Polizei

Präsidentenkarussell

Erstmals werden Spitzenämter in der Polizei Baden-Württembergs abweichend von den Vorstellungen des wegen sexueller Verfehlungen vom Dienst beurlaubten Inspekteurs besetzt. Frei von persönlichen Motive ist die Personalentscheidung deshalb lange noch nicht – das Innenministerium schweigt aus Datenschutzgründen dazu.

Bild aus besseren Tagen: Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz und Inspekteur Andreas Renner einträchtig bei Aufnahmen für Videos zur sogenannten Wertekampagne des Landespolizeipräsidiums, mit der Beamtinnen und Beamten auch für sexuelle Verfehlungen sensibilisiert werden sollen.

© /StN

Bild aus besseren Tagen: Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz und Inspekteur Andreas Renner einträchtig bei Aufnahmen für Videos zur sogenannten Wertekampagne des Landespolizeipräsidiums, mit der Beamtinnen und Beamten auch für sexuelle Verfehlungen sensibilisiert werden sollen.

Von Franz Feyder

Erstmals nachdem der amtierende Inspekteur der Polizei wegen des Verdachtes der sexuellen Belästigung beurlaubt wurde, sollen abweichend von dessen Vorstellungen Spitzenämter der Polizei vergeben werden. Nach Informationen unserer Zeitung soll demnach der derzeitige Vizepräsident des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, Frank Spitzmüller, Präsident des Präsidiums in Heilbronn werden. Neuer Präsident in Ludwigsburg werde der amtierende Stellvertreter im Polizeipräsidium Einsatz, Thomas Wild. Ihm folge der leitende Polizeidirektor Michael Sorg, der aktuell im Innenministerium verwendet wird.

Mit dieser Entscheidung weicht das Innenministerium von jener Liste ab, die Inspekteur Andreas Renner im Sommer vor zwei Jahren auf einer Beurteilungskonferenz für Beamte des höheren Dienstes präsentierte und über die unsere Zeitung im September 2020 berichtete. Renner hatte damals den Polizeipräsidenten aufgezeigt, wie er sich die Besetzung von Spitzenämter – auch mit Günstlingen – vorstellt. Bislang wurde diese Liste wortgetreu umgesetzt. In der Sitzung des Renner-Untersuchungsausschusses des Landtages bestätigte der frühere stellvertretende Landespolizeipräsident Dietrich Moser von Filseck, dass Renner eine derartige Liste hatte: „Diese Übersicht, ich mag nicht von einer Liste sprechen“.

Auch bei der Neubesetzung spielen persönliche Ziele eine Rolle

Aber auch die neue Besetzung der Spitzenämter scheint nicht frei von persönlichem Zielen zu sein. So habe nach Recherchen unserer Zeitung Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz in jedem Fall Spitzmüller als Präsident in Ludwigsburg verhindern wollen. Der Kriminale habe ihr eine zu große Nähe zu Renner, mit dem gemeinsam Spitzmüller die Polizeiführungsakademie in Hiltrup besuchte. Zudem werfe Hinz dem amtierenden Vizepräsidenten vor, dass Renner plante, seinen Kommilitonen als Präsidenten in Ludwigsburg zu verwenden. Das Innenministerium äußerte sich auf Anfrage mit dem Verweis auf den Datenschutz nicht zu den Vorwürfen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang Kurznachrichten, die im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Renner im vergangenen Dezember auf seinem neuen Mobiltelefon sichergestellt wurden. So berichtet Renner einem Vertrauten, Hinz verhalte sich wie ein Messer und wolle ihn zur Strecke bringen, sie wolle ihn komplett hängen. In einer anderen SMS warnt ihn ein Vertrauter vor den „Gehilfen“ Hinzes und Spitzmüllers, die gefährlich seien. Ende November 2021 war bekannt geworden, dass Renner einer Hauptkommissarin Laufbahnvorteile als Gegenleistung für Sex geboten habe. Renner war deshalb auf Drängen von Innenminister Thomas Strobl (CDU) versagt worden, die Dienstgeschäfte weiter zu führen. Allerdings vergingen zwischen dieser Anweisung und ihrer Ausführung drei Tage. Weitere Tage vergingen, weil Hinz zwar am 22. November 2021 ein Disziplinarverfahren gegen Renner einleitete, es gleichzeitig aber aussetzte. Die Staatsanwaltschaft leitete ihr Verfahren erst Tage später ein.

Fehlende Munition, zerstörtes Handy

Moser von Filseck sagte aus, Hinz sei Renners Disziplinarvorgesetzte gewesen. Merkwürdig ist, dass Renner deshalb in der Lage war, sein Mobiltelefon zu zerstören. Zudem fehlte bei der Sicherstellung seiner Dienstwaffe die Munition. Diese soll angeblich im vergangenen Monat im Landeskriminalamt gefunden worden sein. Es ist aber auffällig, dass Renner 2020 nach seiner Ernennung zum Inspekteur bei seinem Umzug vom LKA zwar seine Pistole, nicht aber die dazugehörige Munition ins Innenministerium mitnahm. Zumal sich in der Regel die Patronen in den Magazinen der Pistole befinden.

Die bisherige Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss zeigt, dass Hinz entscheidend Renner förderte, um ihn in das Amt des Polizeiinspekteurs zu bringen. Zudem steht in Rede, dass der heutige Staatssekretär im Justizministerium, Siegfried Lorek (CDU), als Landtagsabgeordneter die Karrieren von Hinz und Renner entscheidend förderte. Moser von Filseck sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, er habe im Juni 2020 von Innenminister Thomas Strobl gesagt bekommen, er solle Renner rechtskonform zum Inspekteur machen.

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Erstellt:
16. Dezember 2022, 13:12 Uhr
Aktualisiert:
16. Dezember 2022, 13:37 Uhr

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