Psychiaterin spricht von Trauma beim Angeklagten

Gutachten und Schlussplädoyers im Prozess um Überfall in Aspach

Das Stuttgarter Landgericht. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Das Stuttgarter Landgericht. Archivfoto: A. Becher

Von Hans-Christoph Werner

ASPACH/STUTTGART. Der Angeklagte soll in Allmersbach am Weinberg eine junge Frau bedroht und mit einem Messer verletzt haben. Vor dem Stuttgarter Landgericht wird zum vierten Mal über den Fall verhandelt.

Eine Humanbiologin berichtet über die Auswertung der DNA-Spuren. Kleinste Blutreste unter den Fingernägeln reichten aus. Die Expertin kann sie sowohl dem Angeklagten wie auch der überfallenen Frau zuordnen. Die Mutter des Angeklagten bestätigt, dass die Stimmung in der Familie vor der Tat angespannt war. Das Alter ihres Sohnes kann sie nicht angeben. Von ihrem Heimatland Afghanistan waren sie in den Iran geflohen, seien allerdings dort Menschen zweiter Klasse gewesen. Einen sichtlich betroffenen Eindruck macht sie, zögerlich kommen ihre Antworten. Die Brüder des Angeklagten bestätigen, dass Letzterer, wenn ihm irgendetwas versagt blieb, wütend werden konnte. Dann schlug er mit seinem Kopf gegen die Wand oder zerstörte irgendetwas.

Ausführlich berichtet die psychiatrische Gutachterin über den Angeklagten. Der deutschen Sprache nicht mächtig und aus einer anderen Kultur kommend, habe er sich in den ersten Tagen schwergetan. Aber zusehends half ihm die Tagesstruktur in der Klinik. Bei der Arbeitstherapie erlebte die Medizinerin ihren Klienten schwankend. Als er im September ausbüxte, dann wieder zurückgebracht und fixiert wurde, habe er furchtbar geschrien. Die Gutachterin meint, dass er frühere traumatische Erlebnisse erneut durchlebt habe. Auch von Sachbeschädigungen nach Wutausbrüchen berichtet sie. In den Gesprächen sei er zunehmend aufgetaut, habe von seinen Alpträumen erzählt. An die Tat selbst habe er keine Erinnerung. Zusammenfassend hebt die Gutachterin hervor, dass er Intelligenzquotient des Angeklagten bei 61 liegt. Eine posttraumatische Belastungsstörung (scheinbar hat er miterlebt, wie Vater und Schwester umgebracht wurden) führe zu Übererregbarkeit und Schlafstörungen. Die Gutachterin verneint, dass sexuelle Motive der Tat zugrunde liegen. Entweder sei die Tat die Entladung einer affektiv aufgeheizten Stimmung gewesen. Oder aber habe das Schreien der Geschädigten Alpträume beim Angeklagten reaktiviert. Der Strafkammer empfiehlt sie die Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Einrichtung.

Nach dieser Stellungnahme haben Staatsanwalt und Verteidiger leichtes Spiel und schließen sich der Forderung der Gutachterin an. Der Staatsanwalt zweifelt nicht an der Täterschaft des Angeklagten. Rechtlich sei die Tat als Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung zu würdigen.

Als der Angeklagte vom Richter zum letzten Wort aufgefordert wird, zeigt er sich unfähig zu Worten und bricht in Tränen aus. In der nächsten Woche wird das Urteil gesprochen.

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Erstellt:
18. Januar 2020, 06:00 Uhr

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