Bundeskabinett
Reformen der Regierung verschärfen Finanzprobleme der Rentenkasse
Verbesserungen bei der Mütterrente kosten bis zu fünf Milliarden Euro pro Jahr.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler
Will das Rentenniveau für den Rest des Jahrzehnts stabil halten. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD).
Von Norbert Wallet
Das Bundeskabinett hat nur eine kurze Sommerpause, – nur in den kommenden zwei Wochen fällt es aus. Am Mittwoch sind die Regierungsvertreter aber noch ein letztes Mal zusammengekommen. Die Tagesordnung war besonders lang. Auf dem Programm standen gleich mehrere wichtige Projekte. Wir geben einen Überblick.
Rentenreformen
Die alte Formel Norbert Blüms „Die Rente ist sicher“ gilt schon lange nicht mehr ohne gravierende Einschränkungen. Die Rentenversicherung hat ein strukturelles Problem. Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen – und da die Lebenserwartung steigt, verlängert sich auch der Rentenbezug. 1992 kamen noch statistisch 2,7 Beitragszahler auf einen Rentner, heute liegt die Zahl schon unter 2. Die Bezugsdauer lag 1998 noch bei 13,6 Jahren bei Männern und 18,4 Jahren bei Frauen. Heute erhalten Männer im Schnitt 18,8 Jahre Rente, Frauen sogar 22,1 Jahren. 2024 lagen die Rentenkosten, die der Bund, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufbringen mussten, bei 408 Milliarden Euro, 116,3 Milliarden kamen dabei aus der Bundeskasse.
Das Kabinett hat nun zwei Maßnahmen beschlossen. Zur Eindämmung der Kosten tragen sie nicht bei. Mit bis zu fünf Milliarden Euro zusätzlicher Kosten pro Jahr schlägt die Verbesserung bei der Mütterrente zu Buche. Danach bekommen Mütter für vor 1992 geborene Kinder ein halbes Jahr mehr Erziehungszeit angerechnet. Verabschiedet wurde auch das Festschreiben der Haltelinie für den Rest des Jahrzehnts. Sie sieht vor, dass das aktuelle Rentenniveau von derzeit 48 Prozent des Durchschnittseinkommens erhalten bleibt.
Nach der Sommerpause will die Bundesregierung noch eine Aktivrente beschließen, die das Weiterarbeiten nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters steuerlich attraktiver machen soll. Zudem beginnt dann eine Rentenkommission ihre Arbeit, die bis Anfang 2027 Ergebnisse vorlegen soll. Sie wird unangenehme Dinge diskutieren wie die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters.
Tariftreuegesetz
Es war eines der vielen Projekte, die die Ampelkoalition unbedingt schaffen wollte – und über das sie sich dann doch zerstritt, sodass es scheiterte. Nun ist es die schwarz-rote Koalition, die das Tariftreuegesetz auf den Weg bringt. Es sieht vor, dass öffentliche Aufträge ab einem geschätzten Vertragswert von 50 000 Euro nur an Unternehmen vergeben werden sollen, die ihre Arbeitnehmer zu Bedingungen beschäftigen, wie es der Tarifvertrag der Branche vorsieht. Federführend ist das Ministerium von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Es ist ein Vorhaben, auf das die Gewerkschaften schon lange drängen – und das trotzdem umstritten ist. Arbeitgeber befürchten weitere Belastungen für Unternehmen, der Normenkontrollrat warnte vor zusätzlicher Bürokratie.
Senkung der Gaskosten
Als man in Deutschland 2022 befürchtete, dass die Energie im Winter knapp werden könnte, ließ das Bundeswirtschaftsministerium die Gasspeicherumlage einführen. Das heißt: Verbraucher und Unternehmen mussten seitdem mehr Geld für Gas zahlen, damit der Gasversorger die Speicher immer mindestens auf einem bestimmten Füllstand halten kann. Nun will das Wirtschaftsministerium die Umlage wieder streichen, um Haushalte und Wirtschaft zu entlasten. Insgesamt soll das Vorhaben ihnen etwa 3,4 Milliarden Euro sparen. Für einen Vier-Personen-Haushalt beträgt die Entlastung demnach zwischen 30 und 60 Euro im Jahr. Die Kosten für die Mindestbefüllung der Gasspeicher fallen aber nicht einfach weg: Der Bund will sie künftig selbst tragen und aus dem Haushalt sowie dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zahlen.
Pflege
Das Fachpersonal in der Pflege erhält mehr Kompetenzen. Es kann künftig bestimmte heilkundliche Maßnahmen eigenständig durchführen. Zum Beispiel kann eine Fachkraft dann eine Infusion geben, wenn ein Pflegeheimbewohner wegen Flüssigkeitsmangels ins Delirium zu fallen droht.
Wichtig ist auch der Gesetzentwurf zur Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenz-Ausbildung. Damit werden die bisher deutschlandweit 27 verschiedenen Ausbildungen vereinheitlicht.