Sanierung der Stiftskirche wird deutlich teurer

Vor allem die zusätzlichen Arbeiten an der Fassade der Backnanger Hauptkirche schlagen deutlich zu Buche. Die Gesamtkosten steigen laut der jüngsten Aktualisierung um eine Million auf 4,76 Millionen Euro. Bislang sind 705000 Euro an Spenden eingegangen.

Dekan Wilfried Braun und seine Frau, die geschäftsführende Pfarrerin der Backnanger Stiftskirche, Sabine Goller-Braun, sowie Matthias Burkhardt, der Vorsitzende des Bauausschusses, und Kurt Wörner, der Chef der Stiftsbauhütte, freuen sich über den Baufortschritt. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Dekan Wilfried Braun und seine Frau, die geschäftsführende Pfarrerin der Backnanger Stiftskirche, Sabine Goller-Braun, sowie Matthias Burkhardt, der Vorsitzende des Bauausschusses, und Kurt Wörner, der Chef der Stiftsbauhütte, freuen sich über den Baufortschritt. Fotos: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Bauarbeiten an der Backnanger Stiftskirche werden nun doch deutlich teurer als zuletzt berechnet. Vor allem der schlechte Außenputz lässt die Kosten in die Höhe schnellen. Zusammen mit etlichen anderen Kostensteigerungen wird die Sanierung des Gotteshauses laut einer aktuellen Berechnung nun 4,76 Millionen Euro kosten. Das sind ziemlich genau eine Million Euro mehr als veranschlagt.

Die Handwerker haben Dekan Wilfried Braun nun davon überzeugt, dass der Außenputz nicht nur an der Westfassade erneuert werden muss – dort waren die Schäden deutlich sichtbar –, sondern auch am gesamten Gebäude. Der Hintergrund der geforderten Maßnahme ist ein Materialfehler, der bei der letzten Generalsanierung vor 60 Jahren passiert ist. Damals wurde ein unverträglicher Betonputz aufgebracht. Dieser Putz hat sich in all den Jahren auf einer großen Fläche vom Untergrund gelöst und es besteht das Risiko, dass in naher Zukunft große Partien herunterstürzen könnten. Braun: „Die Handwerker haben das Problem erst vor Ort erkennen können. Wenn wir jetzt aber nach all den Jahren wieder eine Grundsanierung machen, dann soll das nicht nur fünf Jahre heben, dann machen wir das richtig.“

Die Fassadensanierung ist zwar der größte Brocken bei den Überraschungen, aber nicht der einzige. Unter dem Stichwort Grabungen listet Braun zwei Punkte auf, die zu Zeitverzögerungen und Mehrkosten geführt haben. So wurden in der Südapsis unter dem Fundament des Südturms vier Skelette gefunden und ausgegraben. Der Fund stärkt laut Braun die These, dass es früher eine kleinere Kirche gegeben haben muss. Deren Außenmauern wurden vermutlich erweitert und die Türme dort gebaut, wo sich einst der Gottesacker befand. Dies wäre eine Erklärung für den Fund. Aufklärung über das Alter der Gerippe und ihr Verwandtschaftsverhältnis versprechen sich die Wissenschaftler von Untersuchungen im Landesamt. Ersten Einschätzungen zufolge könnte es sich um Vater, Mutter und Kinder einer Familie handeln.

Auch außerhalb der heutigen Kirche südlich des Hochchors haben die Bauarbeiter zwei Skelette in einem gemauerten Grab gefunden. Auch das hat den Bauherren viel Zeitverzögerung und ein paar Mehrkosten beschert. Auch diese Gebeine wurden gesichert und das Grab wurde wieder verschlossen.

„Wir sind immer bemüht, am Alten anzuknüpfen.“

Als die Grabungen südlich des Kirchenschiffs weitergingen, stießen die Arbeiter auf einen alten Weg aus großen Sandsteinplatten. Bemerkenswert dabei war nicht nur die Abzweigung ins Kircheninnere, sondern auch eine Abzweigung in den angrenzenden Dekanatsgarten. Dabei handelte es sich wohl um eine Abkürzung für den Pfarrer. Die Sandsteinplatten, die viele Jahre unter einer Asphaltschicht verborgen waren, sind sehr stark beschädigt und werden nicht mehr eingebaut. In der künftigen Pflasterung soll jedoch die Wegstruktur nachgezeichnet werden, so die Ankündigung Brauns. „Wir sind immer bemüht, am Alten anzuknüpfen.“

Ebenfalls ins Geld ging die Sanierung der Fenster. Die Schwere der Schäden wurde den Handwerker erst dann offenkundig, als sie mit den Sanierungen begonnen haben. Nun steht auch hier fest, dass die Arbeiten viel aufwendiger sind als eigentlich veranschlagt.

