Rems-Murr-Kreis bietet gute Chancen

Die Region schneidet bei einer Studie des Berlin-Instituts zum Thema gesellschaftliche Teilhabe stark ab

Wo lebt es sich in Deutschland am besten? Um diese und viele weitere Fragen beantworten zu können, hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Kooperation mit der Wüstenrot-Stiftung die Lebensverhältnisse in 401 Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht. Das Ergebnis: Der Rems-Murr-Kreis zählt bundesweit zu den erfolgreichsten ländlichen Kreisen.

Herausragend ist im Rems-Murr-Kreis beispielsweise die Quote der Hartz-IV-Empfänger, Nachholbedarf gibt es unter anderem beim Prozentsatz der Schulabbrecher. Foto: Imago

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Herausragend ist im Rems-Murr-Kreis beispielsweise die Quote der Hartz-IV-Empfänger, Nachholbedarf gibt es unter anderem beim Prozentsatz der Schulabbrecher. Foto: Imago

Von Philip Kearney

BACKNANG. Die Studie zielt darauf ab, herauszufinden, wie gut Menschen aus verschiedenen Orten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Die Ergebnisse veröffentlichte das Institut nun online unter dem Namen „Teilhabeatlas Deutschland“. Aufgrund der teils massiven Unterschiede betrachteten die Autoren ländliche und städtische Landkreise getrennt voneinander. Dabei ordneten sie diese je nach gesellschaftlichen Teilhabechancen einem von jeweils drei Clustern zu. Die Zugehörigkeit zu einem der Cluster hing im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der wirtschaftlichen und sozialen Teilhabe sowie der Versorgung. Allgemein waren die Teilhabechancen im Süden besonders gut. Vor allem Baden-Württemberg beheimatete in den vergangenen Jahren überproportional viele erfolgreiche ländliche Gebiete. Zu diesen zählte auch der Rems-Murr-Kreis. Dieser schnitt in den ausschlaggebenden Kategorien wie folgt ab:

Hartz-IV-Empfänger: 2017 waren im Rems-Murr-Kreis 5,54 Prozent der unter 65-Jährigen Empfänger von Arbeitslosengeld II. Damit lag man etwa 1,2 Prozent über dem Durchschnitt der erfolgreichsten ländlichen Gebiete. In allen anderen Clustern wäre dieser Prozentsatz jedoch herausragend gut gewesen.

Schulabbrecher: Für die wirtschaftliche Teilhabe ist für gewöhnlich ein bestimmter Bildungsgrad vonnöten. Trotzdem hatten 2017 6,89 Prozent aller Schulabgänger im Rems-Murr-Kreis keinen Abschluss. Im bundesweiten Vergleich reichte dies nur für einen Platz im Mittelfeld. In ähnlichen Regionen wie dem Ostalbkreis beendeten nur fünf Prozent der Schüler ihren Bildungsweg ohne jeglichen Schulabschluss.

Zu-/Abwanderung: Hier ging es nicht um Migration im eigentlichen Sinne. Vielmehr wurde untersucht, ob zwischen 2013 und 2017 mehr junge Menschen einen Kreis verließen, als sich in diesem niederließen oder umgekehrt. Um dies zu messen, verwendeten die Autoren der Studie den durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldo der 18- bis 29-Jährigen je 1000 Einwohner. Dieser gibt Auskunft darüber, wie attraktiv ein Kreis für junge Erwachsene ist. Denn der Wanderungssaldo entspricht der Differenz von Zu- und Abwanderung. Ist er positiv, dann überwiegt die Zuwanderung. Mit einem Saldo in Höhe von 16,2 gehörte der Rems-Murr-Kreis zur Spitzengruppe, was die ländlichen Regionen anbelangt.

Steuereinnahmen: Die finanziellen Möglichkeiten einer Region sind unter anderem abhängig von der kommunalen Steuereinnahmekraft je Einwohner. Diese lag im Rems-Murr-Kreis 2017 bei überdurchschnittlichen 1082,25 Euro pro Bürger. Das waren etwa 40 Euro mehr als im Ostalbkreis. In erfolglosen ländlichen Gebieten belief sich die Steuereinnahmekraft je Einwohner durchschnittlich gerade einmal auf 577 Euro.

Jährlich verfügbares Haushaltseinkommen je Einwohner: 24638 Euro – so hoch war das Jahreshaushaltseinkommen pro Person im Rems-Murr-Kreis 2016. Das sind 700 Euro mehr als der durchschnittliche Verdienst in ähnlich erfolgreichen ländlichen Regionen. Mit diesem Einkommen konnte es der Kreis sogar mit vielen urbanen Gebieten aufnehmen.

Lebenserwartung: Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland variiert je nach Landkreis, zwischen 77, 4 und 83,4 Jahren. Am höchsten ist sie in den Regionen, die die besten Teilhabechancen bieten, mit 81,7 Jahren. Am niedrigsten ist sie mit 79,6 Jahren in Großstädten mit Problemlagen, wie Dortmund. Spitzenreiter ist der bayerische Landkreis Starnberg, der sich im Speckgürtel Münchens befindet. Schlusslicht das rheinland-pfälzische Pirmasens. Mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,24 Jahren im Zeitraum von 2013 bis 2015 zählt der Rems-Murr-Kreis in diesem Bereich zu den besseren Kreisen bundesweit.

Schnelles Internet: Unter schnellem Internet verstehen die Autoren der Studie, dass die Bandbreite der Internetleitung mindestens 50 Megabit pro Sekunde beträgt. Der Anteil an Haushalten, der diese Vorgabe erfüllte, unterschied sich 2017 stark zwischen Stadt und Land. In ländlichen Gebieten wie dem Rems-Murr-Kreis verfügten immerhin rund drei von vier Menschen über schnelles Internet. Andernorts war es lediglich die Hälfte der Bürger. In vielen Großstädten hatten weit über 90 Prozent aller Einwohner schnelles Internet. Zu diesen Großstädten zählte Stuttgart allerdings nicht.

Versorgungsindex: Dieser Index gibt an, wie viele Versorgungseinrichtungen, beispielsweise Läden oder Schulen, sich durchschnittlich in einem Radius von einem Kilometer vom Wohnort entfernt befinden. Während sich in den meisten ländlichen Regionen nur eine einzige Versorgungseinrichtung im Umkreis befand, verfügten viele Städte über die fünffache Anzahl davon. Mit ganzen vier Versorgungseinrichtungen, die fußläufig zu erreichen sind, zählte der Rems-Murr-Kreis zu den ländlichen Ausnahmefällen. Allerdings bestand 2018 im Kreis ein akuter Mangel an Hausärzten. Mit unter 60 Hausärzten pro 100000 Einwohner gehörte der Rems-Murr-Kreis zu den Gebieten mit der geringsten Zahl an Hausärzten in ganz Deutschland.

Info
Abgehängte Regionen

Diese Gebiete schnitten in fast allen Kategorien am schwächsten ab. Lediglich bei der Zahl an Hartz-IV-Empfängern und bei der Lebenserwartung wiesen „Großstädte mit Problemlagen“ noch schlechtere Werte auf.

Der Großteil der „abgehängten Regionen“ befand sich in Ostdeutschland, keine einzige in Baden-Württemberg. Hier gab es nur zwei nicht „erfolgreiche ländliche Regionen“.

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Erstellt:
29. August 2019, 06:00 Uhr

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