Rundfahrt mit Blickfanggarantie

Warum nicht einmal auf der Rückbank eines E-Tuk-Tuks Platz nehmen und die Sehenswürdigkeiten von Marbach kennenlernen?

Die knallroten E-Tuk-Tuks von Christa Schultheiß (links) sind sehr auffällig. Foto: KS-Images

© KS-Images.de / Karsten Schmalz

Die knallroten E-Tuk-Tuks von Christa Schultheiß (links) sind sehr auffällig. Foto: KS-Images

Von Julia Amrhein

MARBACH AM NECKAR. Die Schiller- und Literaturstadt Marbach am Neckar hat schon viele Gäste von Rang und Namen begrüßen dürfen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist aber der Besuch der Queen Elizabeth II. im Jahr 1965. Und nun – gut 55 Jahre später – kann man in die Fußstapfen Ihrer Majestät treten. Menschen am Straßenrand und in den Cafés beobachten die Fahrt und winken dem Fahrgast zu. Bei der Fahrt in einem knallroten Tuk-Tuk namens „Chilli“.

Fünf Jahre gibt es die Tuk-Tuk-Tours nun schon. Die Jubiläumstour klingt vielversprechend: Menschen, Museen, Restaurants und Gassen, in denen es sich lohnt, Zeit zu verbringen. Und Christa Schultheiß nimmt die Herausforderung gerne an. Zuerst gilt es, eine sportliche Herausforderung zu meistern. „Vorsicht beim Einstieg und den Kopf einziehen“, warnt Christa Schultheiß. Ist das Einsteigen ohne Zusammenprall mit dem Dachrahmen des Tuk-Tuks gemeistert, kann die Fahrt schon losgehen.

Die Fahrerin will erst einmal vom Gast wissen, wie denn so der erste Eindruck der Schillerstadt gewesen ist. Denn die Rundfahrt ist keine „One-Woman-Show“: „Ich will mit meinen Gästen ins Gespräch kommen, um deren Hintergründe und Vorwissen zu erfahren.“ Dadurch ist keine Tour wie die andere, sondern stets individuell.

Das Literaturarchiv mit den Museen ist natürlich das prägende Element von Marbach. Der Weg führt also zuerst einmal zur Schillerhöhe, wo man es sich auf der Plattform mit Blick auf den Neckar bequem machen und ins Gespräch kommen kann. Dass der Park von Bürgern „mit Schaufel und Spaten“ angelegt worden ist, um dem Schillerdenkmal ein würdiges Plätzchen zu bescheren, wissen viele Besucher so nicht. Schwer vorstellbar, dass dort einmal ein Steinbruch war. Der lässt sich am Spielplatz noch erkennen. Christa Schultheiß macht hier Touristen wie Bürgern Mut, mehr Angebote anzunehmen: „Man muss sich einfach darauf einlassen. Es gibt tolle kostenlose Führungen und Vorträge, für die es kein Fachwissen braucht.“ Dazu lädt das Museumscafé zum Verweilen ein.

Das Tuk-Tuk fährt flott weiter – das mit einem Elektromotor angetriebene Gefährt schafft theoretisch bis zu Tempo 45 – und es macht Halt an der Trattoria Toscana, wo Eugenio Dominech einen Imbiss reicht. Durch die Marktstraße geht es weiter zum Burgplatz und dem Torturm – neben Schillers Geburtshaus das Wahrzeichen der Stadt schlechthin.

Heute ist der eine Sehenswürdigkeit, früher war der Durchgang als Stadttor für die Sicherheit der Marbacher unabdingbar. Weiter geht’s auf historischen Wegen in die Holdergassen, „dem schönsten Teil der Stadt“, so Schultheiß. „Viele Eltern haben früher ihren Töchtern verboten, in die Holdergassen zu gehen.“ Vor allem Bauern und einfache Leute lebten einst dort, davon wollten viele Bürger sich abgrenzen. Und auch der Haspelturm liefert ein düsteres Kapitel der Stadtgeschichte. Die Kehrtwende kam durch Zugezogene und die heutigen Bewohner, die ihre Häuser mit viel Liebe zum Detail renovierten und bis heute pflegen: „Die Menschen in den Holdergassen sind das Salz in der Suppe.“ Dazu gehört etwa Dieter Baader, der mit seiner Salzscheuer ein echtes Unikat ist. Aber auch die Familie Zell ist aus den Gassen nicht wegzudenken. Vor deren Haus macht das Tuk-Tuk den nächsten Halt, um einen Blick in den kleinen Schmuckladen zu werfen, der bei der Tour symbolisch auch für die anderen kleinen Lädchen in den Gassen steht. Außerdem entdeckt man hier den „Galgenhonig“. Den produzieren die Kinder der Familie Zell. Ihre Völker stehen – wo auch sonst – auf dem namensgebenden Galgen. Von dort schwärmen die Insekten schließlich auf die benachbarten Streuobstwiesen aus. Lokaler geht es wohl kaum. Nun ist Zeit für einen weiteren Imbiss: Diesmal gibt es ein Spinatküchlein vom Amaranth.

Die Stopps bei Gastronomen kommen nicht von ungefähr, erklärt Christa Schultheiß: „Ich will Inspiration liefern, nach der Rundfahrt noch in der Stadt zu verweilen.“ Die Touren starten meist so, dass sich ein Mittag- oder Abendessen im Anschluss anbietet. Fahrgast und Fahrerin genießen ihren Snack, während es jetzt zur Alexanderkirche geht. Zu deren Füßen liegt mit der Bleichwiese und den Handwerkerhäusern der älteste Teil der Stadt. Die Erklärung: „Hier führte einmal ein alter Handelsweg entlang.“

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Erstellt:
19. August 2020, 06:00 Uhr

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