Friedensverhandlungen

Rumänien fordert „robuste“ Garantien für Ukraine

Rumäniens Vize-Regierungschefin Oana Gheorghiu fordert glaubwürdige Sicherheitsgarantien für die Ukraine, um Russland von weiterer Aggression abzuhalten.

Oana Gheorghiu ist Vizepremier Rumäniens.

© Agerpres/Rumänische Regierung

Oana Gheorghiu ist Vizepremier Rumäniens.

Von Rainer Pörtner und Michael Weißenborn

Aktuell wird an vielen Orten in wechselnder Zusammensetzung über ein Ende des Krieges in der Ukraine verhandelt. Rumänien ist besonders von dem Geschehen in seinem Nachbarland betroffen. Oana Gheorghiu, stellvertretende Ministerpräsidentin Rumäniens, beschreibt die notwendigen Voraussetzungen für einen stabilen Frieden – und die Aussichten auf einen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union.

Frau Gheorghiu, Ihr Land grenzt direkt an die Ukraine. Wie optimistisch sind Sie, dass es bald ein Friedensabkommen mit Russland geben wird?

Ich denke, jeder in unserer Region hofft, dass bald Frieden einkehrt – die Ukrainerinnen und Ukrainer zuerst. Aber nicht irgendein Frieden. Nicht ein Frieden, der die Ukraine erneut einer Aggression aussetzt. Sondern ein gerechter und dauerhafter Frieden, der auf der UN-Charta und den Bestimmungen des Völkerrechts beruht.

Welche zusätzlichen Bedingungen müssen aus rumänischer Sicht erfüllt sein, um einen dauerhaften Frieden sicherzustellen?

Eine weitere grundlegende Voraussetzung ist, dass die Ukraine vollständig in die Ausarbeitung aller Vorschläge einbezogen wird, die die Parameter eines möglichen Friedens betreffen. Es kann keine Diskussion über Frieden in der Ukraine geben, ohne dass die Ukraine mit am Tisch sitzt. Darüber hinaus müssen Gespräche über Fragen, die die europäische Sicherheit betreffen, die europäischen Staaten umfassend einbeziehen. Ich spreche hier ausdrücklich aus der Perspektive eines EU-Mitgliedstaats, der an die Ukraine grenzt. Die Art und Weise, wie Frieden in der Ukraine erreicht wird, und die konkreten Bedingungen dieses Friedens werden sich auch auf die regionale und europäische Sicherheit auswirken.

Wie genau sollten Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen?

Sicherheitsgarantien für die Ukraine sind ein zentrales Element jedes ernsthaften Versuchs, einen Rahmen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Diese Garantien müssen robust und glaubwürdig sein und alle Bereiche abdecken – Land, Luft und See. Bei all diesen Bemühungen bleiben der transatlantische Dialog und die transatlantische Abstimmung essenziell. Sie sollten im Geist der Solidarität erfolgen und die Komplementarität zwischen EU und NATO berücksichtigen.

Welche Chancen sehen Sie, dass Russland solchen Vorschlägen zustimmt und diese auch tatsächlich einhält?

Im Moment müssen wir einerseits zu allen Anstrengungen stehen, die uns einem gerechten und dauerhaften Frieden näherbringen. Und andererseits den Druck auf Russland erhöhen – politisch, diplomatisch, wirtschaftlich –, damit es sich ernsthaft auf die Erreichung eines Friedens einlässt.

Die Ukraine wird auf absehbare Zeit nicht in die Nato aufgenommen werden. Treten Sie für einen schnellen EU-Beitritt ein?

Ja, Rumänien unterstützt die europäische Integration der Ukraine nachdrücklich. Das war schon lange die Position unseres Landes – lange bevor die Ukraine überhaupt einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt hat –, dass die Ukraine ein Recht auf eine europäische Zukunft hat. Die neue geopolitische Realität, die durch die russische Aggression entstanden ist, hat die EU-Perspektive zu einer glaubwürdigen, realistischen Möglichkeit gemacht.

Aber erfüllt die Ukraine auch die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt?

Die Ukraine hat sich stark politisch für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union engagiert, wichtige Fortschritte erzielt und eine positive Bilanz im Reformprozess vorgelegt. Außerdem hat die Ukraine Reformen unter außergewöhnlichen Umständen vorangetrieben. Die Erweiterung ist natürlich ein leistungsabhängiger Prozess, bei dem jeder Kandidat individuell nach seinen eigenen Leistungen bewertet wird. In dieser Hinsicht hat die Ukraine ihre Hausaufgaben gemacht und erwartet zu Recht eine politische Entscheidung des Rates, die Beitrittsverhandlungen zu eröffnen. Rumänien unterstützt diese Entscheidung nachdrücklich und ohne weitere Verzögerung. Das wäre eine wichtige, lang erwartete Botschaft an die Ukraine und ihre Bevölkerung – und ein Beweis für unser beziehungsweise das EU-Bekenntnis zu einem glaubwürdigen, verlässlichen und leistungsorientierten Integrationsprozess für die Ukraine. Die Integration der Ukraine in die EU würde nicht nur der Ukraine zugutekommen, sondern auch der Stabilität und dem Wohlstand unserer gesamten Region. Und Rumänien wird auf diesem Weg einer ihrer engsten Unterstützer bleiben.

