Schillerplatz diente einst als Viehmarkt

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die ursprüngliche Büste des Dichters Friedrich Schiller auf der Freifläche mit ihrer charakteristischen Dreiecksform wurde im Jahr 1986 mutwillig zerstört und drei Jahre später durch eine andere ersetzt.

Die Ansichtskarte vom neu angelegten Schillerplatz wurde 1908 abgestempelt. Repros: P. Wolf

Die Ansichtskarte vom neu angelegten Schillerplatz wurde 1908 abgestempelt. Repros: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Im 19. Jahrhundert lag der heutige Schillerplatz noch außerhalb der geschlossenen Bebauung der Stadt. Die drei angrenzenden Straßen hatten der Freifläche die charakteristische Dreiecksform verliehen. Wechselnden Privateigentümern diente das Grundstück als Gras- und Baumgarten. 1827 kaufte die Stadt den Platz und nutzte ihn als Viehmarkt. Auch die Backnanger Turner hielten dort bis 1878 Übungen ab, heißt es in Helmut Bomms Buch „Was Straßenschilder erzählen“. Zudem benutzten Hausfrauen die Fläche als Wäscheplatz.

Im Jahr 1905 fanden in Backnang Feierlichkeiten anlässlich des 100. Todestags von Friedrich Schiller statt. Kurzfristig vor der Feier erhielt die Stadt die Mitteilung, dass ein Backnanger Bürger eine Schillerbüste stiftete. Bomm hat für sein 1986 erschienenes Büchlein die Artikel im Murrtal-Boten, dem Vorläufer der Backnanger Kreiszeitung, recherchiert. Am 2. Mai 1905 hieß es, dass „ein ungenannt sein wollender Bürger der Stadt die Dannecker’sche Schillerbüste, wie sie Sei. Mayestät der König der amerikanischen Bostoner Universität zum Geschenke gemacht hat, mit Sandsteinsockel der Stadt Backnang schenkt“. Weiter hieß es in der Meldung, dass das Denkmal auf dem bisherigen Viehmarkt aufgestellt werde, der als künftiger Schillerplatz entsprechend ausgebaut werden solle. In einem anderen Artikel war zu lesen, dass die Büste, ein Bronzeguss, in Geislingen an der Steige hergestellt worden sei.

„Was mich aber besonders frappierte, war der Originalausguss von Ihrer Büste.“

Über die Qualität der Schillerbüste von Johann Heinrich Dannecker gibt es laut Bomm einen guten Zeugen. Demnach habe Goethe 1797 auf seiner Reise durch Schwaben auch das Studio von Dannecker besuchte und schrieb darüber an seinen Freund Schiller: „Was mich aber besonders frappierte, war der Originalausguss von Ihrer Büste, der eine solche Wahrheit und Ausführlichkeit hat, dass er wirklich Erstaunen erregt. Der Ausguss, den Sie besitzen, lässt diese Arbeit wirklich nicht ahnden. Der Marmor ist darnach angelegt, und wenn die Ausführung so gerät, so gibt es ein sehr bedeutendes Bild.“

In Bomms Büchlein ist zu lesen: „Fast wäre Backnang die Geburtsstadt des berühmten Dichters.“ Zweimal habe sich Friedrich Schillers Vater in Backnang aufgehalten. Der in Bittenfeld geborene Johann Kaspar Schiller erlernte die „Wund- und Arzneikunst“ und kam 1741 in „Condition“ zu dem Backnanger Barbier und Wundarzt Martin Scheffler, wo er ein Jahr blieb, hat Bomm recherchiert. Später lernte er beim Besuch seiner in Marbach am Neckar verheirateten Schwester die Wirtstochter Elisabeth Dorothea Kodweiß kennen, die er 1749 heiratete. Als Feldchirurg trat er in die Dienste des Herzogs Karl Eugen ein.

Im Jahr 1759 habe ihn seine Frau, hochschwanger, im Feldlager in Backnang besucht. Sie blieb aber nur eine Nacht, da ihr Mann Dienst tun musste, und kehrte zurück nach Marbach. Am 10. November 1759 wurde Friedrich Schiller geboren. Es hätte also nicht viel gefehlt und Schiller wäre ein gebürtiger Backnanger geworden, heißt es in dieser Anekdote, die immer wieder gerne, mit einem Augenzwinkern, auch heute noch von Vertretern der Stadt erzählt wird.

Am 10. Mai 1905 wurde die Schillerbüste auf dem Backnanger Viehmarkt präsentiert. Der anonyme Spender der Dannecker’schen Büste war übrigens der Fabrikant Eugen Adolff, der 1911 zum Backnanger Ehrenbürger ernannt wurde. Vereine und Bevölkerung zogen im Festzug zum Platz, um ihn feierlich zum Schillerplatz zu erklären und zu weihen. „Ein ragend Wahrzeichen, möge es noch späten Geschlechtern kündigen, wie im Jahre 1905 die Bürger dem Genius Schiller gehuldigt“, schrieb der Murrtal-Bote. Wegen der Kürze der Zeit war es nicht möglich gewesen, den Viehmarktplatz in einen würdigeren Rahmen zu bringen, so Bomm. In diesem Zusammenhang zitiert er das „Backnanger Lied“, das Reichsbahnrat Hermann Sinn 1906 in der Restauration Friedenslinde auf die Melodie von „Auf em Wasa graset d’ Hasa“ textete: „Onser großer Dichter Schiller wird net schlecht verwondert sei, daß mer em hot’s Denkmal g’setzet mitta en da Kiahdreck nei!“

Jürgen Reusch stiftete eine Schillerbüste aus dem Schloss Katharinenhof.

Eine Ansichtskarte aus Peter Wolfs Archiv, die 1908 abgestempelt ist, zeigt den Schillerplatz, der 1906 fertiggestellt wurde. Der dreieckige Park ist eingezäunt und Bänke laden zum Verweilen ein. Die Schillerbüste wurde zum beliebten Fotomotiv. Auf einer Aufnahme von 1913 etwa haben sich Herren für ein Foto aufgestellt. Es ist beschriftet mit: „Verbandstag Bezirksverein Königreich Württemberg im Deutschen Fleischerverband.“

1929 wurde der Schillerplatz mit Pollern und Ketten eingefriedet. Nach der mutwilligen Zerstörung der ursprünglichen Büste mit Hammerschlägen 1986 stiftete Jürgen Reusch drei Jahre später eine Schillerbüste aus dem Schloss Katharinenhof, die heute auf dem Schillerplatz zu sehen ist. Seit 1987 befindet sich auch die weibliche Steinskulptur „La Distance“ von Reiner Anwander auf dem Schillerplatz, die im Rahmen eines Backnanger Bildhauersymposiums entstanden ist.

Die ursprüngliche Büste wurde im Jahr 1986 mutwillig zerstört und drei Jahre später durch eine andere ersetzt.

Die ursprüngliche Büste wurde im Jahr 1986 mutwillig zerstört und drei Jahre später durch eine andere ersetzt.

Zu einem Gruppenfoto haben sich 1913 vor der ersten Schillerbüste Mitglieder des Deutschen Fleischerverbands aufgestellt.

Zu einem Gruppenfoto haben sich 1913 vor der ersten Schillerbüste Mitglieder des Deutschen Fleischerverbands aufgestellt.

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Erstellt:
21. Oktober 2020, 11:30 Uhr

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