Quartett hofft auf die Überraschung

Die OB-Kandidaten Jörg Bauer, Stefan Braun, Roland Stümke und Andreas Brunold, die im Kampf um den Backnanger Chefsessel vor zehn Tagen von Maximilian Friedrich deutlich distanziert wurden, gehen mit viel Zuversicht in den zweiten Wahlgang.

Mit einem Tross an Getreuen ist Jörg Bauer (vorne) zuletzt durch Backnang gezogen. Und er kündigt noch weitere Überraschungen an. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Mit einem Tross an Getreuen ist Jörg Bauer (vorne) zuletzt durch Backnang gezogen. Und er kündigt noch weitere Überraschungen an. Fotos: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Sicher ist nur eines: Am Sonntag kommt es bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Backnang zu einer Entscheidung. Wie die aussehen wird, ist trotz des riesigen Vorsprungs von Maximilian Friedrich noch offen, denn immerhin drei Kandidaten mit insgesamt fast 30 Prozent der Stimmen haben ihre Bewerbung zurückgezogen. Nun hoffen alle Bewerber, dass sie davon profitieren können. Dass also die Wähler des ausgeschiedenen Trios nun ihr Kreuzchen bei ihnen machen. Der eine hofft mehr, der andere weniger. Das Verfolgerquartett muss sich jedoch kräftig anstrengen und auf ein Wunder hoffen, denn Maximilian Friedrich hatte um Haaresbreite schon im ersten Wahlgang die Entscheidung klargemacht. Am Ende fehlten dem Bürgermeister von Berglen nur 0,52 Prozent.

Jörg Bauer: Dieser Mann strotzt vor Selbstvertrauen: „Ich strebe das Amt des Oberbürgermeisters an. Mit diesem sportlichen Ehrgeiz bin ich gestartet. Das ist mehr als nur meine Hoffnung, das ist mein Ziel.“ Die Zuversicht, dass er trotz seiner eher mäßigen 11 Prozent beim ersten Wahlgang nun doch noch Max Friedrich überflügeln kann, der vor zehn Tagen viermal so viele Wähler von sich überzeugen konnte, begründet Bauer damit, dass er im gesamten Wählerspektrum Stimmen bekommen könne. „Ich bin angetreten für alle Bürger in Backnang, ich bin für alle da.“ Jetzt hofft Bauer, dass er nicht nur im bürgerlichen Lager, sondern auch im grün-linken Spektrum und bei den Nichtwählern erfolgreich ist. Und bei der Jugend. Von ihr sagt Bauer: „Die Jugendlichen haben große Ängste und keine Perspektive. Sie bekommen keine Praktikums- und Ausbildungsplätze. Zuletzt haben sehr viele mir ihr Herz ausgeschüttet.“ Er verweist darauf, dass er in der Vergangenheit schon immer benachteiligten Jugendlichen zu Ausbildungsplätzen verholfen hat. Optimistisch ist Bauer auch deshalb, weil seine Unterstützungskampagne zum Selbstläufer geworden ist. „Die Menschen, die sich öffentlich für mich aussprechen, kommen von alleine auf mich zu. Ich brauche gar keine Werbung zu machen.“ Und so deutet er geheimnisvoll noch mehrere Aktionen an und erklärt: „Ich habe noch einige Joker in der Hand. Der Wahlkampf ist noch nicht zu Ende, es warten weitere Überraschungen auf die Wähler. So wie etwa am vergangenen Samstag der Marsch durch die Stadt.“ Dies ist Bauer zufolge eine Aktion gewesen, „die von der Backnanger Mitte inszeniert wurde“.

Bauer sagt, er habe konkrete Pläne für Backnang. Pläne, „die unsere geliebte Heimatstadt in eine hoffnungsvolle Zukunft führen“. Nach dem ersten Wahlgang und dem Rückzug „von meinem sehr geschätzten Mitbewerber, dem CDU-Kandidaten Neumann, bin ich als aussichtsreichster Kandidat der bürgerlichen Mitte übrig geblieben“. Inzwischen hätten viele Bürger dies verstanden und sich hinter den Unternehmer gestellt. Und so bilanziert Bauer: „Im zweiten Wahlgang geht es um die Zukunft von Backnang.“ Seiner Ansicht nach hätten die Wähler in ihm einen Kandidaten, „der eine neue Ära für Backnang einleiten kann“. Er erklärt weiter: „Ich stehe für Verantwortung, Entschlossenheit, Mut, Verlässlichkeit und Partnerschaftlichkeit. Ich bin frei von Eitelkeiten und Karriereplänen. Als Backnanger zählt für mich nur eines: Backnang in eine hoffnungsvolle Zukunft zu führen und gemeinsam mit den Bürgern an einer liebens- und lebenswerten Stadt zu bauen.“

