Ralf Nentwich möchte den Wahlkreis begrünen

Mit 24,05 Prozent zog der Grünen-Kandidat Ralf Nentwich knapp an Georg Devrikis vorbei. Der CDU-Kandidat erhielt 23,23 Prozent der Wählerstimmen. Über ein Zweitmandat durfte sich Gernot Gruber (SPD) freuen und auch Daniel Lindenschmid von der AfD schaffte den Sprung ins Parlament.

Ein Gläschen Sekt auf das Direktmandat: Ralf Nentwich von den Grünen feierte seinen Einzug in den Landtag mit Ehefrau Christine. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Ein Gläschen Sekt auf das Direktmandat: Ralf Nentwich von den Grünen feierte seinen Einzug in den Landtag mit Ehefrau Christine. Foto: J. Fiedler

BACKNANG. Die Vormachtstellung der CDU bei Landtagswahlen im Wahlkreis Backnang ist gebrochen. Georg Devrikis musste sich mit 23,23 Prozent mit dem zweiten Platz begnügen, das Direktmandat sicherte sich mit 24,05 Prozent stattdessen Ralf Nentwich von den Grünen. Es war also eine hauchdünne Entscheidung zwischen den beiden Murrhardtern und es dürfte Devrikis wiederum kaum trösten, dass er in Murrhardt selbst recht deutlich die Nase vorne hatte.

Mit 18,99 Prozent landete Gernot Gruber (SPD) auf dem dritten Platz, war damit noch einmal gut 3 Prozent besser als vor fünf Jahren und lag deutlich über dem landesweiten Ergebnis seiner Partei. Er zieht mit einem Zweitmandat abermals in den Landtag ein. Trotz einer Verschlechterung des Ergebnisses im Vergleich zu 2016 gelang dies auch dem AfD-Kandidaten Daniel Lindenschmid, der 12,13 Prozent der Stimmen bekam. Charlotte Klinghoffer (FDP) mit 10,51 Prozent verpasste den Sprung ins Landesparlament hingegen knapp. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,97 Prozent.

Nach dem dritten Glas Sekt ging Grünen-Kandidat Ralf Nentwich erwartbar gut gelaunt ans Telefon: Er ging als großer Gewinner des Wahlkreis 17 Backnang aus der Landtagswahl hervor. Mit 24,05 Prozent der Stimmen lag er nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis knapp vor Georg Devrikis, CDU, der mit 23,23 Prozent am Einzug in den Landtag vorbeischlitterte. Das passt zum Trend im Landkreis: Bei der Landtagswahl am gestrigen Sonntag gaben im Wahlkreis 17 Backnang 59798 von insgesamt 93471 Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das sind 63,97 Prozent. Im gesamten Rems-Murr-Kreis begaben sich 65,62 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen beziehungsweise stimmten per Briefwahl ab. Er freue sich „wirklich riesig auf die Herausforderung“ sagte Nentwich und sei „sehr dankbar“ für das Vertrauen der Wähler – gerade vor dem Hintergrund, dass im Wahlkreis traditionell oft die CDU das Rennen gemacht hatte. „Ich will alles dafür geben, um unseren Wahlkreis zu begrünen“, kündigte der 39-jährige Lehrer an, der mit seiner Frau daheim den Sieg feierte. „Immer wieder klingelt es bei mir an der Tür und am Telefon“, so Nentwich. Seine Nachbarn, Familie und Freunde wollten ihm – natürlich coronakonform – gratulieren. Der neu gewählte Landtagsabgeordnete erfuhr bereits um kurz vor 20 Uhr durch einen Anruf von Landrat Richard Sigel von seinem Sieg.

Georg Devrikis wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von seiner Niederlage. Der CDU-Bewerber erfuhr – wie die Bürger, die sich aktuell informierten – sein Ergebnis gegen 21.15 Uhr von der Webseite des Landratsamts. Auf der tat sich wegen einer Plausibilitätsprüfung rund eineinhalb Stunden nichts, weshalb Devrikis den Abend vor allem an seinem Computer verbrachte. Auch er war am Wahlabend zu Hause. Wie Nentwich lebt der CDU-Kandidat in Murrhardt, das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden war also auch so etwas wie ein Lokalderby.

Er sei „sehr enttäuscht“, sagte Devrikis am Telefon. „Mein Team und ich haben in den vergangenen Monaten alles gegeben.“ Der Abend sei spannend gewesen. „Es ist denkbar knapp ausgegangen“, betonte Devrikis. „Wir reden von nicht einmal einem Prozent.“ Wie es für ihn jetzt weitergehen wird, konnte er am Wahlabend noch nicht sagen.

