Rems-Murr-Kreistag beschließt Pflegeplan

Nach fünf Jahren und einer zweieinhalbjährigen Pandemie war es für die Landkreisverwaltung Zeit, das Werk fortzuschreiben. Im Zuge der demografischen Entwicklung mit einer immer älter werdenden Bevölkerung ergeben sich viele Fragen, aber auch neuartige Lösungsansätze.

Auch im Rems-Murr-Kreis werden die Menschen im Schnitt immer älter und mitunter irgendwann auch pflegebedürftig. Um den Herausforderungen dieser Entwicklung zu begegnen, liefert der Kreispflegeplan wichtige Richtlinien.  Symbolfoto: Pixelio/Rainer Sturm

Auch im Rems-Murr-Kreis werden die Menschen im Schnitt immer älter und mitunter irgendwann auch pflegebedürftig. Um den Herausforderungen dieser Entwicklung zu begegnen, liefert der Kreispflegeplan wichtige Richtlinien. Symbolfoto: Pixelio/Rainer Sturm

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Die drei D kommen nun zum Tragen, wie in der jüngsten Kreistagssitzung zu hören war: Demografie, Digitalisierung und Demenz sind die Hauptaufgabenfelder, denen man sich in unmittelbarer Zukunft auch im Rems-Murr-Kreis stellen will und muss. Dazu wurde der sogenannte Kreispflegeplan fortgeschrieben und dem Kreistag vorgelegt. Christian Müller von der zuständigen Stabsstelle im Landratsamt erläuterte das 163 Seiten starke Werk bei der Sitzung in Alfdorf. Mit seinen Handlungsempfehlungen für die nächsten fünf Jahre wurde der Kreispflegeplan einstimmig von den Fraktionen beschlossen.

Am grundsätzlichen Handlungsbedarf dürfte eigentlich kein Zweifel sein: Die Lebenserwartung der Menschen steigt, es gibt also immer mehr ältere Menschen, was auch zu einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen führt. Um das zu schultern, braucht man entsprechend geschultes Personal. Und hier ist bereits jetzt schon ein Mangel erkennbar. Ein paar Zahlen verdeutlichen die Entwicklung: 427300 Menschen lebten am 31. Dezember 2020 im Rems-Murr-Kreis. 91250 von ihnen waren zu dem Zeitpunkt 65 Jahre oder älter. Von den über 65-Jährigen hat ein Drittel das 80. Lebensjahr erreicht oder überschritten. Das sind über 30000 Menschen.

Die Zahl der benötigten Pflegeplätze wird stark steigen

2021 wurden im Rems-Murr-Kreis 3540 bestehende Plätze für eine vollstationäre Pflege verzeichnet. Die Prognose für den Bedarf im Jahr 2030 liegt bei 5270 Plätzen – ein Plus von nicht weniger 48,9 Prozent. Bei der ambulanten Pflege liegt die prognostizierte Steigerung im gleichen Zeitraum bei plus 20,3 Prozent. Mit einem Plus von 13,5 Prozent wird der Anstieg der Zahl an Personen beziffert, die im beschriebenen Zeitraum als Pflegegeldempfänger zu verzeichnen sind. Arbeitsschwerpunkt der Kreispflegeplanung ist nun die Erfassung von Bestand und Bedarf im Bereich der (teil-)stationären und ambulanten Pflegebereiche im Kreisgebiet. Hier wird auch der Blick auf das Wohnen im Alter und auf eine entsprechende Quartierentwicklung geworfen. Der Landkreis macht dies in Eigenregie, da eine Vergabe an externe Büros unter anderem den Nachteil habe, dass es viel Geld kostet. Die Unterstützung von Menschen mit Demenz soll weiterentwickelt, auch die Hospizarbeit und die palliative Versorgung sollen vorangetrieben werden. Die sogenannte Generalistische Pflegeausbildung mit ihrer Verknüpfung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege soll mit den Institutionen im Kreis koordiniert werden. Ebenso ist der Ausbau der Beratungsstrukturen für Seniorinnen und Senioren ein wichtiges Element. Die Belange junger Pflegebedürftiger und solcher mit Migrationshintergrund spielen im Kreispflegeplan ebenfalls eine zunehmende Rolle.

