Mit dem Zug durch Asien

Sagenhafte Seidenstraße

Dreizehn und eine Nacht – so lang dauert die Reise mit dem „Orient Silk Road Express“ entlang der Seidenstraße. Allein diese Fahrt an sich ist ein Erlebnis.

Blick über Buchara

© Dennis Schmelz//Schmelz

Blick über Buchara

Von Christiane Neubauer

„Aaaangekommen“, kräht Reiseleiter Ali Burkhanov jeden Morgen voller Inbrunst ins Bord-Mikrofon, wenn der „Orient Silk Road Express“ einen Bahnhof erreicht. Wer einmal miterlebt hat, was passiert, wenn der Zug einrollt, dem braucht man nicht mehr zu erklären, was das Sprichwort „großer Bahnhof“ bedeutet. Die Passagiere werden bei jeder Ankunft wie Staatsgäste empfangen. Musiker in Tracht bilden entlang des roten Teppichs ein Spalier und blasen in ihre Langtrompeten, die sogenannten Karnays.

Die Reise mit dem Sonderzug beginnt in der kasachischen Hauptstadt Almaty. Der Zug bringt Globetrotter aus aller Welt zu Sehenswürdigkeiten entlang der legendären Seidenstraße, die seit Jahrhunderten China mit dem Mittelmeerraum verbindet. Im Mittelalter trug der Handel mit Seide, Porzellan, Gewürzen und Co. zur wirtschaftlichen Blüte aller Länder bei, die durch die Route verbunden waren. Entlang der Seidenstraße entstanden prächtige Städte: Samarkand, Taschkent, Chiwa, Buchara und Merw – die Namen sind legendär. Zwischen Almaty und Aschgabat, der Hauptstadt von Turkmenistan, legt der „Orient Silk Road Express“ rund 4000 Kilometer in zwei Wochen zurück. Eine Reise, für die Marco Polo einst Monate brauchte.

Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht

Da der Zug vor allem nachts Strecke macht, wenn die Passagiere in ihren Abteilen schlummern, bleibt trotz der großen Distanzen genug Zeit für Entdeckungstouren. In der sagenhaften Oasenstadt Samarkand treibt Ali – der sprachgewandte lokale Guide (er kann sogar Schwyzerdütsch) – seine Schäfchen zum Reisebus, der sie ins 30 Kilometer entfernte Chiwa bringt. Die usbekische Oasenstadt an der Grenze zu Turkmenistan war einst einer der wichtigsten Handelsplätze des Orients. Heute gilt sie als eines der besterhaltenen Beispiele des mittelalterlichen orientalischen Städtebaus. „Chiwa ist ein zu Stein gewordenes Märchen aus Tausendundeiner Nacht“, sagt Ali.

Zu Recht! Eine trutzige, zinnenbewehrte Mauer aus Lehm umschließt den historischen Stadtkern, der zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Tritt man durch eins der mächtigen Tore in die Altstadt, fühlt man sich wie in eine andere Welt versetzt. Rund um das Kalta-Minor-Minarett, das Wahrzeichen der Stadt, pulsiert das Leben wie in alten Zeiten: In den Gassen und Hinterhöfen wird getöpfert, gewebt, geknüpft, geschmiedet und in Basaren lautstark gehandelt. Auf dem Platz vor der Dschuma-Moschee dösen Kamele.

Wie Babys in der Wiege

Ali führt seine Gruppe in den Innenhof einer ehemaligen Karawanserei, wo freundliche Usbeken im Schatten eines Maulbeerbaums kalte Drinks und Grüntee servieren – das Nationalgetränk. Wie sich die Teilnehmer einer Karawane wohl gefühlt haben, wenn sie nach Wochen der Tortur die Herrlichkeit dieser Stadt erleben durften?

Als die Reisenden am Abend zum Zug zurückkehren, erfüllt der Duft von gebratenem Fleisch und orientalischen Gewürzen die Korridore zwischen den beiden Speisewagen. Als der Zug Fahrt aufnimmt, schaukeln die Waggons die Fahrgäste in weichen, runden Bewegungen hin und her, wie Babys in der Wiege.

Kein Wunder, dass so mancher Mühe hat, die Augen offen zu halten. Doch jetzt nicht aus dem Fenster zu schauen, wäre ein Frevel – obwohl es genau genommen nicht viel zu sehen gibt: keinen Baum, kein Grün, kein Dorf und keine Menschen. Nur Sand und Steine. Karg und lebensfeindlich ist die Landschaft. Farblos und trocken wie Staub. Es ist die berüchtigte Wüste Kysylkum. Der „Orient Silk Road Express“ durchquert dieses Ödland entlang einer jener Routen, auf denen einst die Karawanen zogen.