Die Zuversicht, das Ruder am Sonntag noch herumreißen zu können, erhält Bauer aus seiner Beobachtung, dass sich zahlreiche Wähler erst nach dem ersten Wahlgang mit den Aussagen einzelner Kandidaten auseinandergesetzt hätten. Dabei hätten sie festgestellt, „dass nur in meinem Programm konkrete Pläne zur Lösung der Problemstellung in unserer Stadt stehen“. Er listet unter anderem auf: die Finanzierung der Rettung der Backnanger Innenstadt mittels eines Innenstadtfonds, die Forcierung des Breitbandausbaus nach dem Genossenschaftsmodell oder den sozialen Wohnungsbau. Beim Thema Klimaneutralität ist es laut Bauer geradezu zu einem Überbietungswettbewerb gekommen, wie schnell das Ziel erreicht werden kann. „Ich möchte die Sache anders angehen: Ich strebe an, mit namhaften Technologiefirmen in Backnang, die sich der Green Technology verschrieben haben, zur Modellstadt für grüne Zukunftstechnologie zu werden. Keine blumigen Worte bringen uns weiter, sondern nur Technologieförderung. Ich möchte das Feld der frommen Wünsche verlassen und Taten zählen lassen.“

Stefan Braun: Gleichwohl es in der ersten Runde nur für 5,6 Prozent der Stimmen reichte, gibt sich Stefan Braun weiterhin kämpferisch. Die restlichen Tage des Wahlkampfs kniet er sich „volle Kanne“ rein, betreibt Straßenwahlkampf pur, verteilt Flyer und sucht das Gespräch mit den Bürgern und den Multiplikatoren in der Stadt. Dazu zählt er zum Beispiel die Vereinsvorstände, die von ihm wissen möchten, wie er sich in ihrem Falle positioniert. Braun ist auch zuversichtlich, dass sich an seinem Ergebnis noch einiges tut, denn nach dem Rückzug von Stefan Neumann, Julia Papadopoulos und Marco Schlich seien immerhin fast 30 Prozent der Wähler und damit eine erkleckliche Anzahl an Stimmen wieder neu zu vergeben. „Diese Menschen müssen irgendwo eine Heimat finden.“ Dass diese am besten bei ihm aufgehoben wären, daran zweifelt Braun keinen Moment. Er wiederholt erneut, dass er der am besten Qualifizierte im Bewerberfeld sei und verweist auf seinen juristischen Sachverstand, den kein anderer mitbringe und der in einer solchen Position sehr wichtig sei, auf seine Promotion und auf seine mehr als 20-jährige Berufserfahrung unter anderem im Ministerium. Angesichts dieser Fülle an Qualifikationen empfand es Braun als „extrem enttäuschend, dass die Menschen das nicht einordnen konnten“. Und er gestand: „Das war für mich extrem schwierig zu akzeptieren.“

Während Braun auf der einen Seite betont, wie fair der Wahlkampf bisher war und dass er keinesfalls „Öl ins Feuer gießen möchte“, kritisiert er andererseits „die Materialschlacht“, mit der Mitbewerber ins Feld ziehen. „Ich bin überrascht, was manch ein anderer für finanzielle Mittel einsetzt. Aber das ist legitim, das hätte jeder andere auch machen können.“ Braun ärgert es aber deshalb, weil seiner Ansicht nach die Korrelation des Wahlerfolgs mit dem Einsatz an finanziellen Mitteln nachgewiesen ist, er aber eher mit Inhalten überzeugen möchte. Wobei er nach den Wahlkampfkosten gefragt auch einräumt: „Das hätte auch bei mir für einen Kleinwagen gereicht.“

