe aus dem Verkehr gezogen, die durch illegale Rennen oder frisierte Maschinen oder hemmungslose Motorenlärmbelästigung den ganzen Personenkreis der Motorradfahrer in Misskredit ziehen. Es ist auch nicht das Ziel der Aktion, abzustrafen oder pauschal zu verurteilen. Vielmehr beteiligt sich das Polizeipräsidium Aalen am Aktionsmonat, den das Innenministerium Baden-Württemberg zur Verkehrssicherheit rund um das Motorrad ausgerufen hat. Sensibilisieren lautet die Devise der Polizei zum Auftakt der Motorradsaison – zum einen für die erhöhte Gefahr, der sich Motorradfahrer im Straßenverkehr aufgrund des geringeren Schutzes aussetzen, zum anderen für eine angepasste Fahrweise, um unnötigen Motorradlärm zu verhindern.

In etwa 200 Metern Entfernung steht oberhalb der Fischbachkurve ein Vorposten mit Lasertechnik an der B14, der die Kollegen im Kurvenbereich per Funk informiert, welche Biker sie rechts ranwinken sollen. Im kühlenden Schatten der Bäume heißt es dann: Helm absetzen, Führerschein und Fahrzeugpapiere vorzeigen. Beamten des Kompetenzteams Motorrad umrunden geschulten Auges die Maschinen. Mal messen sie mit Wasserwaage und Meterstab, ob das Kennzeichen im richtigen Winkel angebracht ist. Mal überprüfen sie mit einem Plastikkärtchen die Tiefe des Reifenprofils. Mal gibt das Dezibelmessgerät Auskunft darüber, ob das Motorrad tatsächlich nicht lauter ist als der in den Fahrzeugunterlagen angegebene, zugelassene Wert. Zahlreich verteilen die Beamten Mängelkarten – eine zweite Chance beziehungsweise die Vorstufe zur Anzeige, wenn beim Motorrad technisch nicht alles in Ordnung ist. Ein junger Mann aus Heilbronn wird herausgezogen wegen des fehlerhaften Winkels des Kennzeichens – wie sich herausstellt zum zweiten Mal in diesem Jahr, kontrolliert vom gleichen Beamten wegen des gleichen Mangels, den der Fahrer zwar behoben hat, das aber fehlerhaft. „Das Kennzeichen muss in einem bestimmten Winkel angebracht sein, damit es lesbar ist“, erklärt Polizeioberkommissar Jochen Reber vom Kompetenzteam Motorrad und wendet sich an den Fahrer: „Das ist ja nichts Dramatisches. Das ist kein großer Act.“ Neben der eigentlichen Kontrolle ist auch für Freundlichkeit, flapsige Sprüche und Fachsimpeln Platz. Kontrolleure und Kontrollierte wirken entspannt. „Wir halten den Kontrolldruck an den Schwerpunktstellen hoch“, sagt Einsatzleiter Nied. Routine also auf beiden Seiten.

Immer wieder kommen Gespräche auf die Unvernünftigen unter den Fahrern, deren prozentualen Anteil Nied zwar lediglich im einstelligen Bereich ansiedelt – mit deren Fehlverhalten sich die Polizei, die betroffene Bevölkerung und die Entscheidungsträger in der Politik aber viel auseinanderzusetzen haben. Ein kontrollierter Biker gibt dem Motorradexperten Reber sogar einen Hinweis: „Der mit dieser V2, der drängelt immer brutal.“ Reber antwortet nickend: „Ja, den haben wir schon auf dem Schirm.“ Ein anderer Fahrer, seiner Statur und seines Motorrads nach zu urteilen eher von der gemütlichen Sorte, empfiehlt, sich in Bezug auf Raser ein Beispiel an Österreich zu nehmen: „Die haben Angstmarkierungen in Form von Kreisen oder Zickzack auf der Fahrbahn, um Kurven sicherer zu machen.“ Wobei die Geschwindigkeit auf der kurvenreichen Sulzbacher Steige nicht unbedingt immer das Problem ist.