Modellprojekt in Zusammenarbeit mit der Hospizstiftung

Im Bereich Demenz liegen die Erhaltung und die Förderung bestehender und neuer Angebote und ihrer Qualität im Fokus der Demenzfachberatung. „Die Arbeit bürgerschaftlich Engagierter in diesem Bereich gilt es weiter zu erhalten und zu fördern“, so die Kreisverwaltung. Der Landkreis fördert darüber hinaus das Modellprojekt „Beratung und Begleitung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen im häuslichen Umfeld“ in Zusammenarbeit mit der Hospizstiftung Rems-Murr. Das Thema Digitalisierung geht der Landkreis unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“ an. Apps und virtuelle Realität für Seniorinnen und Senioren als Zielgruppe stehen dabei im Mittelpunkt. „Die Digitalisierung beeinflusst heute alle Bereiche unseres Lebens. Sie birgt Chancen insbesondere auch für ältere Menschen – von der privaten Kommunikation bis hin zur Unterstützung“, betont Landrat Richard Sigel. Und im Sozialdezernat des Landratsamts weiß man: „Digitale Technologien müssen gut handhabbar, möglichst selbsterklärend, sicher und zudem für alle verfügbar und bezahlbar sein. Zur digitalen Grundversorgung gehören Internetzugang und intuitiv bedienbare Endgeräte wie Tablets und Smartphones sowie eine dauerhafte, kompetente Anleitung in und durch die digitale Welt.“

Dazu wirkt das Landratsamt mit dem Kreismedienzentrum und weiteren Partnern darauf hin, als Motor digitaler Kompetenz dieser Zielgruppe im Rems-Murr-Kreis zu fungieren. Ziel ist es, Einsamkeit im Alter vorzubeugen. Erste Treffen zwischen Kreismedienzentrum und Kreisseniorenrat waren positiv und Erfolg versprechend, wie in der letzten Sitzung des Kreistags vor der Sommerpause zu hören war.

Das sagen die Fraktionen zum Pflegeplan des Rems-Murr-Kreises

Ausbildungsstandort Horst Reingruber regt im Namen der CDU eine zentrale Koordinierung der Pflege durch den Landkreis an. Zudem möge die Kreisverwaltung prüfen, ob ein eigener Pflegeausbildungsstandort im Rems-Murr-Kreis sinnvoll und realisierbar ist.

Wohnungsbau Alles dafür zu tun, dass die Pflegekräfte im Job bleiben oder gegebenenfalls sogar zurückkehren, ist laut Norbert Sailer (Freie Wähler) das Gebot der Stunde. Bei diesem Anliegen sei die Schaffung von Wohnraum eine wichtige Stellschraube.

Rapport Bernd Messinger (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßt, dass die Rems-Murr-Kliniken Plätze für Übergangspflege schaffen, und hofft bei der Umsetzung innovativer Wohnformen fürs Alter auf die Kreisbaugruppe. Die Grünen bitten außerdem um einen jährlichen Bericht über die Umsetzung der Handlungsempfehlungen. Leider, so Messinger, enthalte der Kreispflegeplan nur ansatzweise Ideen, wie man dem Personalmangel entgegen wirken kann.

Notstand Horst Bauer (SPD) schilderte einen Fall aus der eigenen Familie, um die Dringlichkeit des Themas zu verdeutlichen. „Wir haben bereits einen Pflegenotstand und nicht mehr viel Zeit“, so Bauer, der auch an einen Antrag seiner Fraktion zur Durchführung eines Kreispflegegipfels erinnerte.

Prognose Laut Wolfgang Weigoldt (FDP/FW) steuert die Gesellschaft im Bereich Pflege auf eine mittlere Katastrophe zu, wenn man den Zahlen nicht adäquat begegne.

Roboter Daniel Lindenschmid (AfD) fordert bessere Arbeitszeiten und mehr Geld für das Pflegepersonal, während Gudrun Wilhelm (Gruppe Wilhelm/Klinghoffer) Angebote für Tagespflege in allen 31 Städten und Gemeinden als zwingend notwendig ansieht und dazu auffordert, auch über digital gesteuerte Alltagsbegleiter, also Roboter, für alte und zu pflegende Menschen nachzudenken.

Geldfrage Philip Köngeter (Linke und ÖDP) sieht die öffentliche Hand in der Pflicht, mehr Geld in stationäre, ambulante und häusliche Pflege sowie in die Unterstützung behinderter Menschen zu investieren. „Der private Markt allein wird es nicht richten“, so der Welzheimer.

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Erstellt:
13. Juli 2022, 06:00 Uhr

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