Auch wenn all die Mehrkosten eigentlich das Potenzial hätten, die Stimmung von Wilfried Braun zu trüben, so lässt sich der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks die Vorfreude über das gelungene Werk trotz allem nicht nehmen. Selbst zu diesem frühen Zeitpunkt verweist er schon auf die Schönheit des künftigen Bauwerks. So wurde im Inneren durch zahlreiche Umbaumaßnahmen wie etwa die Öffnung der beiden Apsiden die Dreischiffigkeit wieder hergestellt beziehungsweise betont. Weichen musste dafür auch die alte Kanzel; sie kommt nicht wieder, sondern wird durch eine filigranere ersetzt. Ebenso wird es neue Prinzipalien geben, darunter versteht man die wesentlichen Einrichtungsteile einer Kirche für die liturgische Nutzung wie etwa den Altar, den Ambo oder das Taufbecken. Nachdem auch die zweite Empore abgebaut worden ist, erstrahlt die neue Kirche – das ist auch im jetzigen Rohbau schon zu erkennen – in völlig neuem Licht. Für Braun steht fest, „die Pracht des Chores mit den herrlichen Fenstern kommt erst jetzt so richtig zur Geltung“. Braun freue sich schon darauf, wenn der neue Muschelkalkboden seine Wirkung erzielt. Er wird im gesamten Kirchenschiff und Chor verlegt, mit Ausnahme jener Flächen, in denen die Sitzbänke aufgestellt werden. Auch dieser neue Bodenbelag wird die Kirche freundlicher machen, er ist wesentlich heller im Vergleich zum roten Fliesenboden, der bislang verlegt war. Braun: „All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass die gesamte Kirche viel heller, freundlicher und einladender wird. Und genau das ist unsere Bestrebung.“ Dem pflichtet Pfarrerin Sabine Goller-Braun bei: „Ich sehne mich nach dem Abschluss der Sanierung und bin vollkommen überzeugt, dass sich die Einschränkungen und all die Arbeiten und Mühen – trotz des vielen Drecks und Staubs – gelohnt haben.“

An der Nordfassade wird dieser Tage das Gerüst abgebaut. Dann kommt der neue Verputz richtig zur Geltung. Andere Seiten der Kirche müssen erst noch verputzt werden.

© Alexander Becher

An der Nordfassade wird dieser Tage das Gerüst abgebaut. Dann kommt der neue Verputz richtig zur Geltung. Andere Seiten der Kirche müssen erst noch verputzt werden.

Neben den optischen Eingriffen gibt es auch ganz praktische Veränderungen. So wird hinten über die gesamte Breite des Kirchenschiffs ein Teil für verschiedene Zwecke abgetrennt. Dort entsteht etwa ein Eltern-Kind-Raum, der nur mit einer Glaswand vom Kirchenraum abgetrennt ist. Ferner wird der Wunsch nach einer behindertengerechten Toilette verwirklicht. In der Mitte entsteht ein Windfang für den Haupteingang und etwas seitlich der Aufgang zur Empore sowie eine Technikkabine. In ihr können auf dem neuesten Stand der Technik an einem Mischpult die Lautstärke und die verschiedenen Mikrofone gesteuert werden.

Eine große Arbeitserleichterung verspricht sich Braun auch von den Hubpodesten im Übergang zum Chor. Mittels ihnen kann trotz der dortigen Treppenstufen eine relativ große Fläche auf einer Ebene erreicht werden. Und dank der verarbeiteten Gasdrucktechnik mit wenig Aufwand. Die Neuerung erspart die umständliche Lagerung und den Aufbau der bisherigen Podeste. Wozu früher zehn Mann fast zwei Stunden lang arbeiten mussten, um eine ebene Fläche zum Beispiel für das Karfreitagskonzert zu erlangen, reichen künftig zwei Kräfte und wenige Minuten. Diese Ersparnis ist besonders wertvoll, wenn der Einsatz zu „unchristlicher Zeit“ nötig ist, etwa über die Mittagszeit zwischen einem Gottesdienst und dem Nachmittagskonzert.

Ferner wird der Mesnerraum hinter die Sakristei verlegt. Er wird dadurch deutlich größer und funktionaler, nicht zuletzt durch den Einbau einer Kleinküche. Und auch die Sakristei wird aufgewertet zu einem schönen liturgischen Raum, in dem auch kleine Feiern möglich sind. Dazu werden der Boden und die Wände saniert und eine neue Heizung und Beleuchtung installiert.

