Regieren oder Harakiri

Warum regiert die Ampel weiter?Weil alles andere für sie noch viel schlimmer wäre.

Von Eidos Import

Die aktuelle Bundesregierung ist wirklich einmalig. Sie braucht keine Opposition. Deren Arbeit erledigt sie mit eigenen Kräften. Das Ergebnis ist bekannt: Wann schlug einer Regierung je so viel Misstrauen und Unmut entgegen?

Die selbst erklärte Zukunftskoalition ist eigentlich schon Vergangenheit. Wenn am nächsten Sonntag Wahlen anstünden, wäre die SPD als Kanzlerpartei erledigt, die FDP in der außerparlamentarischen Opposition . Und die Grünen sind ohnehin die Buhmänner aller, die politisch in anderen Farben denken.

Da regiert zusammen, was nicht (mehr) zusammengehört. Darunter hat vor allem die FDP zu leiden. Seit die Liberalen in diesem Bündnis mitregieren, geht es bei Umfragen mit ihnen bergab. 11,5 Prozent hatten sie bei der Bundestagswahl erzielt, inzwischen dümpeln sie unter dem parlamentarischen Existenzlimit von fünf Prozent. Sie haben in nahezu allen Landtagswahlen verloren. Das i-Tüpfelchen auf diesen Niedergang setzte die Wahlwiederholung in Berlin, bei der sie als einzige Bundestagspartei einen Sitz eingebüßt haben.

Das liberale Verständnis von der Rolle des Staates und davon, wie dieser mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen habe, unterscheidet sich grundlegend von dem der SPD und der Grünen. Während die FDP auf Eigenverantwortung setzt, die Schuldenbremse verteidigt und die Bürger partout von neuen Forderungen verschonen möchte, sehen ihre Koalitionspartner ihr Heil in einem Fürsorgestaat und würden ihre Geldprobleme am liebsten mit immer neuen Schulden, durch Umverteilung oder kreditfinanzierte „Sondervermögen“ lösen.

Apropos: Mit seinem Urteil zur Schuldenbremse hat das Bundesverfassungsgericht ohnehin das zentrale Geschäftsmodell der Ampel zerschlagen. Diese Koalition beruht auf der Idee, die Reise hin zur Klimaneutralität der Wirtschaft mit staatlichen Subventionen zu erkaufen. Nun fehlen ihr allerdings die Mittel dafür. Einschnitte bei den konsumtiven Ausgaben des Staates, die meist in Sozialausgaben münden, sind für die FDP unausweichlich, um finanzielle Verfügungsmasse zu mobilisieren. SPD und Grüne halten das aber für ein Tabu – und führen sich auf, als sei dies im Grundgesetz oder womöglich schon in den Zehn Geboten so festgeschrieben. So könnte die Entscheidung über den Haushalt für 2025 zu einem zweiten Lambsdorff-Moment werden: Der gleichnamige FDP-Mann hatte sich 1982 eine Sollbruchstelle für die seinerzeitige sozialliberale Koalition ausgedacht und seiner Partei damit einen Fluchtweg in ein Bündnis mit der Union eröffnet, das bis 1998 halten sollte.

Die FDP hat den Seitenwechsel damals teuer bezahlt: Sie verlor ein Drittel ihrer Mitglieder, flog aus etlichen Landesparlamenten – hat das Wendemanöver aber letztlich überstanden. Heute sind die Verhältnisse allerdings ganz anders: Eine alternative Koalition mit der neuerdings umschwärmten Union verfügt über keine parlamentarische Mehrheit. Neuwahlen müsste die FDP wie ein Todesurteil fürchten. Insofern hätte es etwas von Harakiri, wenn der Parteivorsitzende Christian Lindner zu einem Lambsdorff 2.0 würde. Harakiri nennen die Japaner eine heroische Art des Suizids.

Dumm ist nur: Auch das Ausharren in der Ampel ist für die Liberalen unter den obwaltenden Umständen selbstzerstörerisch. Sie haben in dieser Koalition nichts mehr zu gewinnen. Ihnen bliebe im Falle eines finalen Krachs allenfalls das letzte Fünkchen Hoffnung, dass frustrierte Ex-Wähler, die sie inzwischen verprellt haben, wieder zurückkommen könnten. Anderenfalls muss die FDP auf ein politisches Wunder hoffen.

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Erstellt:
21. Februar 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
22. Februar 2024, 21:49 Uhr

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