Rumänien selbst leidet derzeit unter politischer Unsicherheit, Inflation und Exportschwierigkeiten. Wie wollen Sie diese Probleme in den Griff bekommen?

Genau diese Situation ist der Grund dafür, dass ich jetzt Teil der Regierung bin. Wir arbeiten an mehreren Fronten: finanzpolitische Stabilität, Unterstützung für Exporte und Investitionen, beschleunigte Nutzung von EU-Mitteln sowie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Rumänien verfügt über ein starkes wirtschaftliches Potenzial, und die bereits ergriffenen Maßnahmen beginnen Wirkung zu zeigen.

Ihr Präsident räumt ein, dass die Korruption in Rumänien weiterhin ein Problem ist. Wie kann das Land unter diesen Umständen für Investitionen aus Deutschland attraktiver werden?

Das Problem anzuerkennen, ist ein wichtiger erster Schritt. Doch wirklicher Fortschritt entsteht durch die kontinuierliche Arbeit, die wir leisten: Stärkung der Anti-Korruptionsinstitutionen, Digitalisierung von Verfahren, um Missbrauchsmöglichkeiten zu vermindern, und Vereinfachung administrativer Prozesse. Deutsche Investoren schätzen Stabilität, Verlässlichkeit und qualifizierte Arbeitskräfte – und Rumänien bietet all das. Unsere Verantwortung besteht darin, sicherzustellen, dass sie auch Vertrauen in unsere Institutionen haben. Das ist eine langfristige Aufgabe, aber echte Verbesserungen sind bereits sichtbar.

Sie haben gerade einen Wirtschaftsbesuch in Baden-Württemberg abgeschlossen. Welche Rolle spielt dieses Bundesland für Sie?

Baden-Württemberg ist einer unserer wichtigsten Wirtschaftspartner in Deutschland und ein Zentrum für Innovation, Hochtechnologie und moderne Industrie – Bereiche, in denen Rumänien schnell wächst. Unternehmen aus dieser Region zählen zu den stärksten Investoren in Rumänien, und viele haben langfristige, gegenseitig vorteilhafte Beziehungen zu rumänischen Gemeinden aufgebaut. Mein Besuch diente dazu, diese Verbindungen zu stärken und neue Möglichkeiten auszuloten – insbesondere in den Bereichen grüne Technologien, Mobilität und Bildung. Darüber hinaus zielte dieser Besuch darauf ab, unsere Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Regierungskommission Rumänien – Baden-Württemberg zu vertiefen, deren zehnte Sitzung am 28. November hier in Stuttgart stattfand, sowie im Kontext der EU-Strategie für den Donauraum.

Gibt es ein deutsch-rumänisches Kooperationsprojekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Ja! Das duale Berufsausbildungssystem nach deutschem Vorbild. Dieses Modell gibt jungen Menschen die Möglichkeit, sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten in echten Unternehmen zu erwerben und sich so auf gut bezahlte, moderne Arbeitsplätze vorzubereiten. Es ist ein Projekt, das Leben verändert, Arbeitslosigkeit reduziert und die lokale Wirtschaft stärkt. Es bringt klare Vorteile – nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, die durch praktische Erfahrung und bessere Beschäftigungsfähigkeit einen Wettbewerbsvorteil erhalten, sondern auch für Unternehmen, die Zugang zu Arbeitskräften bekommen, die bereits nach ihren spezifischen Anforderungen und ihrer Unternehmenskultur ausgebildet wurden. Wir schätzen die Unterstützung deutscher Institutionen und Unternehmen, einschließlich jener aus Baden-Württemberg, sehr und würden ihre weitere Beteiligung an der Ausweitung des dualen Ausbildungssystems in Rumänien begrüßen.

Aus der NGO in die Politik

Politik Oana Gheorghiu (56) ist seit Oktober 2025 stellvertretende Ministerpräsidentin Rumäniens – zuständig für Reformen, Digitalisierung und Entbürokratisierung.

NGO Ihre Ernennung als Vize-Premierministerin kam überraschend, denn vorher war Gheorghiu vor allem als Repräsentantin einer Nichtregierungsorganisation bekannt. Sie ist Mitgründerin von Dăruiește Viață („Schenke Leben“), die unter anderem mehr als 100 Millionen Euro Spenden zur Finanzierung eines Krankenhauses für schwer kranke Kinder einsammelte.

NGO Rumänien hat politisch turbulente Monate hinter sich. Mit Präsident Nicusor Dan und Premierminister Ilie Bolojan stehen heute zwei pro-europäische Reformer an der Spitze des Landes.  

Zum Artikel

Erstellt:
2. Dezember 2025, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen