Razzia gegen Islamisten - kein konkreter Anschlagsplan

dpa Köln. Mit Razzien ist die Polizei in Köln und Düren gegen mutmaßliche islamistische Gefährder vorgegangen. Einer von ihnen hat enge Kontakte zur Berliner Salafisten-Szene. Hinweise auf einen konkreten Anschlagsplan habe es nicht gegeben, betont NRW-Innenminister Reul.

Ein Polizeiauto fährt unter der Absperrung durch. Foto: Oliver Berg

Ein Polizeiauto fährt unter der Absperrung durch. Foto: Oliver Berg

Der Zugriff erfolgte im Morgengrauen: Bei Razzien in Köln und Düren hat die Polizei sechs Personen in Gewahrsam genommen - darunter zwei Männer, die als islamistische Gefährder eingestuft sind.

„Wir hatten aktuell verdeckte Erkenntnisse, dass ein Anschlag unmittelbar bevorstehen könnte“, sagte der Leitende Kölner Kriminaldirektor Klaus-Stephan Becker zunächst. Zwei Männer wurden im Laufe des Tages wieder auf freien Fuß gesetzt.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte später, es habe „keine Hinweise auf einen konkreten Anschlagsort, keine Hinweise auf eine konkrete Anschlagszeit und keine Hinweise auf eine konkrete Anschlagsart“ gegeben. Die Polizei habe allerdings Hinweise gehabt, dass die in Gewahrsam genommenen Personen „möglicherweise einen Terroranschlag planen könnten“.

Reul zufolge sind unter den Männern zwei, die als islamistische Gefährder eingestuft werden: ein 30 Jahre alter und ein 21-jähriger Konvertit. Gegen die beiden und zwei weitere Männer wurde Langzeitgewahrsam angeordnet. Nach dem neuen Polizeigesetz des Landes kann dieser bis zu zwei Wochen dauern.

Zentrale Figur: Der 30-jährige Wael C., deutsch-libanesischer Konvertit aus Berlin, der in der dortigen Dschihadisten-Szene bestens vernetzt sei. Er sei seit 2013 vom Verfassungsschutz als Gefährder eingestuft und erst kürzlich in die Wohnung des 21-jährigen Timo R. nach Düren gezogen, so die Kölner Polizei. Ein abgehörtes Gespräch des 30-Jährigen versetzte die Ermittler in Alarmbereitschaft. „Herr C. hat davon gesprochen, den Aufstieg in die höchste Stufe des Paradieses des muslimischen Glaubens zu planen“, sagte Becker. Dies könne ein Synonym für ein Selbstmordattentat sein.

„Der Einsatz heute war alternativlos“, betonte der Kriminaldirektor. Der 30-Jährige sei nach Bewertung der Sicherheitsbehörden „Mitglied einer sehr konspirativ agierenden multinationalen Gruppe“ und habe mehrmals versucht, mit gefälschten Papieren ins Gebiet des sogenannten Islamischen Staates (IS) auszureisen, um dort zu kämpfen. In Berlin sei der Mann 2016 unter anderem Vertretungs-Imam in der Fussilet-Moschee gewesen, wo auch der Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri verkehrte.

In der Berliner Szene war er unter dem Namen Abu Qudama al-Faruq bekannt. In der inzwischen geschlossenen Fussilet-Moschee hatte er im September 2016 einen Vortrag über einen islamischen Gelehrten gehalten, der zu den wichtigsten historischen Gewährsleuten der Salafisten zählt. Mit den Salafisten, die in der Fussilet-Moschee verkehrten, beschäftigt sich auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Der enge Bezug dieses Salafisten zur dschihadistischen Szene in Berlin und zum Umfeld der Moschee verdeutliche einmal mehr die Gefährlichkeit dieses Personenkreises, sagte die Linken-Obfrau im Ausschuss, Martina Renner. Umso dringender sei es, dass die Bundesbehörden dem Untersuchungsausschuss dazu „die vollständigen ungeschwärzten Akten“ vorlegten.

Der 21-Jährige aus Düren gilt der Polizei zufolge als „radikalisierter junger Konvertit“ und leistete im vergangenen Jahr den Treueeid auf den IS. Er habe eine hohe Gewaltbereitschaft und „eine beachtliche Affinität“ zu Waffen. In der Dürener Wohnung der beiden Verdächtigen stellten die Ermittler unter anderem 20 Handys sowie mehrere Laptops sicher.

Zwei weitere Verdächtige sind den Angaben zufolge ebenfalls deutsche Konvertiten im Alter von 20 und 21 Jahren. Einer von ihnen habe ein Chemie-Studium geplant, „weil seine Glaubensbrüder das für eine gute Idee hielten“, sagte Becker.

Insgesamt durchsuchte die Polizei sieben Objekte, darunter ein ehemaliges Geschäftshaus in der Kölner Innenstadt, das zurzeit kernsaniert wird. Auf der Baustelle arbeitete der 30-Jährige mit seiner Trockenbaufirma, bei der auch der 21-Jährige beschäftigt ist. In dem Gebäude wurden zwei weitere Mitarbeiter in Gewahrsam genommen. Bei der ersten Durchsuchung schlug ein Sprengstoffhund an, nach dem zweiten Durchgang gab die Polizei Entwarnung und hob die Absperrungen rund um die Baustelle auf.

Polizeipräsident Uwe Jacobs sagte, es seien noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Die verdeckten Ermittlungen liefen weiter, und auch die Durchsuchungen seien noch nicht abgeschlossen.

Auch ein Sprengstoffspürhund wurde in Köln eingesetzt. Foto: Oliver Berg

Auch ein Sprengstoffspürhund wurde in Köln eingesetzt. Foto: Oliver Berg

Polizisten mit Werkzeug nach der Durchsuchung. Foto: Oliver Berg

Polizisten mit Werkzeug nach der Durchsuchung. Foto: Oliver Berg

Polizisten vor dem Hintereingang. Foto: Oliver Berg

Polizisten vor dem Hintereingang. Foto: Oliver Berg

Ein Polizist geht mit einem Koffer in das Wohngebäude in der Kölner Innenstadt. Foto: Oliver Berg

Ein Polizist geht mit einem Koffer in das Wohngebäude in der Kölner Innenstadt. Foto: Oliver Berg

Die Polizei sperrte eine Straße in der Kölner Innenstadt. Foto: Oliver Berg

Die Polizei sperrte eine Straße in der Kölner Innenstadt. Foto: Oliver Berg

Polizeibeamte stehen vor einem Haus in der Josef-Schregel-Straße in Düren, das wegen Terrorverdachts durchsucht wird. Foto: Henning Kaiser

Polizeibeamte stehen vor einem Haus in der Josef-Schregel-Straße in Düren, das wegen Terrorverdachts durchsucht wird. Foto: Henning Kaiser

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Erstellt:
18. Juli 2019, 22:28 Uhr

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