Polizei sucht 300 junge Leute in der Region auf

Die Ordnungshüter gehen bei den beiden rivalisierenden Gruppen in der Region Stuttgart neue Wege.

Von Jürgen Bock

Stuttgart - Es geht um Drogengeschäfte, Gebietsansprüche, Zugehörigkeitsgefühle: Vor fast zwei Jahren hat eine Serie an Gewalttaten in der Region Stuttgart begonnen, wie es sie so zuvor noch nicht gegeben hat. Regelmäßig sind Schüsse gefallen. Zwei von der Polizei als „multiethnische Gruppen“ bezeichnete lockere Zusammenschlüsse bekämpfen sich gegenseitig – im Extremfall sogar mit Handgranaten wie bei dem Anschlag auf einem Friedhof in Altbach (Landkreis Esslingen) im vergangenen Sommer.

Zuletzt ist es etwas ruhiger geworden – das liegt wohl daran, dass die Sicherheitsbehörden die Gruppen massiv stören. Eine Inhaftierung folgt der nächsten. Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg verkündet inzwischen 68 Festnahmen, über 180 vollstreckte Durchsuchungsbeschlüsse und 29 sichergestellte Schusswaffen.

Man will es aber nicht dabei belassen, sich auf die zu beschränken, die bereits massiv in die Straftaten verwickelt sind. Rund 550 Personen zählt die Polizei zum Umfeld der beiden Gruppen – nicht jeder davon ist offenbar bereits so weit, dass er komplett in die Schwerstkriminalität verwickelt ist. Also „vermitteln wir an Personen, insbesondere aus dem Umfeld der kriminellen Gruppierungen, gezielte Unterstützungsangebote, um sie vor einem Abrutschen in kriminelle Strukturen zu bewahren“, sagt LKA-Sprecher David Fritsch. Mit sogenannten Präventiv- und Offensivansprachen wolle man diesen Leuten klarmachen, was auf sie zukommt, wenn sie sich nicht von den Taten und Rädelsführern distanzieren.

Nun ist es in diesem Umfeld klar, dass man nicht mit der Polizei spricht. Schon gar nicht, wenn man in der Gruppe unterwegs ist. Deshalb haben in den vergangenen beiden Wochen rund 300 Leute in der Region vorwiegend zu Hause Besuch bekommen. „Wir versuchen in manchen Fällen, die Familien mit ins Boot zu holen, um den Druck zu erhöhen und zu erreichen, dass nahe stehende Menschen sie unterstützen können“, so Fritsch. Ob die Ansprachen gefruchtet haben und ein weiteres Abgleiten in die Kriminalität verhindern, muss die Zukunft zeigen.

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Erstellt:
20. Mai 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
21. Mai 2024, 21:59 Uhr

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