Regiorad ist für Marbach am Neckar zu teuer

Die Stadt steigt aus dem System wieder aus. Auch andere Kommunen hadern mit der Auslastung. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer.

Die Nachfrage nach den Leihrädern ist in Marbach überschaubar. Archivfoto: Simon Granville

© Simon Granville

Die Nachfrage nach den Leihrädern ist in Marbach überschaubar. Archivfoto: Simon Granville

Von Christian Kempf

MARBACH am Neckar. Man braucht etwas Glück, um in Marbach jemanden zu sichten, der mit einem der blauen Vehikel von Regiorad Stuttgart durch die Gegend strampelt. Vertraut ist hingegen das Bild, dass sämtliche Leihgefährte an den beiden Stationen am Bahnhof und auf der Schillerhöhe noch zu haben sind. Für die Stadt hat das wirtschaftlich unschöne Folgen, weil sich durch den Stillstand an den fixen Ausgaben nichts ändert, aber im Gegenzug wenig Geld in die Kasse fließt. Zu wenig nach ihrem Geschmack. Deshalb zieht die Kommune nach nur wenigen Monaten wieder die Reißleine und kündigt die Verträge. „Die Zahlen sind durchweg schlecht. Die Kosten sind zu hoch und die Ausleihzahlen zu gering“, so der Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling im Gemeinderat, wo das Aus besiegelt wurde.

Nun ist Marbach, was die schwache Auslastung anbelangt, beileibe kein Einzelfall. Auch andere Kommunen hadern mit der überschaubaren Nachfrage. Steinheim an der Murr, ein Neueinsteiger wie Marbach, hat sich jedoch noch nicht ausklinkt. Bislang zumindest. „Prinzipiell würden wir schon am Ball bleiben wollen“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Man habe allerdings eben erst die Bilanzen erhalten, müsse sich in die Zahlenkolonnen einarbeiten, um daraus abzuleiten, was all die Daten für Steinheim bedeuten. „Wenn aber in Marbach die Zahlen schon schlecht sind, ist eher davon auszugehen, dass die Zahlen bei uns noch schlechter sind“, sagt Winterhalter. Im Gemeinderat müsse letztlich diskutiert werden, wie es nun weitergehen soll.

Welche Stationen in Ludwigsburg bleiben, wird sich erst noch zeigen

Im Detail sind auch in Ludwigsburg die Würfel bei dieser Frage noch nicht gefallen. Man habe zwar nicht vor, „Verträge in der Laufzeit des Regiorad-Systems zu kündigen“, konstatiert Pressesprecherin Meike Wätjen. Welche der insgesamt 13 Stationen aber tatsächlich auf lange Sicht erhalten bleiben sollen, werde sich erst in Zukunft klären. In der Diskussion war zuletzt, in den Stadtteilen Abstriche zu machen, in denen die Auslastung geringer war als beispielsweise am Bahnhof.

Klar sei aber, dass das Ganze für die Stadt ein Zuschussgeschäft bedeutet. Der Abmangel habe 2021 bei rund 60000 Euro gelegen, berichtet Wätjen. Pro Fahrt hätten etwa elf bis zwölf Euro aus der Stadtkasse beigesteuert werden müssen. Im Vergleich zu Marbach ist das aber sogar noch ein Klacks. Dort stehen für 2022 geschätzte Gesamtkosten von rund 13000 Euro Einnahmen von wohl lediglich 900 Euro gegenüber. Da im gesamten Zeitraum nur 190-mal ein Rad entliehen wurde, musste jede Fahrt mit gut 64 Euro bezuschusst werden. Der Steinheimer Rathauschef Thomas Winterhalter gibt allerdings zu bedenken, dass die Mobilitätswende auch bei anderen Projekten ein Zuschussgeschäft sei und erinnert an den kostspieligen Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos.

In Marbach sieht man aber nicht nur das Kosten-Nutzen-Verhältnis in einer Schieflage. Moniert wird die Zusammenarbeit bei Regiorad Stuttgart mit der DB Connect. Unter anderem sei der Service rund um die Räder und Stationen nicht zufriedenstellend.

Das alles heiße aber nicht, dass bei dem Leihradmodell Hopfen und Malz verloren wäre. Meike Wätjen verweist darauf, dass man zur Verbesserung der Auslastung noch an einigen Stellschrauben drehen könne. „Für die Fahrradsaison 2023 sind umfangreiche Marketingmaßnahmen geplant, wodurch in erster Linie Neukunden gewonnen und gleichzeitig ehemalige oder inaktive Bestandskunden zur Nutzung motiviert werden sollen“, erklärt die Sprecherin der Stadt Ludwigsburg. Geplant sei etwa die Einführung einer Businessflat, um vor allem größere Arbeitgeber verstärkt anzusprechen. Außerdem soll noch gezielter auf Neubürger, Schüler und Studenten zugegangen werden.

Die Testphase in Marbach könnte zu kurz gewesen sein

Monica Walker von der Pressestelle des Verbands Region Stuttgart (VRS) wirbt zudem um Geduld. Angebote wie Regiorad bräuchten „eine gewisse Zeit, bis sie ihr volles Potenzial entwickeln“. Sie glaubt auch – mit Blick auf Marbach, wo der Betrieb erst im November 2021 startete –, dass man aus einer Saison noch gar keine belastbaren Zahlen ableiten könne.

Keinen Hehl macht sie daraus, dass es 2022 an einigen Stellen im System knirschte. Im Wesentlichen sei das auf einen akuten Personalmangel im Fahrradservice der DB Connect, Verzögerungen bei der Material- und Ersatzteilbeschaffung, technische Probleme, Vandalismus und einen deutlichen „Rückgang der Nutzung durch geändertes Mobilitätsverhalten in und nach Corona zurückzuführen“. Man gehe „jedoch aktuell davon aus, dass sich die Verfügbarkeit der Räder in den kommenden Wochen weiter stabilisiert, sodass pünktlich zur Fahrradsaison 2023 das Regiorad Stuttgart wieder zuverlässig angeboten wird“.

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Erstellt:
22. Februar 2023, 11:00 Uhr

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