Wie zum Beweis wird eine große Maschine herausgewunken, rollt im Schritttempo blubbernd heran. „105 oder 110 PS. Das hören Sie nicht“, sagt Nied, der selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer ist und eine schwere Maschine besitzt. „Lautstärke ist nicht erforderlich.“ Aber sie ist ein Riesenproblem für die Bevölkerung entlang der Strecke. „Die Bundesstraße ist perfekt für Motorräder von der Topografie her. Es ergibt sich auch ein wunderbarer Rundkurs über die Platte bei Löwenstein“, schildert Nied aus Perspektive der Biker. Und weil die Sulzbacher Steige so perfekt ist für das Motorradfahren, wird sie gerne mal röhrend rauf- und wieder runtergefahren. So einen Kandidaten winken die Beamten auch am Samstag raus: Zunächst kontrollieren sie den Fahrer anlasslos. Während der junge Mann mit dem Nasenpiercing und den zittrigen Händen an seiner E-Zigarette zieht, stellen die Polizisten ein paar Mängel am Motorrad fest und lassen ihn anschließend – Mängelkarte in der Jackentasche – weiterfahren. Noch im Sichtbereich der Polizisten überholt er im Überholverbot ein Auto. „Das ist nicht klug“, kommentiert eine Beamtin. „Er bekommt eine Anzeige hinterher. Das Kennzeichen haben wir ja.“ Wenige Minuten später fährt er aus der Gegenrichtung wieder an, weshalb ihn obendrein eine Mahnung wegen unnötigen Hin- und Herfahrens erwartet. „Das ist noch das Sahnehäubchen“, findet die Polizistin.

Konventionelle Mittel sind ausgeschöpft

Um gegen Motorradlärm und gefährliche Fahrweise anzugehen, wendet die Polizei die 3-E-Regel an: Engineering, Enforcement, Education – also Verkehrseingriffe wie Geschwindigkeitsbegrenzungen oder bauliche Maßnahmen, Verkehrsüberwachung wie zum Beispiel Polizeikontrollen, Verkehrserziehung wie etwa aufklärende, präventive Gespräche mit Bikern an deren Treffpunkten. „Das Motorrad ist ein absoluter Handlungsschwerpunkt im Präsidium, weil es Tote gibt“, sagt Volker Nied mit Blick auf die Unfallhäufung. Auch zum Eindämmen des Lärms „leistet die Polizei ihren möglichen Beitrag“. Doch an solchen Strecken wie der Sulzbacher Steige sind die konventionellen Mittel zur Verbesserung der Situation ausgeschöpft: Es gibt ermahnende Tafeln und Tempolimits und Rüttelstreifen und Polizeikontrollen und gesperrte Zufahrten zu Parkplätzen. Es gibt Hinweise an die Landtags- und Bundestagsabgeordnete und die Initiative Motorradlärm, der der Rems-Murr-Kreis beigetreten ist. Doch was wirklich hilft, ist wohl nur die Einsicht: Jochen Reber, der Gründungsmitglied des Kompetenzteams Motorrad ist, berichtet von einem Fahrer, dessen Motorrad er sichergestellt hat. „Der Schalldämpfer war leer geräumt. Das war nur noch eine Blechdose.“ Der Mann musste ein saftiges Bußgeld zahlen und zur Nachschulung. „Der hat dazugelernt, macht so was nicht mehr und hat auch auf seine Kumpels eingewirkt.“

Was bleibt? Wie so oft die Hoffnung, in diesem Fall, dass die Polizei mit ihrer Kontrolle in der Fischbachkurve die Richtigen sensibilisieren konnte, die die Idee der vernünftigen Fahrweise weitertragen.

Mitglieder des Kompetenzteams Motorrad unterziehen die Maschinen einer Komplettkontrolle. Die Polizisten haben die Technik und die gefahrene Geschwindigkeit im Visier.

