Stallwächterparty in Berlin

Kretschmanns letzte Party wird zum Schaulaufen für die Nachfolger in spe

Am Donnerstag feierte Winfried Kretschmann seine letzte Stallwächterparty als Ministerpräsident. Dort ließ sich beobachten, wer sich wie auf seine Nachfolge vorbereitet.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) war am Donnerstag zu Gast bei der Stallwächterparty in der  Landesvertretung Baden-Württemberg.

© Jens Kalaene/dpa

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) war am Donnerstag zu Gast bei der Stallwächterparty in der Landesvertretung Baden-Württemberg.

Von Annika Grah

Ein wenig scheint man Winfried Kretschmann (Grüne) dann doch anzumerken, welche Bedeutung er solchen Veranstaltung beimisst. Kaum mehr als drei Minuten dauert die Rede, die er am Donnerstag auf der Stallwächterparty in der Landesvertretung in Berlin hält – immerhin die 60. überhaupt und seine letzte als Ministerpräsident. Gemessen an anderen Kretschmann-Reden ist es kaum mehr als ein Grußwort. Die Stallwächterparty sei einer der Höhepunkte der föderalen Feierkultur in der Bundeshauptstadt, haben ihm seine Redenschreiber ins Manuskript geschrieben. „Ich will es vielleicht sogar DER Höhepunkt nennen“, fügt er hinzu.

Bundeskanzler Merz zu Gast

Das ist nicht ganz falsch: Was 1964 in der Bonner Republik als Grillfest der Beamten begann, hat sich über die Jahrzehnte zu einem Fixpunkt in der Berliner Sommerfest-Saison entwickelt. In Baden-Württemberg sind die Einladungen immer noch heiß begehrt. Das alljährliche Fest der Landespolitik in der Bundeshauptstadt ist eine Gelegenheit, zu beobachten. Wer kann mit wem, wer wird von wem umworben? Und was sich in diesem Jahr deutlich zeigt, ist der Vorwahlkampf, der acht Monate vor der Landtagswahl im März 2026 begonnen hat. Selbst das Motto scheint dazu zu passen: „Aus Tradition in die Zukunft“.

Die Party beginnt später als geplant. Man wartet auf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der von der Ukraine-Konferenz in Rom kommt. Dass die Bundeskanzler in der Landesvertretung zu Gast sind, ist nicht ungewöhnlich, auch Angela Merkel und Olaf Scholz folgten schon der Einladung.

Hagel nimmt sich seinen Raum

Als der Kanzlertross am Tiergarten vorfährt und Merz wenig später am Biertisch gegenüber von Kretschmann Platz nimmt, darf zwischen Amtsträgern aus Bund und Ländern niemand geringerer als Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir sitzen, der aktuell gar kein offizielles Amt im Land bekleidet. CDU-Landeschef Manuel Hagel findet erst etwas abseits zwischen Vize-Generalin Christina Stumpp und ARD-Programmdirektorin Christine Strobl Platz. Doch nach der Rede von deren Ehemann, Vize-Ministerpräsident Thomas Strobl (CDU), bekommt der CDU-Spitzenkandidat eine Regieanweisung und wechselt auf den Platz zwischen Merz und den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Gut für den CDU-Landeschef. Denn Hagel weiß um die Macht der Bilder. Und für die gibt es an diesem Abend viel Publikum.

Rund 1800 Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft sind zur letzten Stallwächterparty unter Winfried Kretschmann geladen. 2026 wird sich der 77-Jährige nicht mehr zur Wahl stellen. Und man sieht allein an der Gästeliste, dass das Machtzentrum bereits dabei ist, sich zu verschieben. Die CDU stellt wieder Bundesminister. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) und Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU), die beide aus dem Südwesten stammen, tauchen in der Menge auf, die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Hendrik Wüst (beide CDU) sitzen bei Kretschmann am Tisch. Der frühere Bundesminister Robert Habeck (Grüne) fällt im Gewusel kaum auf, dabei wird er in alter Manier zu Selfies aufgefordert. Neben Politikern sind vor allem Verbands- und Wirtschaftsvertreter auf dem Fest.

