Preisexplosion und ein drohender Schildbürgerstreich

Die neue Fußgängerbrücke am Backnanger Bahnhof soll 6,5 Millionen Euro kosten. Die Barrierefreiheit ist aber trotzdem nicht gesichert.

Schlicht, aber trotzdem teuer: Die neue Stadtbrücke am Bahnhof soll Ende 2023 in Betrieb gehen. Visualisierung: Schlaich Bergermann und Partner

Schlicht, aber trotzdem teuer: Die neue Stadtbrücke am Bahnhof soll Ende 2023 in Betrieb gehen. Visualisierung: Schlaich Bergermann und Partner

Von Kornelius Fritz

Backnang. 5,8 Millionen Euro für einen
60 Meter langen Fußgängersteg – das war dem Backnanger Gemeinderat vor zwei Jahren zu teuer. Obwohl der Entwurf einer verglaste Holzfachwerkkonstruktion den Stadträten gut gefiel, beschlossen sie, nur eine schlichte Stahlkonstruktion zu realisieren. 1,4 Millionen Euro hoffte man dadurch zu sparen. Doch daraus wird nichts: Tatsächlich wird die Brücke nun sogar noch teurer. Aktuell geht das städtische Hochbauamt von 6,5 Millionen Euro aus, weitere Abweichungen von bis zu 15 Prozent könnten nicht ausgeschlossen werden.

Grund sind die enorm gestiegenen Rohstoffpreise, etwa für Stahl. „Eigentlich dürften wir Ihnen den Bau zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht vorschlagen“, sagte Baudezernent Stefan Setzer im Technischen Ausschuss des Gemeinderats. Allerdings herrscht akuter Zeitdruck. Da der Bahnverkehr während der Bauarbeiten zeitweise ruhen muss, hatte die Stadt sogenannte Sperrpausen bei der Deutschen Bahn beantragt. Diese sind nun für das kommende Jahr genehmigt. Würde man sie allerdings verstreichen lassen, hätte man laut Setzer frühestens 2028 wieder die Chance, die Brücke zu bauen, da die Bahn wegen „Stuttgart21“ vorher keine weiteren Sperrpausen genehmige. Verwaltung und Gemeinderat sind sich deshalb einig, dass sie das Projekt durchziehen wollen. „Es lohnt sich trotz der Mehrkosten. Wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen, brauchen wir eine adäquate Verbindung, auch für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen“, sagte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich im Ausschuss.

Ob der Bahnhof nach dem Bau der Brücke wirklich barrierefrei sein wird, ist allerdings noch gar nicht sicher. Zwar beinhaltet die Planung insgesamt vier Aufzüge, allerdings ist die Stadt nur für den vordersten und den hintersten zuständig. Die beiden mittleren, die zu den Bahnsteigen führen, muss die Deutsche Bahn bauen. Und die hat bereits angekündigt, dass sie die Aufzüge erst im Rahmen ihres Bahnhofsmodernisierungsprogramms in den Jahren 2025 und 2026 realisieren will.

Das könnte zu der kuriosen Situation führen, dass am Backnanger Bahnhof Ende 2023 zwar eine neue Brücke steht, die Aufzüge aber erst drei Jahre später in Betrieb gehen. Um das zu verhindern, hatte die Stadt sogar angeboten, die Aufzüge selbst zu bauen und vorzufinanzieren, die Bahn hätte sie dann erst 2026 bezahlen müssen. Doch auch diesen Vorschlag habe die Bahn abgelehnt, teilte Friedrich nun mit.

Im Gemeinderat sorgt das für Kopfschütteln: „Jeder, der das sieht, erklärt uns für verrückt“, vermutet SPD-Stadtrat Armin Dobler. Maximilian Friedrich will die Flinte aber noch nicht ins Korn werfen. Der OB kündigte weitere Gespräche „auf politischer Ebene“ an, um den drohenden Schildbürgerstreich noch zu verhindern.

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Erstellt:
3. Juni 2022, 06:00 Uhr

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