© Alexander Becher

Mitglieder des Kompetenzteams Motorrad unterziehen die Maschinen einer Komplettkontrolle. Die Polizisten haben die Technik und die gefahrene Geschwindigkeit im Visier.

Polizei sensibilisiert zum Saisonstart

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„Das Motorrad ist ein absoluter Handlungsschwerpunkt im Präsidium, weil es Unfälle mit tödlichem Ausgang gibt.“

Das derzeitige Vorgehen gegen den Motorradlärm

KontrollenIm Ostalbkreis sowie im Rems-Murr-Kreis wurden für die Kontrollen insgesamt 28 Polizeikräfte eingesetzt, wobei sich diese ebenfalls auf mehrere Kontrollstellen verteilten. Im Laufe des Tages wurden hier 201 Motorräder kontrolliert. Im Ostalbkreis waren es davon 68, während es im Rems-Murr-Kreis 133 Motorräder waren. Im Rems-Murr-Kreis wurden insgesamt 29 Verstöße festgestellt. Davon belaufen sich neun Verstöße auf Geschwindigkeitsüberschreitungen, in 18 Fällen wiesen die Motorräder technische Mängel auf. In einem Fall stand der Fahrer des Motorrads unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln sowie in einem anderen Fall überholte ein Motorradfahrer im Überholverbot.

Aktuelle Lärmlage Im November 2021 wurde im Sulzbacher Gemeinderat der Antrag gestellt, dass die B14 von Sulzbach in Richtung Großerlach für Motorradfahrer phasenweise einseitig gesperrt wird – aufgrund des gehäuften Unfallaufkommens und der Lärmbelästigung für die Anwohner. Auf BKZ-Anfrage erklärt Hauptamtsleiter Michael Heinrich, dass das Thema nicht vergessen ist: „Lärm und Aufregung, Stress und Ärger sind nach wie vor gegeben. Die Betroffenen sind gefrustet, das Problem ist natürlich immer noch vorhanden. Es hat sich in keiner Weise verbessert.“ Laut Heinrich erwartet der Gemeinderat eine offizielle Antwort des Landkreises auf seinen Antrag.

Aktuelle Gutachtenlage Nach Auskunft der Pressestelle im Landratsamt ruht der Antrag der Gemeinde momentan. Hintergrund ist, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, das das Ziel hat, Erkenntnisse der vergangenen Jahre zusammenzutragen und eine Bestandsaufnahme über einen längeren Zeitraum zu erstellen. Das umfangreiche Monitoring mit Zählstellen entlang der Strecken soll im Frühling und Sommer erfolgen und im Herbst ausgewertet werden. Frühestens im Frühjahr 2023 folgen dann Maßnahmen.

Initiative auf Landesebene Auch dem SPD-Landtagsabgeordneten Gernot Gruber ist ein Vorgehen gegen den Motorradlärm ein Anliegen. Jüngst wurde er von der Sulzbacher Gemeinderätin Edelgard Löffler auf die anhaltende Problemlage an der Sulzbacher Steige aufmerksam gemacht. Auch aus Kirchberg hatten sich betroffene Bürger wiederholt an den Abgeordneten gewandt. Gruber hat daher der für Lärmschutz zuständigen Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) vom Verkehrsministerium in Stuttgart geschrieben.

In ihrer Antwort empfiehlt sie Kommunen/Kreisen die Anschaffung von Motorradlärm-Displays für besonders betroffene Strecken. Für den Einsatz von Lärm-Blitzgeräten, die in Frankreich und der Schweiz im Einsatz sind, sieht das Landesverkehrsministerium keine rechtliche Grundlage in Deutschland, weshalb sich Gruber hierzu an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gewandt hat – mit der Bitte, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Überwachung und Ahndung willkürlicher Lärmbelästigung im Straßenverkehr zu ermöglichen.

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Erstellt:
16. Mai 2022, 06:00 Uhr

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