Nähe zur Autoindustrie kein Aufreger mehr

Bei seiner ersten Stallwächterparty 2011 bewegte sich Kretschmann noch auf dünnem Eis. Den Titel „Automobilsommer“ hatte er von der Vorgängerregierung übernehmen müssen. Dabei befand sich der Grüne damals längst noch nicht auf dem engen Kuschelkurs zur Automobilindustrie. In Limbo zwischen der gewonnenen Landtagswahl und zu seiner Kür zum Ministerpräsidenten war er angeeckt mit dem Satz: „Wir müssen mit weniger Autos in Deutschland auskommen.“ Es folgten ernste Gespräche mit Branchenvertretern – heute sieht Kretschmann die Autoindustrie als Lebensader des Landes. Und auch, ob sich Rüstungsfirmen unter den Sponsoren der Party finden könnten, ist heutzutage kein Aufreger mehr. 2014 hatte die Unterstützung des Granatenherstellers Diehl noch heftige Debatten ausgelöst. Die Sponsoren sind wichtig, nicht nur wegen des Geldes. „Heute zeigen wir ihnen das produktive Gesicht Baden-Württembergs“, beschwört Kretschmann die alte Wirtschaftskraft des Südwestens.

Für die Spitzenkandidaten Hagel und Özdemir ist es die Gelegenheit, viele Hände zu schütteln und Selfies zu machen. Doch wer im kommenden Jahr der Gastgeber sein wird, entscheidet sich erst am 8. März 2026.

Zahlen zur Stallwächterparty

Kosten Im vergangenen Jahr kostete die Party nach Angaben der Landesregierung rund 270 000 Euro. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der Landtags-AfD hervor. Hinzu kamen demnach Geld- und Sachleistungen in Höhe von knapp 780 000 Euro, die Partner beisteuerten. Auch in diesem Jahr sind an dem Fest zahlreiche Unternehmen als Partner und Aussteller beteiligt – darunter unter anderem Automobilkonzerne, Lebensmittelhändler, Pharmaunternehmen und Banken. Er könne sich noch gut erinnern, wie Teufel alle Fraktionsvorsitzenden versammelt habe, damit sie dem stattlichen Preis zustimmen, sagte Kretschmann am Donnerstag. Aus heutiger Sicht sei das ein Schnäppchen gewesen.

CO2Die Grüne Landesvertretung kompensiert den CO2-Ausstoß, der unter anderem bei der Anreise ihrer Gäste anfällt. 2024 lag der bei 120 Tonnen CO2. Daraus ergab sich eine Kompensationszahlung von 2280 Euro.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterhält sich mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) – im Hintergrund Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir.

© Jens Kalaene/dpa

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterhält sich mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) – im Hintergrund Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir.

CDU-Landeschef nutzt den freien Platz neben Friedrich Merz, als Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Rede hält.

© Jens Kalaene/dpa

CDU-Landeschef nutzt den freien Platz neben Friedrich Merz, als Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Rede hält.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist zu Besuch, ebenso wie Hendrik Wüest.

© Jens Kalaene/dpa

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist zu Besuch, ebenso wie Hendrik Wüest.

Cem Özdemir kam in Begleitung seiner Partnerin Flavia Zaka.

© Jens Kalaene/dpa

Cem Özdemir kam in Begleitung seiner Partnerin Flavia Zaka.

Bei seiner ersten Stallwächterparty als Ministerpräsident musste Winfried Kretschmann (Grüne) das Thema „Automobilsommer“ übernehmen...

© dpa

Bei seiner ersten Stallwächterparty als Ministerpräsident musste Winfried Kretschmann (Grüne) das Thema „Automobilsommer“ übernehmen...

.. Kretschmann 2011 mit seiner Frau Gerlinde und Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD). Kurz zuvor hatte er sich Ärger eingehandelt, als er sagte: „Wir müssen mit weniger Autos auskommen.“

© dpa

.. Kretschmann 2011 mit seiner Frau Gerlinde und Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD). Kurz zuvor hatte er sich Ärger eingehandelt, als er sagte: „Wir müssen mit weniger Autos auskommen.“

2014 stellte Kretschmann mit Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD, l-r), Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) und seiner Frau Tülay sowie Gerlinde Kretschmann zur 50-Jahr-Feier der Stallwächterparty ein historisches Bild nach.

© dpa

2014 stellte Kretschmann mit Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD, l-r), Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) und seiner Frau Tülay sowie Gerlinde Kretschmann zur 50-Jahr-Feier der Stallwächterparty ein historisches Bild nach.

Ihre Anfänge nahm die inzwischen legendäre Party in den 1960er Jahren in der Bonner Republik.

© Quelle: Bundesarchiv B 145 Bild-F025420-0016 / Jens Gathmann / CC-BY-SA

Ihre Anfänge nahm die inzwischen legendäre Party in den 1960er Jahren in der Bonner Republik.

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Erstellt:
11. Juli 2025, 08:36 Uhr
Aktualisiert:
11. Juli 2025, 12:12 Uhr

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