Die Baukostensteigerung von einer Million Euro ist zwar „durch interne und externe Kredite abgesichert“, aber Braun verfolgt weiter das Ziel, die künftigen Generationen nicht mit weiteren Schulden zu belasten. Wie er die zusätzliche Million aufbringen möchte, ist noch unklar, „es erfordert eine gesammelte Anstrengung, diese neue Aufgabe zu schultern“. Braun: „Ich werde überall wirbeln und versuchen, alle Kanäle anzuzapfen.“

Ursprünglich sollte die Kirche zur 900-Jahr-Feier im Jahr 2016 in neuem Glanz erstrahlen. Doch als das Jubiläum gefeiert wurde, war mit der Sanierung noch nicht einmal begonnen worden. Als es dann tatsächlich mit den Arbeiten losging, hieß es, die Kirche könne im Oktober 2020 wieder genutzt werden. Inzwischen ist jedoch jedem klar, dass auch dies niemals klappt, „vor Februar 2021 wird keine Innennutzung möglich sein“, so die Einschätzung von Braun. Und auch für diesen Termin möchten die Verantwortlichen keine Garantie abgeben. Bei der Sanierung eines solch alten Gemäuers kann es laut Braun immer zu Überraschungen kommen, auch zum jetzigen Zeitpunkt der Arbeiten noch.

Die Fenster entwickelten sich jüngst zum Sorgenkind. Die Schäden an den Einfassungen des Glases waren viel größer als vermutet.

© Alexander Becher

Die Fenster entwickelten sich jüngst zum Sorgenkind. Die Schäden an den Einfassungen des Glases waren viel größer als vermutet.

Mittlerweile sind 705000 Euro an Spenden zusammengekommen

Für die Sanierung der Stiftskirche wurden bislang über 705000 Euro gespendet.

Trotz der Kostensteigerung möchte Dekan Wilfried Braun an dem vor neun Jahren ausgerufenen Spendenziel von 900000 Euro festhalten und die Zielmarke nicht erhöhen: „Der Spendeneingang ist immer noch äußerst erfreulich und ich bin froh, wenn wir die 900000 Euro erreicht haben. Ich bin allen kleinen und großen Spendern dankbar für diese Rückenstärkung. Es handelt sich jetzt schon um die größte Spendenaktion für ein Projekt, die Backnang je gesehen hat.“

Auch die ehrenamtlichen Arbeiter helfen dem Projekt ungemein. So dankt Braun zum Beispiel den Mitarbeitern der Stiftsbauhütte, die jeden Mittwochabend an dem Projekt unentgeltlich mitarbeiten. Derzeit geht es um die Aufarbeitung der Kirchenbänke. Dies geschieht in einem Gebäude von Wolfgang Kaess, der die Räumlichkeiten in der Fabrikstraße für diesen Zweck unentgeltlich zur Verfügung stellt. Auch das ist laut Braun ein deutlicher Posten der Entlastung.

Voller Hochachtung spricht Braun über die engagierten Handwerker und Baufirmen. „Es ist bei allen Kontakten spürbar, dass die Handwerker hier nicht nur Geld verdienen, sondern dass ihnen bewusst ist, dass sie an einem bedeutenden Bauwerk mitarbeiten, und dass sie mitdenken und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Keiner arbeitet nur nach Schema F, sondern alle sind mit Herzblut bei der Sache.“

Brauns Dank richtet sich auch an andere Stelle: „Ich bin auch dankbar dafür, dass es bis jetzt in eineinhalb Jahren noch zu keinem Unfall gekommen ist.“

Angesichts des großen Engagements vieler Helfer trifft es die Verantwortlichen umso schlimmer, dass Unbekannte am vergangenen Wochenende einige Kirchenfenster mutwillig zerstört haben. Die Vandalen benutzten Steine von der Baustelle und traten auch Scheiben ein. Dazu sind die Täter auf das Baugerüst gestiegen. Zum Teil ist die Schutzverglasung mit Rahmen beschädigt, zum Teil auch künstlerisch gestaltete Bleiglasfenster. Die Instandsetzung der Schäden ist sehr aufwendig und wird sich auf mehrere Tausend Euro belaufen. Sowohl die Baustelle als auch das Baugerüst wurden bereits mehrfach widerrechtlich betreten.

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Erstellt:
26. August 2020, 06:00 Uhr

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