Umschlag mit Papier statt Million: Ein filmreifer Diebstahl

dpa/lsw Stuttgart. Er soll einer Firma mit einem dreisten Trick eine Million Euro abgenommen haben. Bei dem Prozessauftakt zu einem aufsehenerregenden Kriminalfall am Stuttgarter Landgericht gesteht der Angeklagte die Tat. Doch wie ein dreister Gauner präsentiert sich der Mann nicht.

Der Eingang des Landgerichts. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Eingang des Landgerichts. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ein Geschäft in Höhe von 15 Millionen Euro, mehrere Treffen mit einer fiktiven Firma aus Hongkong und ein vermeintlicher ehemaliger Schweizer Banker: Das ist der Stoff eines filmreifen Falls, der seit Donnerstag vor dem Stuttgarter Landgericht verhandelt wird. Der 63 Jahre alte Angeklagte hat am ersten Prozesstag gestanden, bei einem Treffen in einer Stuttgarter Bank Mitarbeitern einer Straßenbaufirma einen Umschlag mit Papierschnipseln untergejubelt zu haben - und mit einer Million Euro verschwunden zu sein.

Wer jedoch einen abgebrühten Gauner hinter der Tat erwartete, wurde eines Besseren belehrt: Seinen Rechtsanwalt ließ der gelernte Baustellenleiter verlesen, dass es ihm leid tue und er die Tat bereue. Als er vom Richter zu seinem Familienstand gefragt wurde, begann er zu weinen. 2010 sei die Ehefrau an einem Herzinfarkt gestorben, trug der Anwalt vor. Spielsucht und Schulden hätten den Witwer aus der rumänischen Hauptstadt Bukarest zu der Tat gebracht, als ihm ein deutscher Freund, ein Betreiber von Spielotheken, von den Plänen berichtet habe.

Am 18. März 2016 soll sich der 63-Jährige in einer Stuttgarter Bank als pensionierter Banker aus der Schweiz ausgegeben haben - den Anzug habe der deutsche Freund bezahlt.

Ein anderer mutmaßlicher Mittäter hatte sich den Ermittlungen zufolge bei einer Firma für Verkehrstechnik aus Gaggenau (Rastatt) zuvor als Geschäftsmann vorgestellt und den 63-Jährigen als vermeintlichen unabhängigen Geldprüfer beauftragt. Den Mittäter kannte der Angeklagte nach eigenen Angaben kaum. Dieser hatte sich der Staatsanwaltschaft zufolge als Mitarbeiter einer Firma aus Hongkong ausgegeben und die badische Firma bei Treffen in London und Brüssel um den Finger gewickelt. Bei dem bevorstehenden Geschäft der Straßenbaufirma ging es um einen Betrag von 15 Millionen Euro für den Kauf von 300 000 Warnbaken - eine Million Euro sollte der mutmaßliche Mittäter als Provision bekommen.

Laut Staatsanwältin traf sich der 63-jährige Angeklagte mit zwei Mitarbeitern der Firma in einer Stuttgarter Bank, um die Provision zu überprüfen. Er habe angegeben, nachsehen zu wollen, ob das Geld in einen größeren Umschlag passt, und die Summe in 500-Euro-Scheinen hineingepackt. Dann nutzte der Mann einen „unbeobachteten Moment“, wie der Rechtsanwalt für seinen Mandanten vortrug. Statt das Geld zurückzugeben, legte er den Umschlag heimlich in seinen Koffer und übergab den Mitarbeitern einen identisch aussehenden Umschlag, der aber mit Papier statt mit Geld gefüllt war. Das Papier landete anstelle der Million im Tresor.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann besonders schweren Diebstahl vor. Doch entgegen der Anklage habe er für den Trickdiebstahl nur 10 000 statt der vorgeworfenen 400 000 Euro Anteil erhalten, sagte der Rechtsanwalt. Der deutsche Freund habe sich den größten Teil der Beute unter den Nagel gerissen, ist der Angeklagte überzeugt. Nach der Tat sei der 63-Jährige damals nach Rumänien zurückgekehrt, ehe er im Juni dieses Jahres dort verhaftet wurde.

Am 29. September sollte der Prozess weitergehen. Zunächst waren drei weitere Verhandlungen vorgesehen, ein Urteil dürfte Anfang Oktober fallen.

Viele Eurobanknoten liegen in einem Briefumschlag. Foto: Patrick Pleul/zb/dpa/Symbolbild

Viele Eurobanknoten liegen in einem Briefumschlag. Foto: Patrick Pleul/zb/dpa/Symbolbild

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Erstellt:
10. September 2020, 01:37 Uhr

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