Türkei-Zypern-Konflikt
Rüstungswettlauf im Mittelmeer
Der türkische Präsident will mehr Soldaten nach Nordzypern schicken. Hintergrund sind die wachsenden Spannungen seines Landes mit Israel.

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Präsident Recep Tayyip Erdogan beschimpft Israel als „Terrorstaat“.
Von Gerd Höhler
Die Türkei plant offenbar eine massive Verstärkung ihrer Militärpräsenz im türkisch besetzten Nordzypern. Das berichtete TRT Haber, der Nachrichtenkanal der staatlichen türkischen Sendeanstalt TRT. Der Sender gilt als Sprachrohr der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Dem Bericht zufolge soll die Zahl der Soldaten auf mehr als 100 000 erhöht werden. Das wäre fast das Dreifache des derzeit in Nordzypern stationierten Kontingents. Auch andere türkische Medien berichteten über die Pläne.
Mit der Verlegung zusätzlicher Truppen nach Nordzypern wolle die Türkei auf die verstärkte Militärpräsenz der USA, Großbritanniens, Israels und Deutschlands im Süden der geteilten Insel reagieren. Seit dem Sommer 1974 sind etwa 35 000 türkische Soldaten in Nordzypern stationiert. Die türkischen Streitkräfte besetzten damals in zwei Invasionswellen fast 40 Prozent des zyprischen Territoriums im Norden der Insel. Mit der Invasion reagierte Ankara auf den Versuch der damals in Griechenland herrschenden Obristenjunta, Zypern zu annektieren und die türkische Volksgruppe zu vertreiben. Seither sind alle Versuche einer Wiedervereinigung der Insel gescheitert. Die Türkei beharrt auf einer völkerrechtlichen Legalisierung der Inselteilung.
US-Marinebasis wird ausgebaut
Zypern ist ein bedeutender Brückenkopf an der Schwelle zum Nahen Osten. Die Insel gilt als „unsinkbarer Flugzeugträger“. Großbritannien unterhält dort zwei Militärbasen, den Luftwaffenstützpunkt Akrotiri und die Garnison Dekelia. Sie stammen noch aus der Zeit vor 1960, als Zypern eine britische Kolonie war. Die Militärbasen sind bis heute britisches Staatsgebiet. Auch die USA zeigen jetzt auf Zypern Flagge. Im Januar hatte der scheidenden US-Präsident Joe Biden ein Abkommen unterschrieben, das eine engere militärische Zusammenarbeit mit der Republik Zypern sowie US-Waffenlieferungen für die zyprische Nationalgarde vorsieht. Im Frühsommer 2025 verlegten die USA Tank- und Transportflugzeuge der US Air Force auf die Militärbasis Andreas Papandreou bei Paphos im Süden. Die USA reagierten damit auf die Zuspitzung des Konflikts zwischen Israel und dem Iran. Die US-Marinebasis Mavi soll für 200 Millionen Euro ausgebaut werden.
Auch die Bundeswehr ist auf Zypern präsent. Nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte Deutschland auf Zypern etwa 1000 Soldaten stationiert. Die Spezialkräfte des Heeres und der Marine sollten bei eventuellen Evakuierungsmaßnahmen helfen. In der Folge zog die Bundeswehr den größten Teil der Truppe wieder ab.
Türkei modernisiert Militärflughafen
Was die türkische Regierung stört, ist die zunehmende enge militärische Verflechtung der Republik Zypern mit Israel. Präsident Erdogan hat das Land zum Erzfeind ausgerufen. Er sagt über den israelischen Premier Benjamin Netanjahu, er sei „schlimmer als Hitler“. Schon seit den 2010er Jahren haben Israel und Zypern gemeinsame Militärmanöver durchgeführt, viele davon unter Beteiligung des ewigen Türkei-Rivalen Griechenland. Im Dezember 2024 lieferte Israel das Flugabwehrsystem Barak MX an Zypern. Zuvor hatte die Regierung in Nikosia bereits aus Israel Drohnen, Maschinengewehre und andere Militärausrüstung bezogen. Die von den USA genutzte Luftwaffenbasis Andreas Papandreou steht auch den israelischen Luftstreitkräften zur Verfügung.
Der griechisch-zyprische Inselpräsident Nikos Christodoulides hat im vergangenen Jahr das Interesse seines Landes an einem Nato-Beitritt bekundet. Auch aus Sicht der Allianz wäre das ein Win-Win-Szenario. Aber dazu braucht es die Zustimmung des Nato-Mitglieds Türkei. Damit ist nicht zu rechnen, solange die Zypernfrage ungelöst ist.
Ende 2024 warnte das türkische Außenministerium vor einem „Rüstungswettlauf“. Monate zuvor hatte die Türkei die Modernisierung des Militärflughafens Lefkoniko angekündigt. Er soll zur Basis für den Einsatz von Drohnen ausgebaut werden. Zudem kündigte die Türkei den Bau neuer Marinestützpunkte an. Mit der geplanten Stationierung Zehntausender zusätzlicher Soldaten treibt Erdogan jetzt die Rüstungsspirale auf der Mittelmeerinsel weiter voran.