Polizist vom Vorwurf der Unterschlagung freigesprochen

Bei Sicherung von Diebesgut verschwand ein Armband – Der Verdacht fiel auf einen zur Aushilfe tätigen Polizeibeamten.

Auch bei ausführlichen Ermittlungen konnte kein belastendes Element gefunden werden. Foto: D. Okanak/stock.adobe.com

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Auch bei ausführlichen Ermittlungen konnte kein belastendes Element gefunden werden. Foto: D. Okanak/stock.adobe.com

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Vor dem Amtsgericht hat sich ein 38-jähriger ehemaliger Polizeibeamter wegen Unterschlagung zu verantworten. Ein Gerichtsverfahren, das – darin sind sich alle Beteiligten einig – nicht gerade zum Renommee der Polizei beiträgt. In einer Juli-Nacht 2019 wird eine Polizeistreife zu einem Diebstahlsversuch gerufen. Der Dieb wurde auf frischer Tat ertappt. Die Polizeistreife kann den Beschuldigten samt Diebesgut mitnehmen. In einem Polizeirevier der Region angekommen, beginnen die Beamten, den Fall aktenkundig zu machen. Just in dieser Nacht sind wegen Personalnot die diensttuenden Ordnungshüter ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus allen möglichen Revieren. Auch für den 38-Jährigen ist die Dienststelle nicht sein Stammrevier. Er soll in dieser Nacht den Innendienst versehen. In dieser Eigenschaft bietet sich der 38-Jährige an, seine eben zurückgekehrten Kollegen zu unterstützen. Das Diebesgut von insgesamt 89 Stücken im Wert von circa 10000 Euro müsste Stück für Stück erfasst und fotografiert werden. Üblich ist hier das sogenannte Vieraugenprinzip, das heißt, zwei Beamte tun das gemeinsam. Aber wenn es hoch hergeht im Revier – das ist in dieser Nacht der Fall – wird davon schon mal abgewichen. Der 38-Jährige begibt sich in sein Dienstzimmer, breitet den Schmuck auf dem Schreibtisch aus und fertigt eine sogenannte Übersichtsaufnahme. Zum Anlegen einer detaillierten Liste kommt es gar nicht. Aber die Kollegen nehmen daran keinen Anstoß. Der Schmuck kommt wieder zurück in die Tüte. Diese wird erst zwei Stunden später versiegelt.

Als Wochen später der Schmuck an den Bestohlenen zurückgegeben wird, wird ein Armband vermisst. Ein Kriminalbeamter nimmt sich der Sache an, vernimmt alle in jener Nacht anwesenden Kollegen. Zwei Übersichtsaufnahmen, mit 15 Minuten Verzögerung aufgenommen, existieren. Und was auf dem ersten Foto noch zu sehen war, ist auf dem zweiten Foto nicht mehr drauf. Der 38-Jährige, disziplinarrechtlich vorbelastet, gerät unter Verdacht. Sein Haus wird durchsucht, seine Bankgeschäfte durchleuchtet, sein Ebay-Account geprüft, ja selbst die Goldankaufhäuser der Region abtelefoniert. Nirgends ergibt sich ein Hinweis, dass der Beamte den Armreif an sich genommen und verhökert haben könnte.

Bei Ermittlungen hat sich kein belastendes Element ergeben

Der Kriminalbeamte, der dies alles in der Verhandlung vorträgt, muss auf Rückfrage zugeben, dass sich kein belastendes Element gegen den 38-Jährigen ergeben hat. Die Staatsanwältin muss in ihrem Plädoyer zugeben, dass ein klarer Beweis fehlt. Aber gewisse Indizien deuteten, so die Anklagevertreterin, doch auf die Täterschaft des Angeklagten hin. Der Angeklagte war mit dem Diebesgut in seinem Dienstzimmer allein. Als eine junge Kollegin den Schmuck mit ihrem Privathandy fotografiert, rät er ihr, die Aufnahme wieder zu löschen. Dienstliche Sachen mit dem eigenen Handy zu fotografieren, so die schmerzliche Erfahrung des 38-Jährigen, kann zu einer Disziplinarangelegenheit werden. Hat das der 38-Jährige nur gesagt, um das Verschwindenlassen des Armreifs zu vertuschen? Die Staatsanwältin fordert eine Geldstrafe von 7200 Euro. Der Verteidiger des Angeklagten betont, dass im Verlauf der Nacht sechs im Revier anwesende Personen in den stundenlang unversiegelten Beutel hätten greifen können. Die Täterschaft eines einzelnen ergebe sich nicht zwingend. Und verweist auf die bereits erwähnte Aussage des mit der Ermittlung betrauten Kriminalbeamten. Für den Verteidiger kommt nur ein Freispruch in Frage.

Und so lautet dann auch der Richterspruch. In seiner Urteilsbegründung gibt der Amtsrichter zu, dass ein „Gschmäckle“ zurückbleibe. Begünstigt wurde das ganze Geschehen in der Tatnacht auch dadurch, dass die Abläufe im Revier offenbar mal so, mal anders gehalten würden. Gerade durch die in zeitlichen Abstand aufgenommenen Übersichtsaufnahme sei der Verdacht natürlich auf den Angeklagten gefallen. Und dennoch: „Es bleibt nicht so viel übrig, dass der Anfangsverdacht untermauert werden könnte.“ Es blieben Restzweifel. Und so gelte: Im Zweifel für den Angeklagten.

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Erstellt:
1. Oktober 2021, 11:00 Uhr

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