Reichere Eltern müssen mehr zahlen
Der Kreis will die Gebühren für die Kindertagespflege überarbeiten. Haushalte mit weniger Einkommen werden entlastet, dafür müssen Gutverdiener höhere Beträge entrichten. Für Verärgerung sorgt, dass einige Tageseltern von den Eltern Zusatzzahlungen verlangen.

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Gebühren für die Kindertagespflege sollen überarbeitet werden. Symbolfoto: Imago/Marc Schüler
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Die Kindertagespflege macht einen eher kleinen Teil der Betreuung im Rems-Murr-Kreis aus. „Der Großteil wird von den Kommunen erbracht“, erklärte Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss im Jugendhilfeausschuss. Für etwa 1100 Kinder, überwiegend unter Dreijährige, nehmen Eltern diese Betreuungsform in Anspruch, sie werden von 286 aktiven Tagespflegepersonen versorgt. Zum Vergleich: Etwa 18000 Kinder im Rems-Murr-Kreis gehen in eine kommunale oder kirchliche Kita. Dennoch: Die Netto-Ausgaben des Kreises für die Kindertagespflege belaufen sich auf etwa drei Millionen Euro im Jahr. Ohne dass die Eltern einen Betreuungsbedarf nachweisen müssen, werden bis zu 20 Stunden Betreuung pro Woche als Grundanspruch gefördert, dafür zahlt der Kreis ein monatliches Pflegegeld von 645 Euro.
Die Betreuung ist aber aktuell auf vier Stunden pro Tag begrenzt – das wurde sowohl von Eltern wie auch Tagespflegepersonen kritisiert. Ein häufig gewünschtes Modell seien jeweils sechs Stunden Betreuung an drei Tagen. Das gebe die Möglichkeit, die Kinder beim Frühstück, Mittagessen oder Mittagschlaf mit einzubeziehen. Künftig soll das ermöglicht werden. Dafür hat der Ausschuss nun votiert. Mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen der Antrag von Gislind Gruber-Seibold (SPD), den Grundanspruch grundsätzlich auf 30 Stunden zu erhöhen. Das Jugendamt sehe hier die Gefahr eines Missbrauchs. „Wir zahlen es gerne überall dort, wo die Stunden auch wirklich benötigt werden“, warf Landrat Richard Sigel ein. Nur wolle man es nicht von vorneherein zur Regel machen.
Jugendamtsleiter befürchtet Chancenungleichheit
Das bleibt aber nicht die einzige Änderung: Auf Vorschlag des Jugendamts soll die Gebührenordnung angepasst werden. Wichtigste Änderung hierbei: „Familien mit weniger Einkommen werden weiter entlastet und die mit mehr Einkommen stärker zur Kassen gebeten“, sagte Holger Gläss. So zahle eine Familie mit einem Nettoeinkommen von unter 2500 Euro künftig 27 statt 49 Euro für ein Kind, das vier Stunden am Tag betreut wird. Für eine Familie mit 5700 Euro netto im Monat steigt der Beitrag von 171 auf 218 Euro.
Im Ergebnis ändere sich für den Kreis dadurch kaum etwas, erklärte Gläss auf Nachfrage. Hinzu kommt, dass das Jugendamt in seiner Berechnungsmatrix zwei neue Einkommensgruppen ausweist: jene mit Nettoeinkommen über 5500 Euro und über 6000 Euro. Die Grenze für die unterste Einkommensgruppe wurde außerdem von 1500 auf 2000 Euro netto angehoben. „Im Rahmen der Inflation ist deutlich geworden, dass 1500 Euro zu knapp bemessen sind“, so Gläss erklärend.
Tagespflegeeinrichtungen gehen teils anderen Weg
Während also der Kreis finanziell schwächere Familien entlastet, gehen manche Tagespflegeeinrichtungen einen anderen Weg. Vermehrt verlangen die Tageseltern Zuzahlungen der Eltern – sehr zum Missfallen der Verantwortlichen im Jugendamt. „Wir können es aktuell nicht verbieten, aber wir wollen uns deutlich dagegen positionieren“, sagte Holger Gläss. Diese Praxis erzeuge eine Zweiklassengesellschaft, denn sie bevorzuge besser verdienende Eltern. Sie verhindere eine Chancengleichheit beim Wunsch- und Wahlrecht, heißt es in der Sitzungsvorlage. Laut Gläss werden immer häufiger solche Zuzahlungen gefordert. Für vertretbar halte er zusätzliche Zahlungen nur dann, wenn etwa Kosten für eine besondere Ernährungsform, etwa aufgrund von Unverträglichkeiten, entstehen.
Bestätigt wird diese Sichtweise des Kreisjugendamts Rems-Murr in einem Merkblatt des Bundesfamilienministerium für die Kindertagesbetreuung. Darin heißt es zum Thema: „Private Zuzahlungen von Dritten – insbesondere der Eltern – sind grundsätzlich nicht vorgesehen.“ Anders positioniert sich hingegen der Landesverband Kindertagespflege Baden-Württemberg: „Eine private Zuzahlung der Eltern an die Kindertagespflegeperson kann unter Umständen vereinbart werden“, heißt es von dort.
Qualifizierung Nach dem Qualifizierungskonzept QHB 300 umfasst ein Lehrgang für Tagespflegepersonen inzwischen insgesamt 300 Stunden. 50 davon erbringt das Kreisjugendamt, die anderen 250 Stunden bieten Bildungsträger als tätigkeitsbegleitenden Kurs an.
Nachfrage Im vergangenen Jahr kam es laut Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss immer öfters vor, dass geplante Kurse aufgrund zu weniger Teilnehmer abgesagt werden mussten. Der Aufwand sei vielen zu groß, da viele Interessenten die Arbeit als Tageseltern nur für einen begrenzten Zeitraum wahrnehmen möchten. Dem Kreis seien dadurch dennoch Kosten entstanden, denn schließlich seien die Referenten bereits gebucht worden.
Schlussfolgerung Um künftig Ausfallkosten zu reduzieren, will das Kreisjugendamt die Qualifizierung künftig flexibler gestalten. Die 300 Stunden werden in unabhängige Module à 50 Unterrichtseinheiten aufgeteilt, zudem soll nur noch ein großer Kurs mit 250 Stunden pro Jahr an Bildungsträger vergeben werden.
Einstieg Nach 50 Unterrichtseinheiten dürfen die Teilnehmer bereits in den Job einsteigen. Das Kreisjugendamt hofft, dass durch die drei Starterkurse genügend Interessierte gefunden werden, die den großen Kurs besuchen.