Rote Karte für Plastik im Biomüll

Der Landkreis hat Störstoffen wie Glas, Kunststoff und Metall den Kampf angesagt. Unter dem Stichwort #fehlamplatz startet dazu am Montag eine Kampagne. Außer Appellen soll es auch Kontrollen geben, bei denen ein Detektorsystem eingesetzt wird.

Biomüll mit Massen von Störstoffen: Abfallchef Gerald Balthasar (im Hintergrund am Radlader) will das Problem jetzt mit einer mehrwöchigen Kampagne angehen. Denn Kunststoffteile, Folien, Glas und Metall stören den Vergärungsprozess und die Verarbeitung zu Kompost. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Biomüll mit Massen von Störstoffen: Abfallchef Gerald Balthasar (im Hintergrund am Radlader) will das Problem jetzt mit einer mehrwöchigen Kampagne angehen. Denn Kunststoffteile, Folien, Glas und Metall stören den Vergärungsprozess und die Verarbeitung zu Kompost. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. Folien, Kunststoffblumentöpfe, da eine Mehrfachsteckdose mit Kabel, dort ein Handschuh, Kunststofftüten, Kaffeekapseln, Aludosen, Drähte von Blumensträußen: Alles das und noch mehr bringen die großen Transportfahrzeuge von ihren Sammeltouren im Kreis mit, wenn sie ihre Ladung mit organischen Abfällen auf der Biovergärungsanlage Neuschöntal abkippen.

Landrat Richard Sigel, der Verwaltungsratsvorsitzende der AWRM, zeichnet deshalb ein dramatisches Bild. „Nicht nur in den Weltmeeren zählt Plastik zu den drängendsten Problemen unserer Zeit. Auch bei uns im Rems-Murr-Kreis kämpfen wir mit zu viel Plastik“, verweist er auf die weitreichenden Folgen für die Umwelt. In den Biotonnen landen pro Jahr mehrere Tausend Tonnen Plastik und Störstoffe. Sigel: „Das ist einfach viel zu viel.“

Zwischen 36000 und 37000 Tonnen Biomüll fallen jährlich im Rems-Murr-Kreis an, das entspricht, wie Gerald Balthasar erläutert, etwa 85 Kilogramm pro Einwohner. „Aus dieser Menge“, so der Vorstandsvorsitzende der Abfallwirtschaft Rems-Murr weiter, „mussten im Jahr 2019 bereits bei Anlieferung 1200 Tonnen Fremdstoffe – unter anderem Glas, Metall oder Plastik – aussortiert und teuer entsorgt werden“. Weitere rund 5000 Tonnen an nicht verwertbarem Material kommen bei der Kompostaufbereitung hinzu – kleinere Teile, die so fest mit der Biomasse zusammengebacken sind, dass sie nur noch insgesamt entfernt werden können, weil eine weitere Trennung wirtschaftlich unsinnig wäre. „Schaufelladerweise muss man das Zeug rausfahren“, schüttelt Sigel den Kopf. Das sei für die Anlage und für die Umwelt nicht mehr akzeptabel und mache betroffen, sagt der Landrat.

Die Störstoffbeseitigung kostet über eine halbe Million Euro im Jahr.

Laut Balthasar muss die AWRM für die Beseitigung all dieser Störstoffe im Jahr über eine halbe Million Euro aufwenden – Grund genug, eine kreisweite Aufklärungskampagne zu starten. Deren Ziel ist es, die Einwohner für eine konsequentere Trennung des Mülls zu sensibilisieren, sodass die braune Tonne frei von Fremdstoffen bleibt. Gleichzeitig soll dies sicherstellen, dass die AWRM aus den kreisweit gesondert eingesammelten organischen Abfällen Qualitätskompost mit RAL-Gütesiegel herstellen kann.

Das geschieht in der Biovergärungsanlage Neuschöntal. Der Inhalt von 87000 braunen Tonnen aus dem ganzen Kreis wird dort angeliefert. Die organischen Abfälle aus Küchen und Gärten werden in einem Vergärungsprozess anaerob, also ohne Luft, verarbeitet. Dabei entsteht Biogas. Daraus wiederum wird mittels Blockheizkraftwerken Strom und Wärme gewonnen. Letztere wird zur Klärschlammtrocknung auf der benachbarten städtischen Kläranlage eingesetzt. Aus den Gärresten gewinnt die AWRM Kompost und einen Flüssigdünger, der in der Landwirtschaft verwertet wird. Im Jahr geht es dabei um 4500 bis 6500 Tonnen Kompost, 19000 bis 23000 Tonnen Flüssigdünger und fast zehn Millionen Kilowattstunden Strom, von dem etwa eine Million für den Eigenbedarf dient.

„Material, das nicht verwertbar ist, stört den Ablauf und die Qualität“, erklärt Balthasar. So nimmt die Gütegemeinschaft Kompost regelmäßig, übers Jahr verteilt, Proben aus dem Endprodukt, um dessen Qualität zu prüfen.

Im Zuge der Biomüllkampagne will der Landkreis zunächst mit Plakaten in humoristischem Ton auf die Problematik hinweisen. „Schwimmkurs auf dem Tennisplatz? Is’ wie Plastik im Biomüll“, heißt es da beispielsweise auf Plakatwänden und Müllfahrzeugen. Parallel soll es Kontrollen geben. Dazu sind kreisweit zwei mit Detektoren ausgestattete Fahrzeuge im Einsatz. Die Geräte reagieren zwar auf Metall und nicht auf Plastik, aber: „Wer so unsauber trennt, wirft auch Plastik rein“, weiß Balthasar. Und die Sensoren können, so Sigel, sehr sensibel sein: „Das System findet die Nadel im Biomüll.“ Zudem sind mit dem Müllfahrzeug zusätzliche Mitarbeiter unterwegs, die Sichtkontrollen in den Tonnen vornehmen. Werden entsprechende Fehlwürfe entdeckt, bekommt die betreffende Tonne ab Montag, 10. August, einen gelben Anhänger. Dieser mahnt ein korrektes Füllen des Gefäßes an. In der zweiten Stufe ab 24. August setzt es dann die Rote Karte: Dann bleibt der Behälter ungeleert stehen. Die Nutzer können dann den Inhalt entweder selbst trennen oder das Gefäß als Restmüll leeren lassen, was eine extra Gebühr kostet.

Aufklärung, Information und der Appell an die Einsicht der Bürger stehen dennoch im Vordergrund. Man wolle, so Sigel, „wachrütteln und motivieren. Jeder kann ganz einfach etwas für unsere Umwelt und gegen Plastikmüll tun. Helfen Sie mit, dass kein Plastik mehr in der Biotonne landet.“ Dieser Appell richtet sich auch an die junge Generation. So gibt es von der AWRM seit Kurzem ein Spiel zum Thema Abfalltrennung.

Auf der Homepage www.awrm.de informiert die AWRM über die Trennung von Biomüll. Dort geht es auch zum Spiel. Weiterführende Fragen beantwortet die Abfallberatung unter 07151/501-9535.

Was in die braune Tonne darf

Um ihre braunen Tonnen sauber zu halten, packen manche Leute ihre Küchenabfälle in Beutel ein. Kunststoffbeutel sind dafür aber ungeeignet, sagt die AWRM.

Nein sagt die AWRM auch zu den kompostierbaren Folienbeuteln, die es im Handel gibt. Sie erfüllen zwar die EU-Norm, wonach sich 90 Prozent der Tüte innerhalb von zwölf Wochen in Bestandteile zersetzen müssen, die kleiner als zwei Millimeter sind, und wonach der biologische Abbau binnen sechs Monaten geschehen sein muss. Die Beutel verrotten damit aber viel zu langsam, sodass sie im Vergärungspro-zess nicht abgebaut werden können. Denn dieser dauert nur vier Wochen.

Geeignet sind laut AWRM Papiertüten, beispielsweise Bäckertüten, oder Papiertaschen. Empfohlen wird auch Zeitungspapier, mit dem Küchenabfälle eingewickelt werden können.

In die Biotonne dürfen: Kaffeefilter und Teebeutel, feste Speisereste, verdorbene Lebensmittel (ohne Verpackung), Gemüse- und Obstabfälle (auch Südfrüchte), Eier- und Nussschalen, Haare, Federn, Baum- und Strauchschnitt, Laub, Rasenschnitt, Stroh und Heu.

Nicht in die Biotonne gehören: Plastiktüten und -folien einschließlich sogenannter kompostierbarer Folienbeutel, Glas, Steine, mineralisches Kleintierstreu und sonstige mineralische Abfälle, Metalle aller Art, Problemmüll, Zigarettenkippen und Asche sowie flüssige Speisereste.

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Erstellt:
8. August 2020, 06:00 Uhr

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