Remstalkellerei ist Betrüger aufgesessen

Goldbarren im Wert von womöglich 35000 Euro „Geschäftsmann“ übergeben – Vorstand und Aufsichtsrat treten großteils zurück

Paukenschlag bei der Generalversammlung der Remstalkellerei: Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Werner Schaal aus Beutelsbach musste auf Nachfrage aus dem Publikum ein Gerücht in Teilen bestätigen: Ja, die Remstalkellerei hat 2017 Goldbarren an einen vermeintlichen Geschäftspartner übergeben, der sie annahm und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand.

Die Aussicht auf lukrative Weinverkäufe ließ den Vorstand der Remstalkellerei 2017 in die Falle von Betrügern tappen. Foto: B. Büttner

Die Aussicht auf lukrative Weinverkäufe ließ den Vorstand der Remstalkellerei 2017 in die Falle von Betrügern tappen. Foto: B. Büttner

Von Nils Graefe

WEINSTADT. Am Ende der Versammlung verwehrten die Mitglieder im Zuge einer langwierigen geheimen Einzelabstimmung allen Vorständen und Aufsichtsräten der Wengerter-Genossenschaft die Entlastung für das Geschäftsjahr 2018. Rücktritte der Vorstände und der Aufsichtsräte rund um Thomas Lenz (Schnait) waren die Folge. Nur Rüdiger Borck (Kernen) signalisierte, sein Amt als Aufsichtsrat behalten zu wollen. Neuwahlen der Führungsgremien müssen nun im Februar oder März abgehalten werden. „Fakt ist, dass man (vor seiner Zeit, Anm. der Red.) in der Hoffnung auf ein großes Exportgeschäft 2017 einem Betrüger aufgesessen ist“, bestätigte Remstalkellerei-Geschäftsführer Peter Jung auf Nachfrage. „So hat man einem vermeintlichen Geschäftspartner im Zuge einer angeblichen Geschäftsanbahnung eine Provision in Form von Goldbarren zukommen lassen.“ Dieser Vorfall sei damals aber umgehend dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsverband mitgeteilt worden. „Die entstandenen Verluste wurden bereits in der Bilanz für 2017 verbucht.“

Strafanzeige bei Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangen

Über weitere Details wollte Jung am vergangenen Freitag keine Auskünfte erteilen. Sehr wahrscheinlich, weil die Lage auch rechtlich heikel ist. Ein Sprecher des prüfenden Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV) hielt sich bedeckt: „Wir dürfen uns zu Themen dieser Art nicht außerhalb von Prüfungsberichten äußern.“ Schaal sagte: „Ich bin bei dem Vorgang damals 2017 auch nicht dabei gewesen. Zudem ist das ein laufendes Verfahren. Deshalb möchte ich dazu nicht mehr sagen. Ob ich mich zur Wiederwahl als Vorstand stelle, weiß ich jetzt noch nicht. Das muss ich mir noch überlegen.“

Nach Informationen der Waiblinger Kreiszeitung handelte es sich um Goldbarren im Wert von zirka 35000 Euro, die mindestens ein damaliges Vorstandsmitglied 2017 einem lettischen Mittelsmann als Provision überreicht haben soll, weil dieser ein „Riesengeschäft“ mit einem Scheich vermitteln wollte und sollte. Der Lette machte sich mit den Goldbarren über alle Berge und das versprochene Geschäft kam nicht zustande.

„Als der Aufsichtsrat im Spätsommer/Herbst 2017 eingeschaltet und informiert wurde über den Verlust der Goldbarren im Wert von 35000 Euro und den Betrug, war die ganze Sache längst gelaufen. Wir konnten nicht mehr eingreifen“, erinnert sich ein damaliges Mitglied des neunköpfigen Aufsichtsratsgremiums der Remstalkellerei eG in der gestrigen Ausgabe der Waiblinger Kreiszeitung. Pikantes Detail: „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und quasi genötigt, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, und hätten mit privatem Vermögen gehaftet, wenn öffentlich geworden wäre, dass der Vorstand Opfer von Betrügern geworden ist, denen im Voraus Provision in Goldbarren gezahlt wurde.“ Der 35000-Euro-Verlust sei bereits in der Bilanz 2017 verbucht worden. „Ob als Spesen oder wie sonst, wurde uns nicht mitgeteilt“, sagt das damalige Aufsichtsratsmitglied. Die Verschwiegenheitserklärung sei vom Prüfungsverband, dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband, entworfen worden, erinnert sich das Aufsichtsratsmitglied. Ein Sprecher des Verbands widerspricht: „Der BWGV hat keine Verschwiegenheitserklärung entworfen.“

Goldbarren an Betrüger übergeben: Wie kann so etwas passieren!? Wie naiv sind denn die!? Wie peinlich!? Unverständnis allenthalben. Die jetzt erst öffentlich gewordene Goldbarrenaffäre der Remstalkellerei von 2017 macht viele, insbesondere die Mitglieder und Wengerter der Remstalkellerei eG, auch wütend. Alle diese Gefühle und Reaktionen kann Claus Mannschreck absolut verstehen, sagt er. Er war von Juni 2017 bis Oktober 2018 Vorstandsvorsitzender der Wengerter-Genossenschaft. „Dieser Betrug war von langer Hand vorbereitet. Wir wurden Opfer eines hochprofessionellen Betrügernetzwerkes.

Alles fing völlig unverfänglich an. Die kamen von sich aus auf die Remstalkellerei zu. Traten als Vertreter einer seriös erscheinenden Handelsfirma auf. Die hatten Ahnung vom Weingeschäft. Legten Geschäftspläne vor. Hatten Ausweispapiere, Steuernummern. Und die Geschäftsanbahnung lief über Monate hinweg. Das war kein Schnellschuss. Die haben richtigen Aufwand betrieben, uns zu täuschen“, sagt Mannschreck. Mehrmals hätten Treffen von Vertriebsmitarbeitern der Remstalkellerei mit Vertretern der vermeintlichen lettischen Handelsfirma stattgefunden. Genauere Details wolle er nicht preisgeben, weil ein rechtliches Verfahren laufe. Ein ehemaliger Kollege habe ihn darüber informiert. Eine Anklage sei noch nicht erhoben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigt: „Aufgrund einer Strafanzeige vom April 2019 ist im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Exportgeschäfts der Remstalkellerei eG im Jahr 2017 ein Ermittlungsverfahren anhängig.“ Aufgrund der laufenden Ermittlungen könnten keine näheren Auskünfte erteilt werden – weder darüber, wer die Strafanzeige gestellt hat oder wie viele Personen angezeigt wurden, noch welche mutmaßlichen Tatbestände im Raum stehen. Die Letten stellten in überzeugender Art und Weise regelmäßige Weinexportgeschäfte in Aussicht, Abnehmer sollten große Hotelketten – auch im Mittleren Osten – sein. Internationale Hotelketten als regelmäßige Abnehmer von Remstalkellerei-Weinen hätten die wirtschaftliche Not der Genossenschaft lindern können. Sanierung durch Großaufträge passiere in der Wirtschaft immer wieder, so Mannschreck.

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Erstellt:
29. Januar 2020, 06:00 Uhr

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