Radio Burgel meldet Insolvenz an

Der Betrieb des Ladengeschäfts in der Backnanger Innenstadt und der Service GmbH in der Sulzbacher Straße ist bis August gesichert

Es ist eines der letzten Traditionsgeschäfte in der Backnanger Innenstadt: Der Radio Burgel, der vom Geschäftsführerer Jörg Burgel in der dritten Generation betrieben wird. Vor fünf Jahren feierte das Unternehmen noch groß das 90-jährige Bestehen, jetzt musste Burgel Insolvenz anmelden. Wie es langfristig weitergeht ist zwar noch offen, aber zumindest die nächsten drei Monate wird der Betrieb weitergeführt.

Radio Burgel erstreckt sich über vier Etagen. Dies ist unwirtschaftlich, verursacht hohe Personalkosten und ist ein Grund für die Insolvenz. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Radio Burgel erstreckt sich über vier Etagen. Dies ist unwirtschaftlich, verursacht hohe Personalkosten und ist ein Grund für die Insolvenz. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Es ist kein Geheimnis, dass der Einzelhandel in den Innenstädten unter großer Konkurrenz ächzt. Immer mehr Einkäufe werden übers Internet abgewickelt, der Preisdruck ist maximal, die Gewinnspanne minimal. Seit Jahren bekommt dies auch die Radio Burgel GmbH zu spüren. Lange Zeit konnte Geschäftsführer Jörg Burgel noch gegensteuern. So wurde die Mitarbeiterzahl reduziert und die Vodafone-Geschäfte in Winnenden und Waiblingen wurden geschlossen. Zusätzlich engagierte sich Burgel selbst im Online-Geschäft und versuchte, die Einbußen beim stationären Umsatz damit auszugleichen. Burgel: „Aber der Wettbewerb ist gnadenlos. Die Gewinnspannen im Internet sind überhaupt nicht auskömmlich. Wir haben das Internetgeschäft nicht verschlafen, aber es kann in unserem Fall keine Rettung sein. Auch wenn das in anderen Branchen vielleicht anders aussehen mag.“

Die Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, wurde per Gesellschafterbeschluss gefasst. Laut Jörg Burgel ist die Situation derzeit nicht so, dass Zulieferer auf Forderungen sitzen bleiben. Der Antrag sei vielmehr „wegen künftig drohender Zahlungsunfähigkeit“ gestellt worden. Auslöser waren Verluste vergangener Jahre. Deshalb habe die Gesellschafterversammlung beschlossen, „die Firma soll aufgelöst werden“. Burgel legt Wert darauf, dass bisher alle Löhne bezahlt wurden, „aber das wäre künftig nicht mehr möglich gewesen“. Zuletzt wurde zwar bereits Personal abgebaut, aber dieses Einsparpotenzial hat Grenzen. Burgel: „Wir können unseren Anspruch, ein Fachgeschäft zu sein, nur mit ausreichendem und geschultem Personal erfüllen.“ Ferner erklärt er: „Nach ausführlichen Analysen und Kostenerhebungen hat sich herausgestellt, dass fällige Abfindungen zu hoch wären, schließlich beschäftigen wir viele langjährige Mitarbeiter.“

Insolvenzverwalter prüft, „ob und wie wir weitermachen können“

Das Amtsgericht Ludwigsburg hat am Montag den Stuttgarter Tibor Braun zum Insolvenzverwalter eingesetzt. Dieser wollte derzeit noch nichts Konkretes zur Zukunft des Unternehmens sagen, weil er sich in der Kürze der Zeit noch keinen tieferen Einblick verschaffen konnte. „Im Augenblick prüfen wir, ob und wie wir weitermachen können.“ Braun bestätigte jedoch, dass das Unternehmen den Mitarbeitern die Löhne und Gehälter für den Monat Mai bereits bezahlt habe, „es gibt keine Lohnrückstände“. Darüber hinaus stellte er klar, dass die Löhne der Mitarbeiter über das Insolvenzgeld abgesichert sind. Das heißt: Drei Monate lang, also bis einschließlich August läuft der Betrieb vorerst gesichert weiter. Braun erklärte, dass er bereits am Dienstag erstmals vor Ort war und am Mittwoch eine Mitarbeiterversammlung leitete. Dabei wurden die Angestellten nicht nur über die Insolvenz informiert, sondern auch über die Abläufe in solchen Fällen.

