Virus-Sorgen: Reisende Polizisten bleiben zu Hause

dpa/lsw Stuttgart. Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus steigt langsam. Zunehmend suchen Behörden, Unternehmen und auch die Kirchen nach Wegen, um das Risiko von Ansteckungen zu verringern. Der Gesundheitsminister gibt sich optimistisch.

Polizisten mit dem kleinen Landeswappen von Baden-Württemberg stehen auf einer Demonstration. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archiv

Polizisten mit dem kleinen Landeswappen von Baden-Württemberg stehen auf einer Demonstration. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archiv

Isolierte Patienten und neue Testzentren, unfreiwillig verlängerte Faschingsferien für reisende Polizisten - und auch die Kirche zieht Konsequenzen aus der steigenden Zahl von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus: Bei Gottesdiensten am Sonntag vermieden Gläubige und Geistliche den direkten Kontakt bei Kommunion und Abendmahl. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) gibt sich dennoch zuversichtlich, die Lage im Südwesten zu kontrollieren. „Wir haben nach wie vor keinen kursierenden Erreger“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe einen Überblick über die meisten Kontaktketten.

Allerdings warnte Innenminister Thomas Strobl, trotz aller Anstrengungen würden sich weitere Infektionen zunächst nicht verhindern lassen. „Wir müssen uns bewusst sein, dass weitere Krankheitsfälle auftreten werden“, sagte der CDU-Politiker der dpa.

Die Zahl bestätigter Coronavirus-Fälle in Baden-Württemberg stieg bis zum frühen Sonntagabend auf 16. Am Wochenende sei eine weitere Infektion aus dem Raum Freiburg bekannt geworden, teilte das Sozialministerium mit. „Es handelt sich um einen 41-jährigen Mann ohne Bezug zu den vorbekannten Fällen“, hieß es. Symptombeginn sei am 26. Februar gewesen. Der Patient sei stationär in einem Krankenhaus aufgenommen worden, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums. Ihm gehe es gut, er weise keine schwere Symptomatik auf.

In Deutschland mehren sich die Fälle von Infektionen mit dem neuartigen Virus Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann.

Um die Gefahr von Ansteckungen zum Ende der Faschingsferien zu reduzieren, sollen nach Kindern, Schülern, Lehrern und vielen Beamten auch Polizisten vorsorglich zu Hause bleiben, wenn sie in den vergangenen Tagen aus einem Risikogebiet für das Coronavirus zurückgekehrt sind. Dies gelte unabhängig von eigenen Krankheitssymptomen, wie aus einem internen Schreiben des Innenministeriums hervorgeht.

Als Risikogebiete nennt das Ministerium die norditalienische Provinz Lodi in der Region Lombardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua (Region Venetien) sowie Teile Chinas, des Irans und Südkoreas.

Zuvor hatte bereits das Kultusministerium eine ähnliche Vorgabe für Kindertagesstätten und Schulen herausgegeben. Auch mehrere Städte wie Konstanz, Heilbronn und Böblingen kündigten an, die Empfehlungen für ihre Beamten umzusetzen. Unklar ist, wie viele Menschen von diesen Einschränkungen betroffen sind. „Hier geht es sicherlich nur um Einzelfälle“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Samstag. Die Ferien enden in Baden-Württemberg an diesem Montag.

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard appellierte an Patienten mit möglichen Symptomen der Krankheit Covid-19, sich bei einem Verdacht auf Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zunächst per Telefon mit dem Hausarzt in Verbindung zu setzen. Bei einem Verdacht sollten Betroffene nicht unaufgefordert und auf eigene Faust in Kliniken oder Arztpraxen gehen. „Arztpraxen und Kliniken sollen geschützte Räume bleiben für anderweitig geschwächte oder verletzte Menschen, die akute medizinische Behandlung benötigen“, sagte Bernhard (parteilos). „Für sie ist eine Ansteckung mit dem Erreger besonders gefährlich.“

Wegen des Virus Sars-CoV-2 wurden auch erste Veranstaltungen in Baden-Württemberg abgesagt. Unter anderem verschiebt die Karlsruher Messe die Nahverkehrsmesse IT-Trans aus Sicherheitsgründen. Am Freitag war auch die weltgrößte Reisemesse, die ITB in Berlin, abgesagt worden ebenso wie der Autosalon im schweizerischen Genf und die Basler Fastnacht.

Nach Einschätzung Luchas müssen Großveranstaltungen wie zum Beispiel Bundesligaspiele aber nicht grundsätzlich untersagt werden. Es sei zwar vernünftig gewesen, die ITB abzusagen, weil sich die globalisierte Zielgruppe nicht hätte steuern lassen. „Aber Stand heute braucht man Bundesligaspiele nicht absagen, auch wenn das die Veranstalter entscheiden“, sagte Lucha der dpa. Abhängig sei eine Absage davon, „ob Risikopersonen oder -zielgruppen stärker angezogen werden“. Auch die Stadt Freiburg teilte mit, es gebe derzeit „keinen Grund dafür, eine Veranstaltung abzusagen oder ihr fern zu bleiben“.

Gläubige feierten ihren Sonntagsgottesdienst nach der Mahnung der Kirchen unter erhöhter Vorsicht. In der evangelischen Christus-Luther-Markus-Gemeinde in Heidelberg begingen die Gläubigen zwar wie gewohnt das Abendmahl. Wein oder Traubensaft gab es aber nur in speziellen Einzelkelchen. Zudem desinfizierten sich die Kirchendiener vor der Ausgabe des Brotes die Hände. Auch in Karlsruhe verzichteten die Geistlichen auf Kelch- und Mundkommunion sowie den Friedensgruß. Bei dieser Tradition gibt man in der Messe den Sitznachbarn zum Zeichen des Friedens die Hand.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte ihren Gemeindemitgliedern angesichts der weiteren Ausbreitung des Erregers empfohlen, etwa beim Abendmahl nicht aus ein und demselben Kelch zu trinken. Die katholische Kirche hatte zu ähnlichen Vorbeugemaßnahmen geraten. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart teilte mit, es solle vorerst auf das Händereichen als Friedensgruß verzichtet und ausschließlich die Handkommunion angeboten werden. Auch die Weihwasserbecken werden vorerst nicht gefüllt.

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Erstellt:
29. Februar 2020, 11:16 Uhr

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