Menüs aus der Zugkombüse

Später, als die Passagiere im Speisewagen sitzen, macht die Kysylkum – auf Deutsch: roter Sand – ihrem Namen alle Ehre: Im Sonnenuntergang nimmt sie beeindruckende rötliche Farbtöne an. Der vor Kurzem noch stahlblaue Himmel über der Wüste leuchtet in allen Schattierungen von Orange bis Flieder. „Beautiful“, ruft Tischnachbarin Alison aus England aufgeregt und knipst ein Bild nach dem anderen. Mit ihrem Mann Paul, einem Eisenbahn-Nostalgiker, hat sie sich diese Reise gegönnt. Dass beide schon über 80 sind, war offenbar kein Hindernis.

Der Australierin Carol am Nebentisch entlockt Alisons Begeisterung ein amüsiertes Schmunzeln. „Sieht aus wie bei uns zu Hause“, sagt sie augenzwinkernd und alle lachen. Dann wendet sich die Aufmerksamkeit aller Juri zu, dem gut gelaunten Kellner. Es ist faszinierend, ihm dabei zuzusehen, wie mühelos er Teller, Schüsseln und Gläser auf einem Tablett durch den schaukelnden Speisewagen balanciert. Und nie geht ein Tropfen daneben. Applaus gibt es nach jeder Mahlzeit auch für das Küchenteam. Keiner der Passagiere kann nachvollziehen, wie dieses unter den beschränkten Möglichkeiten, die die Zugkombüse bietet, derart feine Menüs zaubern kann.

Als die Passagiere nach dem Essen in ihr Abteil zurückkommen, haben Olga und Svetlana, die Schaffnerinnen dieses Waggons, die Sitzbänke bereits zu kleinen, aber feinen Liegeflächen umgebaut. Die bordeauxfarbenen und mit Goldfäden bestickten Vorhänge sind zugezogen, die Leselampen angeknipst, die Kissen aufgeschüttelt und die Bettdecken zurückgeschlagen. Wer vor dem Schlafengehen noch einen Blick durchs Fenster wirft, sieht Abertausende Sterne am Himmel über der Wüste funkeln.

Am nächsten Morgen sind es die quietschenden Bremsen des Zugs, die die Passagiere aus ihren Träumen von Tausendundeiner Nacht reißen. Es dauert nicht lange, dann ist Alis Stimme aus dem Lautsprecher zu hören: „Aaaaangekommen!“

Info Seidenstraße

Anreise

Turkish Airlines fliegt von Stuttgart mit einem Zwischenstopp in Istanbul nach Almaty bzw. Aschgabat. https://www.turkishairlines.com/de-int/

Sonderzugreise

Die vorgestellte 14-tägige Sonderzugreise von Almaty nach Aschgabat wird von Lernidee Erlebnisreisen organisiert. 14 Tage ab 3790 Euro pro Person: www.lernidee.de.Eine Seidenstraße-Rundreise mit dem Bus bietet Studiosus an. 11 Tage ab 2195 Euro. https://www.studienreisen.de/ Im Sommer ist es in Zentralasien heiß und trocken, im Winter sehr kalt. Am besten bereist man die Region daher im Frühling und Herbst.

Unterkunft

Almaty: Rahat Palace Hotel, 29/6 Akademik Satpaev Street, DZ ab 65 Euro inkl. Frühstück, https://rahatpalace.com Chiwa: Hotel Madrasah Polvon-Qori Boutique, Polvon Qoriy 24 Street, East Gate Of Old Town, DZ inkl. Frühstück 46 Euro, https://polvon-qoriy-hotel-khiva.hotel-mix.de Aschgabat: Hotel Yyldyz, Bagtyyarlyk 17, DZ ab 160 Euro, www.yyldyzhotel.com/en

Essen und Trinken

Almaty: Navat, Seifullin Avenue 500/79. Obwohl das Lokal einem Kirgisen gehört, kann man ausgezeichnet kasachisch essen, https://navat.kz/ Buchara: Café Wishbone, Gertrud Schrenk aus Mannheim ist die Besitzerin dieses hübschen Cafés: http://www.cafe-wishbone-bukhara.uz/ Samarkand: Platan, Pushkin 2, Landestypisches Restaurant mit einem Hauch von Eleganz, http://platan.uz/

Buchtipp

Allgemeine Informationen

www.tourismus.de/asien/kasachstan/ www.tourismus.de/asien/turkmenistan/, https://uzbekistan.travel/de

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Erstellt:
14. April 2023, 17:10 Uhr

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