Als großes Problem stellt sich der Gebäudezuschnitt heraus. Das Fachgeschäft in der Innenstadt erstreckt sich über vier Etagen und ist damit sehr personalintensiv. Dies ist auch ein Grund, weshalb Investoren in der Vergangenheit zurückgeschreckt sind, sich bei Burgel zu engagieren. Ein weiterer Grund ist laut Burgel auch die zu geringe Einwohnerzahl der Stadt beziehungsweise die zu geringe Zahl an potenziellen Kunden. Der 66-jährige Geschäftsführer sieht einen Rettungsversuch über Investoren daher eher skeptisch: „Ich habe ja auch vieles versucht und der Insolvenzverwalter ist jetzt auch dabei. Etwa eine engere Zusammenarbeit mit unserer Einkaufskooperation Euronics. Aber dafür ist unser Hauszuschnitt nicht attraktiv genug.“

Derzeit beschäftigt Burgel elf Mitarbeiter im Verkauf im Geschäft in der Marktstraße und neun Service-Mitarbeiter im Geschäft in der Sulzbacher Straße. Der Geschäftsführer berichtet von großem Verständnis seitens der Mitarbeiter. „Alle sind traurig, aber nicht niedergeschlagen. Und alle sind sehr loyal und motiviert, weiter mitzuhelfen.“

Auch Oberbürgermeister Frank Nopper äußerte sich zum Insolvenzantrag der Radio Burgel GmbH: „Für eine Stellungnahme der Stadt ist es noch zu früh. Wie uns der vorläufige Insolvenzverwalter mitteilte, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt alles offen – vor allem auch die Frage, ob das Unternehmen nach der Insolvenz mittel- und langfristig weitergeführt wird.“

Kommentar
So war’s gewollt

Von Matthias Nothstein

Es ist traurig, es war aber absehbar – wieder ist ein Traditionsgeschäft in Backnang in schwieriges Fahrwasser gekommen. Und wieder geht bei vielen das Lamentieren los, wie trostlos doch heute schon die Backnanger Innenstadt mit ihren vielen Leerständen ist. Wie einfallslos der Branchenmix. Und wie inflationär manch unattraktive Geschäftsmodelle auf engstem Raum und an prominentester Stelle vertreten sind.

Aber all jene, die nun klagen, müssen sich fragen lassen, wie oft sie in den Traditionsgeschäften, denen sie nachtrauern, zur Kundschaft gezählt haben. Und sie müssen sich ins Stammbuch schreiben lassen: Geiz ist nicht immer nur geil, Geiz ist auch grausam. Vor allem für all jene Fachgeschäfte, die ihre Kunden fachkundig informieren und beraten und dann doch hilflos zuschauen müssen, wie viele ihrer einstigen Kundschaft mit all dem bei ihnen erworbenen Wissen ausgestattet im Internet bei Schnäppchen zuschlagen. Die wenigen Euro Einsparung geben in der Summe letztendlich den Ausschlag, dass Fachgeschäft für Fachgeschäft dicht macht. Dicht machen muss.

Deshalb ist es jetzt nicht nur traurig und nahezu logisch, dass Burgel Insolvenz anmelden muss, sondern – man kann es nicht anders sagen – von den Kunden auch bewusst herbeigeführt. So also war’s gewollt.

m.nothstein@bkz.de

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Erstellt:
24. Mai 2019, 06:00 Uhr

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