Schiller-Brief taucht auf

Marbacherin war Au-pair bei einer Pariser Familie, die den Brief findet.

Friedrich Schiller schrieb den jetzt aufgetauchten Brief vor 231 Jahren. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Friedrich Schiller schrieb den jetzt aufgetauchten Brief vor 231 Jahren. Foto: A. Becher

Von Oliver von Schaewen

MARBACH AM NECKAR. Manche Geschichten erscheinen so fantastisch, dass sie aus der Feder eines Romanautors sein könnten. So verhält es sich auch mit einem Brief, den vor 231 Jahren kein Geringerer als das deutsche Dichtergenie Friedrich Schiller verfasste. Er sandte ihn nach Frankreich ab – und das Dokument ist dort jetzt in einem Stapel alter Papiere in einem Koffer aufgetaucht. Wirkt der Fund im Ausland nach all den Jahren schon spektakulär, so mutet die Rückführung nach Marbach, in die Geburtsstadt des Dichters, wie von langer Hand geplant an. Als Mittlerin fungiert Mechthild von Woedtke. Die 82-jährige Marbacherin absolvierte 1957 in Paris ein Jahr als Aupair-Mädchen. Die damals 18-Jährige kümmerte sich um vier Kinder der Familie Dorget. Ihr Lieblingszögling, der damals zehnjährige Eric, war es auch, der den alten Koffer der verstorbenen Eltern sichtete und den Schiller-Brief mithilfe seiner ehemaligen jungen Erzieherin zuordnen konnte.

Bei dem Brief handelt es sich um einen Teil der Korrespondenz, die Friedrich Schiller mit seinem früheren Kameraden von der Stuttgarter Karlsschule, Wilhelm von Wolzogen, führte. Der Freund hielt sich im Jahr 1790 im Auftrag des württembergischen Herzogs Carl Eugen in Paris auf und bekam die Wirren der Französischen Revolution mit. Schiller selbst, im Jahr 1792 wegen seines Sturmund-Drang-Dramas „Die Räuber“ vom französischen Parlament zum Ehrenbürger ernannt, wandte sich wegen der Gräuel der Revolutionäre ab. Im Brief an Wolzogen ging es vor allem um dessen persönliche Situation. Schiller hielt den Freund an, im Dienst für den Herzog durchzuhalten, bis er eine bessere Stelle in Aussicht habe, um zu wechseln. Wie dieser Brief im Laufe der Jahre in den Besitz der Dorgets kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. „Die Familie war literarisch interessiert“, erinnert Woedtke sich. „Ich glaube aber nicht, dass sie wusste, dass sie einen Brief von Schiller in ihrem Besitz hatte.“ Die Rücksprache Eric Dorgets mit Woedtke sicherte dann dem Deutschen Literaturarchiv (DLA) in Marbach den Erwerb.

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Erstellt:
12. Mai 2021, 16:00 Uhr

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