Roland Stümke: Für den 52-jährigen Roland Stümke war es nie ein Thema, nach dem ersten Urnengang klein beizugeben, trotz der mickrigen Ausbeute von 2,5 Prozent. „Demokratie braucht Vielfalt. Und ich sehe mich als Teil dieser Vielfalt und als Sprachrohr all jener Bürger, die keiner hört“, erklärt er. „Meine Schwerpunkte waren und sind: dass ich Backnang zusammenhalte und die soziale Einheit und die Integration und die Chancengleichheit aller stärke und die Kultur- und Vereinsförderung ausbaue.“ So lehnt er etwa eine Standgebühr für Backnanger Vereine beim Straßenfest ab. Damit will er erreichen, dass das Traditionsfest wieder mehr in Backnanger Hand zurückkommt. Was Stümke extrem enttäuscht hat, war die geringe Wahlbeteiligung, „das ist für mich ein Alarmzeichen“. Er wünscht sich, dass sie am Sonntag höher liegt, „und dazu möchte ich mit meiner Bewerbung beitragen“. Wie schon früher getan beschreibt er nochmals seinen Spagat: „Ich möchte ein Bindeglied sein von alternativ bis konservativ.“ Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb er aus der Partei Die Linke ausgetreten ist: „Ich will keine Polarisierung.“ Ein weiteres Ziel ist für Stümke, dass seine Themen Einzug finden in den Wahlkampf. Und das sei ihm vollauf gelungen. Denn viele Kandidaten hätten die Themen, die er vom ersten Tag an auf seiner Homepage veröffentlicht hatte, übernommen. „Da gibt es viele Parallelen bei den anderen Kandidaten.“ Trotzdem wünscht er sich, dass dann die Bürger „auch gleich das Original wählen“. Er räumt ein, dass sein Budget in Höhe von 1954 Euro restlos aufgebraucht ist. „Ich werde kein Geld mehr investieren, aber all das, was nichts kostet, das mache ich natürlich.“ Sein Wahlziel für Sonntag formuliert er so: „Ich bin ein Mensch, der gnadenlos optimistisch ist. Ich wünsche, dass es mir wie durch ein Wunder gelingt, die Stimmen von den Kollegen, die nicht mehr antreten, auf mich zu vereinen.“

Andreas Brunold: Von den fünfen, die erneut antreten, ist Andreas Brunold derjenige, der als Letzter in den Wahlkampf eingestiegen ist. „Ich habe Nachholbedarf, da ich aufgrund einer Fußverletzung nicht früher loslegen konnte, aber auf Krücken lassen sich schlecht Flyer verteilen.“ Inzwischen ist der 65-Jährige fast genesen, am Sonntag hat er bereits zweieinhalb Stunden Wahlwerbung verteilt, dann musste er abbrechen. Nach seinem Ehrgeiz befragt sagt er: „Ich gehe bis an die Schmerzgrenze.“ Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern ist Brunolds Budget lächerlich gering, für die 5000 Flyer und 100 Plakate hat er samt Kabelbinder 300 Euro ausgegeben. „Ich habe die Plakate, Flyer und meine Website komplett alleine entworfen.“ Mit seinem Ergebnis von zwei Prozent kann er gut leben: „Ich bin mit jedem Ergebnis zufrieden, für mich kam es nur darauf an, meine Themen besetzen zu können.“ Später räumt er ein, „natürlich wäre ich gerne Oberbürgermeister geworden“. Beim Blick auf den Wahlkampf der anderen sagt der Uniprofessor: „Bei der ungeheuren Materialflut gibt es auch Grenzen der Aufmerksamkeit. Ich habe noch nie einen so aufwendigen Wahlkampf beobachtet.“ Während die Mitbewerber darauf spekulieren, von den frei gewordenen 30 Prozent der Stimmen profitieren zu können, macht sich Brunold keine Illusionen: „Ich bin nicht so optimistisch.“ Auch er betont die große Bedeutung der Wahlbeteiligung. „Ich hoffe, dass wir die Wahlbeteiligung halten oder sogar die der Landtagswahl übertreffen können. Das würde einen Mehrwert für unsere Demokratie und für die politische Kultur in Backnang bedeuten.“

Auch die Kandidaten, die im einstelligen Bereich gelandet sind, machen im Wahlkampf fleißig weiter. Während Stefan Braun (links) noch an seine OB-Chancen glaubt, wollen Roland Stümke (Mitte) und Andreas Brunold in erster Linie ihre Themen im Bewusstsein der Menschen verankern und mit ihrem Engagement einen Beitrag zu einer hohen Wahlbeteiligung leisten. Denn so haben die Bürger eine wirkliche Wahl.

© Alexander Becher

Auch die Kandidaten, die im einstelligen Bereich gelandet sind, machen im Wahlkampf fleißig weiter. Während Stefan Braun (links) noch an seine OB-Chancen glaubt, wollen Roland Stümke (Mitte) und Andreas Brunold in erster Linie ihre Themen im Bewusstsein der Menschen verankern und mit ihrem Engagement einen Beitrag zu einer hohen Wahlbeteiligung leisten. Denn so haben die Bürger eine wirkliche Wahl.

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Erstellt:
24. März 2021, 06:00 Uhr

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