Radfahrer sehen in Backnang noch viel Luft nach oben

Bei der neuen Fahrradklimatest-Umfrage des ADFC verbessert sich die Stadt zwar leicht, bleibt mit der Gesamtnote 4,15 aber weiter auf den hinteren Rängen.

Ausgezeichnet ist laut ADFC der neue Fahrradschutzstreifen in der Annonaystraße. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Ausgezeichnet ist laut ADFC der neue Fahrradschutzstreifen in der Annonaystraße. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Murr-Metropole ist für Radfahrer kein freundliches Pflaster, zumindest wenn man das Ergebnis der Fahrradklimatest-Umfrage als Basis nimmt, die vom ADFC jedes Jahr in Auftrag gegeben wird. Bei dieser Umfrage liegt Backnang 2020 mit der Note 4,15 weiterhin deutlich unter dem Landes-, sowie auch Bundesdurchschnitt. Bundesweit reichte es für Rang 309 von insgesamt 415 bewerteten Orten, landesweit war es der 58. von 66 Plätzen.

Beim Sicherheitsgefühl, das laut Jürgen Ehrmann vom ADFC Backnang für eine Steigerung des Radverkehrsanteils der entscheidende Faktor ist, ist Backnang mit der Note 4,5 sogar noch schlechter bewertet worden: „Hier haben sich praktisch keine Verbesserungen zum Fahrradklimatest 2018 ergeben.“ Die mangelhafte Sicherheit in Backnang spiegelt sich auch in den Noten „Bewertung der Konflikte mit Kfz“ oder des „Fahrens im Mischverkehr“ mit der Note 4,5 wider. Ehrmann: „Wir fordern, dass nun endlich Gesamtmaßnahmen ergriffen werden.“

Konkret fordert Ehrmann durchgängige West/Ost- und Nord/Süd-Hauptachsen an. Er spricht von Stückwerk, das die Stadt bisher umgesetzt habe. Für die einzelnen Maßnahmen an sich hat der Radlobbyist trotzdem Lob übrig. So etwa für den neuen Radschutzstreifen in der Annonaystraße bergab in Richtung Annonaykreisel: „Dafür ein ganz, ganz dickes Lob.“ Dass die Noten Jahr für Jahr besser werden, zeigt laut Ehrmann, dass auch Stückwerk etwas bewirkt. Doch er will mehr: „Die bessere Beurteilung sollte für alle Motivation sein, jetzt den ganz großen Schritt zu machen.“

ADFC fordert an neuralgischen Stellen das neue Verkehrsschild „Radfahrer überholen verboten“.

Ein weiteres konkretes Beispiel ist das neue StVO-Verkehrszeichen mit der Nummer 54/4. Dieses Schild verbietet Autofahrern das Überholen von Radfahrern an neuralgischen Punkten. Eine solche Stelle ist laut Ehrmann in der Talstraße die Brücke über den Mühlkanal, zumal sie unmittelbar an eine Kurve anschließt. „Der ADFC ist mit der Stadt schon des Längeren im Austausch, mit dem neuen Verkehrszeichen diese gefährliche Stelle zu entschärfen.“ Aber obwohl sich ADFC und Stadtverwaltung einig sind, wird das Schild nicht angebracht. Sehr zum Ärger von Ehrmann. Er fordert auch ein Hinweis-Banner zur Einhaltung des 1,5-Meter-Abstands. Mit dem Banner soll das Abstandsgebot bekannter werden. Die schlechtesten Werte mit 4,9 kassiert Backnang aber in der Kategorie „Falschparkerkontrolle auf Radwegen“. Ehrmann: „Auch hier mahnen wir schon lange mehr Aktivität der Stadt an.“

Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts, gelobt Besserung. Diesen Punkt und das Thema „Führung in Baustellen“ will er „als Daueraufgabe in unsere tägliche Arbeit aufnehmen“. Großmann freut sich mit Ehrmann über die deutliche Verbesserung beim Punkt „Fahrradförderung in jüngster Zeit“, hier gab es eine 3,6. Ehrmann dazu: „Es ist anzuerkennen, dass sich in den letzten Monaten einiges zum Besseren bewegt hat.“ Bessere Zensuren bei den Punkten „Wegweisung“ und „Oberflächen der Radwege“ zeigen laut Großmann die Wirksamkeit der umgesetzten Bausteine des Radinfrastrukturkonzepts. „Nach dem zielgerichteten Abarbeiten der zahlreichen Sofortmaßnahmen kommen nun die Arbeiten an den langen Abschnitten entlang der Hauptrouten innerhalb der Stadt dran.“ Umgesetzt werden soll die durchgängige Anbindung der Oberen Walke an den Bahnhof über den zweiten Abschnitt der Eugen-Adolff-Straße und die Schulanbindung über die Maubacher und Sulzbacher Straße.

Die Stadt reagiert auch auf das schlechte Abschneiden im Bereich „öffentliche Räder“. Großmann kündigt an: „Mit der Entwicklung des Quartiers Obere Walke wird zum ersten Mal von Anfang an ein Fahrradverleihsystem für die künftigen Bewohner zur Verfügung stehen.“ Dass Backnang sich – auch aufgrund der weiteren Verbreitung von E-Bikes – gut eignet, die Klimaneutralität im Bereich nachhaltiger Mobilität anzugehen, zeigen laut Ehrmann folgende Ergebnisse: Für die „Erreichbarkeit des Stadtzentrums“ gab es eine 3,1 und für „Konflikte mit Fußgängern“ die 3,7. „Das ist nicht super, es zeigt aber, dass gegenseitige Rücksichtnahme funktionieren kann.“ Sein Fazit: „Die Sicherheit für Radfahrer muss zügig und konsequent angegangen werden. Wir fordern erneut nachdrücklich die Umsetzung eines Gesamtplans, der die Sicherheitsbedürfnisse von Radfahrern und Fußgängern adäquat berücksichtigt. Mit dem Radinfrastrukturkonzept ist hierfür ja die Grundlage gelegt.“

Eine 4,01 für Burgstetten

Erstmals wurde auch in Burgstetten das Quorum für den Fahrradklimatest erreicht. Dies zeigt, dass in den Umlandgemeinden das Thema Fahrradnutzung stetig steigt. Burgstetten liegt mit der Gesamtnote 4,01 immerhin besser als Backnang, aber immer noch unterhalb des Landesdurchschnitts (3,83). Auch hier gibt es einiges zu tun.

Die Testergebnisse der einzelnen Kommunen gibt es unter https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse. Bei der offiziellen Vorstellung und Preisverleihung an die Gewinner sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, dass Deutschland zu einem Fahrradland werden soll. Dazu Jürgen Ehrmann vom ADFC: „Das ist zu begrüßen.“

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Erstellt:
19. März 2021, 06:00 Uhr

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