Prozess um Mordversuch in Drogenszene

dpa/lsw Heilbronn. Das blutende Opfer wird bei Minusgraden im Wald zurückgelassen - laut Anklage sollte er als vermeintlicher Verräter bestraft werden. Auf der Suche nach Hilfe stolpert der junge Mann durch die Dunkelheit. Seinen Tod sollen die mutmaßlichen Täter in Kauf genommen haben.

Absperrband der Polizei. Foto: Bodo Marks/Archivbild

Absperrband der Polizei. Foto: Bodo Marks/Archivbild

Um ihren Bekannten zu bestrafen, sollen sie ihn in einen Wald gelockt, niedergestochen und zum Sterben zurückgelassen haben. Seit Montag müssen sich fünf Männer im Alter von 21 bis 32 Jahren wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Heilbronn verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Tat in der Drogenszene aus: Einer der Angeklagten habe die übrigen dazu angestachelt, dem vermeintlichen Verräter - der manche bei der Polizei verpfiffen haben soll - eine Abreibung zu verpassen.

Bewaffnet mit Messern, Schlagring und Stock lockten sie ihn demnach im Januar in einen Wald bei Gaildorf (Landkreis Schwäbisch Hall), und einer der Angeklagten stach zu. Schwer verwundet, mit Verletzungen an Magen, Darm und Lunge, irrte der junge Mann lange Zeit durch den Wald, „im Dunkeln stolpernd und taumelnd“, wie der Staatsanwalt betonte. Mehrfach sei er dabei in den Schnee gefallen und dort geschwächt liegen geblieben. Schließlich schleppte er sich laut Staatsanwalt zu einer Bundesstraße, wo ihn eine vorbeifahrende Familie entdeckte. Das Überleben des Verletzten habe vom Zufall abgehangen, die Körpertemperatur sei nur noch 30 Grad gewesen.

Der Mann musste mehrfach operiert werden und tritt in dem bis Oktober angesetzten Prozess nun als Nebenkläger auf. Neben mehreren Stichen in den Körper soll einer der Angeklagten ihm ins Gesicht geschnitten haben, beginnend an den Mundwinkeln mehrere Zentimeter lang. „Das passiert mit Verrätern“, wurde dem Opfer laut Staatsanwalt während des Angriffs vorgehalten.

Niemand aus der Gruppe habe dem Schreienden, Weinenden und Blutenden geholfen, betonte der Staatsanwalt. Bei Temperaturen von minus fünf bis minus acht Grad wurde der Mann stattdessen in der Abgeschiedenheit zurückgelassen. „Sie gingen davon aus, dass er die massiven Verletzungen nicht überleben würde.“

Die mutmaßlichen Täter und das Opfer kannten sich, bei manchen von ihnen soll der 21-Jährige nach Drogendeals Schulden gehabt haben. An jenem Abend im Januar lockten sie ihn der Anklagebehörde zufolge unter Vorwand in den Wald - um „eine Friedenslinie zu ziehen, sprich Amphetamin zu ziehen“, sagte der Staatsanwalt. „In Wahrheit war es das Ziel, ihn für seinen vermeintlichen Verrat zu bestrafen.“ Nur einer der Angeklagten habe tatsächlich zugestochen, ein zweiter das Opfer festgehalten. Die übrigen drei blieben der Anklage zufolge als mögliche Verstärkung im Hintergrund.

„Jeder von Ihnen muss sich zurechnen lassen, zumal bei diesen Temperaturen, Hilfe auch nicht im Nachhinein geholt zu haben“, erklärte der Vorsitzende Richter den fünf Deutschen, die in Untersuchungshaft sitzen. Sie seien mit quietschenden Reifen davongefahren, auch allein zu Hause habe sich keiner dazu entscheiden, einen Arzt oder die Polizei zu verständigen. (Az. 1 KLs 41 Js 1978/19).

Zum Artikel

Erstellt:
15. Juli 2019, 14:20 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen