Rückenwind für Radfahrer

Backnang war lange Zeit vor allem eine Autostadt, erst vor drei Jahren machte sich die Verwaltung daran, die Bedingungen für Radfahrer zu verbessern. 23 Einzelmaßnahmen wurden seitdem umgesetzt und das soll noch lange nicht alles sein.

Einige Radstreifen wurden zwar schon markiert, doch wirklich fahrradfreundlich ist die Kreuzung am Adenauerplatz noch nicht. Mit Fördermitteln vom Bund würde die Stadt Backnang den Knotenpunkt gerne umbauen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Einige Radstreifen wurden zwar schon markiert, doch wirklich fahrradfreundlich ist die Kreuzung am Adenauerplatz noch nicht. Mit Fördermitteln vom Bund würde die Stadt Backnang den Knotenpunkt gerne umbauen. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Die Stadträte waren in der Ausschusssitzung am Donnerstagabend voll des Lobes: „Super, was sich hier getan hat“, freute sich Karl Scheib (Bürgerforum Backnang), der selbst passionierter Radfahrer ist. „Man hat das Gefühl, dass das Thema in der Stadtverwaltung angekommen ist“, meinte Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Auch Sabine Kutteroff (CDU) und Armin Dobler (SPD) zeigten sich angetan von den Verbesserungen im Radverkehr: „Das merkt man auch als Radfahrer im Alltag“, stellte Dobler fest. So tue er sich heute zum Beispiel wesentlich leichter, in der Backnanger Innenstadt einen Abstellplatz für sein Rad zu finden, als früher.

Im Herbst 2018 hatten die Verkehrsexperten vom Ingenieurbüro Brenner Bernard aus Aalen ein Radinfrastrukturkonzept mit insgesamt 145 Verbesserungsvorschlägen vorgestellt. 41 besonders dringliche Maßnahmen hatte die Stadt auf ihre Bearbeitungsliste gesetzt, 23 wurden bis heute umgesetzt. Dazu gehören größere Projekte wie der neue Radweg an der Oberen Walke oder die Schutzstreifen entlang der Talstraße, aber auch kleinere Markierungsarbeiten.

So wurden zum Beispiel an einigen Einmündungen die querenden Radwege mit roter Farbe gekennzeichnet, damit sie von den Autofahrern besser wahrgenommen werden. Außerdem wurden weitere Abstellmöglichkeiten für Zweiräder geschaffen, sowohl in der Innenstadt als auch am Bahnhof, wo zusätzlich 48 abschließbare Fahrradboxen für Berufspendler aufgestellt wurden.

Maubacher Straße könntedie erste Fahrradstraße werden.

Als Erfolg wertet Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts, auch die neuen Fahrradschutzstreifen an den Verbindungsstraßen nach Schöntal und Sachsenweiler. Im Rahmen eines Modellprojekts des Landes Baden-Württemberg, das noch bis Jahresende läuft, wird dort getestet, ob solche Schutzstreifen auch außerhalb geschlossener Ortschaften funktionieren. Laut Großmann ist das der Fall: „Es ist dadurch für die Radfahrer sicherer geworden.“ In der Konsequenz habe der Radverkehr auf diesen Strecken deutlich zugenommen. Zählungen hätten gezeigt, dass sich die Zahl der Radfahrer seit Beginn des Pilotprojekts auf beiden Strecken mehr als verdoppelt habe. Großmann hofft deshalb, dass aus dem Test eine Dauerlösung wird.

Auf ihren bisherigen Erfolgen will sich die Stadt allerdings nicht ausruhen. Da trifft es sich gut, dass der Bund im Rahmen seines Klimaschutzprogramms gerade ein Sonderförderprogramm aufgelegt hat, das den Kommunen bei Investitionen in den Radverkehr Zuschüsse von bis zu 90 Prozent in Aussicht stellt. An Ideen, wo dieses Geld – wenn man es denn bekommt – eingesetzt werden kann, mangelt es in Backnang nicht.

So würde die Stadt zum Beispiel gerne den Knotenpunkt am Adenauerplatz fahrradfreundlicher machen. Im Bereich der Oberen Bahnhofstraße ist dies bereits passiert, der östliche Teil an der Chelmsford-Brücke steht allerdings noch aus. Die Maubacher Straße könnte mittelfristig sogar zu Backnangs erster Fahrradstraße werden. Das hieße nicht, dass sie dann für Autofahrer gesperrt wird, allerdings hätten Radfahrer Vorrang und dürften dort auch nebeneinander fahren. Tobias Großmann könnte sich ein solches Modell vorstellen, wenn die Anbindung der Maubacher Straße an die B14 nach dem vierspurigen Ausbau der Bundesstraße wie geplant wegfällt. Dann würde der Autoverkehr in der Straße ohnehin spürbar abnehmen und die Fahrbahn könnte vorrangig den Radfahrern, darunter viele Kinder und Jugendliche auf dem Schulweg, gehören.

Weitere Bereiche, die die Stadt mittelfristig fahrradfreundlicher gestalten möchte, sind die Stuttgarter Straße und die Sulzbacher Straße. Gerade bei Letzterer könnte das auch zu Konflikten führen, denn um einen durchgängigen Radweg entlang der Sulzbacher Straße einzurichten, müssten wohl etliche Parkplätze für Autos entfallen. Im Gemeinderat scheint das allerdings kein Tabu mehr zu sein. „Ich denke, diesen Konflikt müssen wir dann aushalten“, meinte Grünen-Fraktionschef Härtner.

Allerdings warnten auch einige Stadträte vor einer einseitigen Verkehrspolitik zugunsten der Radfahrer. „Wichtig ist, dass alle Fortbewegungsmittel in Backnang eine gute Zukunft haben“, meinte etwa SPD-Fraktionschef Heinz Franke, der sich in der Sitzung als überzeugter Autofahrer outete. Sabine Kutteroff sieht vor allem den Vorschlag, Einbahnstraßen für Radfahrer auch gegen die Fahrtrichtung freizugeben, kritisch: „Das bringt wahnsinnig viele Konflikte mit sich“, prophezeite die CDU-Stadträtin.

Baudezernent Stefan Setzer will bei der Förderung des Radverkehrs in Backnang weiter Gas geben. Am liebsten hätte er dafür ein jährliches Budget im städtischen Haushalt: „Dann hätten wir mehr Flexibilität und Planungssicherheit.“ In der Warteschleife hängt vorerst die Idee für einen Radschnellweg von Backnang nach Waiblingen. Das Land hatte hierzu zwar eine Machbarkeitsstudie angekündigt, verfolgt nun aber erst einmal andere Trassen, etwa im Remstal zwischen Schorndorf und Fellbach.

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Erstellt:
8. Mai 2021, 06:00 Uhr

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