Erleichterung war das Gefühl, das beim SPD-Landtagsabgeordneten Gernot Gruber überwog. Schon vergleichsweise früh stand fest, dass er den Sprung in den Landtag auch dieses Mal wieder schaffen würde. „Das ist eine tolle Wertschätzung meiner Arbeit“, sagte der Backnanger angesichts seines Ergebnisses – mit knapp 19 Prozent immerhin das zweitbeste für die SPD in Nord-Württemberg. Das habe er sich nicht erträumen können, so Gruber. „Mit meinem persönlichen Ergebnis bin ich sehr zufrieden, auch wenn das Landesergebnis der SPD eher mager ist.“ Statt wie sonst in der „Uhr“, verfolgte Gruber die Wahl von zu Hause aus und tauschte sich zudem in einer Online-Gesprächsrunde der SPD im Wahlkreis aus. Die Ergebnisse der anderen Wahlkreise habe er dabei stets im Blick gehabt, um einschätzen zu können, ob es für das Zweitmandat reicht. Der Sekt, so Gruber, sei zwar kaltgestellt. Zuerst einmal habe er sich aber ein Achtele Wein gegönnt. „Ich bin keiner, der feiert, bevor das Ergebnis sicher feststeht.“ Später am Abend war es dann soweit.

Charlotte Klinghoffer war um 23.15 Uhr noch immer guter Dinge. Und das, obwohl die FDP-Kandidatin noch immer nicht wusste, ob es für ein Zweitmandat in den Landtag gereicht hat. „Wenn, dann ganz knapp“, sagte die 53-jährige Unternehmerin am Telefon und lachte. „Ich bin ja schon stolz, dass ich über den Landesdurchschnitt der FDP gekommen bin.“ Klinghoffer konnte 10,51 Prozent der Wählerstimmen für sich gewinnen, die FDP liegt nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis bei 10,4 Prozent. Ihr persönliches Ziel habe sie mit ihrem Ergebnis schon erreicht, sagte Klinghoffer, ihren Traum in den Landtag einzuziehen, noch nicht. Den Wahlabend hat die Bewerberin der Freien Demokraten mit ihrem Mann Jörg Bauer im Backnanger Bürgerhaus verbracht. Dort hatten die beiden gemeinsam auf ihre jeweiligen Ergebnisse gewartet. Jörg Bauer hatte sich auf die vakante Stelle als Oberbürgermeister in Backnang beworben. „Spannend“ fand Klinghoffer die Auszählung im Bürgerhaus, obwohl sie „entsetzt“ gewesen sei über die geringe Wahlbeteiligung an der Bürgermeisterwahl. Später wechselte Klinghoffer in ihr Backnanger Büro, wo sie weiter auf ihr Ergebnis wartete. „Wir rechnen, wir rechnen, wir warten, wir warten“, sagte sie in bester Stimmung. Um kurz vor Mitternacht verabschiedete sie sich – noch immer in der Hoffnung auf ein Mandat. Inzwischen steht fest: Es hat nicht gereicht.

Daniel Lindenschmid von der AfD hatte sich im Vorfeld der Wahl „sehr gute Chancen auf ein Zweitmandat“ eingerechnet. Ob das Wahlergebnis die Erwartung des 28-jährigen politischen Referenten erfüllt hat, stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest – auf jeden Fall war es eine enge Kiste. Lindenschmid liegt mit seinem Stimmenanteil von 12,1 Prozent deutlich über dem Landesergebnis seiner Partei, inzwischen ist auch sicher: Er hat es in den Landtag geschafft. Der 28-Jährige selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Kommentar
Eine Trendwende

Von Lorena Greppo

Baden-Württemberg wird grüner – zumindest, was die politische Landschaft angeht. Diesbezüglich macht der Wahlkreis Backnang keine Ausnahme, wenn auch der Trend nicht ganz so stark ausgeprägt ist wie anderswo im Land. Immerhin: Das Direktmandat, das die CDU bisher stets sicher in der Tasche hatte, geht nun an den Kandidaten der Grünen. Die Trendwende auf Landesebene hat sich nun also auch im Wahlkreis vollzogen. Dass Wilfried Klenk nicht erneut für die Christdemokraten ins Rennen ging, dürfte hier eine Rolle gespielt haben. Auch die Bundespolitik und der Umgang mit der Coronakrise könnten für die CDU Stimmenverluste bewirkt haben. Aber nicht nur der Blick in die Vergangenheit kommt hier zum Tragen, sondern auch Zukunftsthemen wie der Klimawandel, die Digitalisierung oder die Auswirkungen der Pandemie. Offenbar traut die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis Backnang Ralf Nentwich und den Grünen eher zu, diese großen Herausforderungen besser zu bewältigen. Das unter Beweis zu stellen, wird keine kleine Aufgabe. Wenig Zutrauen haben die Wählerinnen und Wähler offenbar in die Lösungsansätze der AfD: Das Minus der Partei fällt im Wahlkreis 17 sogar noch stärker aus als im Land. Einen Vertrauensbeweis haben sie hingegen ein weiteres Mal dem SPD-Abgeordnete Gernot Gruber ausgesprochen. Sein überdurchschnittliches Ergebnis von 2016 konnte er sogar noch einmal steigern – entgegen dem Trend der Landes-SPD. Seine Arbeit wird honoriert, an ihn lautet die Botschaft: Weiter so!

l.greppo@bkz.de

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Erstellt:
14. März 2021, 23:20 Uhr

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