Schröder und die Rolle rückwärts

Während die SPD ihr Heil in der Grundrente sucht, erinnert sie der Altkanzler an Sigmar Gabriel

Rausgehauen – so sagt man wohl, wenn einer wie Gerhard Schröder im Spätherbst seines politischen Wahrgenommenwerdens noch mal mitmischen will und dabei rustikale Sätze raushaut, von denen man so recht nicht weiß, was das Ganze soll oder wohin es führen soll. Oder besser gefragt: Wer steckt noch so alles dahinter?

Es ist mehr die Wortwahl, die Schröders Altmänner-Attacke auf Andrea Nahles maßvoll interessant macht. Die Aufhorchen lässt, weil es dem Ex-Kanzler und Ex-Vorsitzenden schon genügt, die in der Tat reichlich blöd klingende „Bätschi“-Eruption der jetzigen SPD-Chefin von vor mehr als einem Jahr zum Anlass zu nehmen, ihr einen ansonsten eher im Unbestimmten wabernden „Amateurfehler“-Vorwurf hinterherzuschleudern. Dass die Umfragewerte der SPD im Bund in den 15-Prozent-Beton gegossen zu sein scheinen, dass die nächsten vier Landtagswahlen – drei davon in der sozialdemokratischen Ost-Diaspora – wohl wieder mal kein Grund für eine Wende zum Besseren sein dürften, dass bei der Europawahl am 26. Mai eine Halbierung des Ergebnisses von 2014 droht – all das ist nichts Neues. Die Ursachen dafür lässt Schröder aber links liegen. Auch er sieht da offensichtlich kein Licht am Ende des Tunnels.

Stattdessen verlässt sich der bald 75-Jährige im Interviewplauderton auf das, worauf er sich versteht, wenn es um sozialdemokratische Krisenbefindlichkeiten geht: auf den tiefen Griff in die Mottenkiste. Schröder versucht eine Personaldebatte anzuzetteln, die zum einen der erfolg- und perspektivarmen Nahles schaden und zum anderen seinen alten Kumpel Sigmar Gabriel in Erinnerung bringen soll – weil es Nahles für eine Kanzlerkandidatur an der nötigen Wirtschaftskompetenz fehle. Ginge es nach Schröder, müsste Gabriel – immerhin noch ab und zu im Bundestag gesehen – den Merz der SPD machen. Dass selbst bei der hin- und her­gerissenen CDU solche Planspielchen von außen und früher nicht mehr funktionieren, diese Erkenntnis glaubt der Neu­anfang- Altkanzler vernachlässigen zu können.

Klar, dass es in Windeseile weitaus mehr Rückendeckung für Nahles gibt als Zuspruch für Schröder. In der SPD weiß man nur zu genau: Mit der Nahles-Wahl hat die Partei vorerst ihr letztes Pulver verschossen. Jeder, jede andere in ihrer Nachfolge stünde zurzeit fürs Abwickeln statt fürs Aufbäumen. Und von einer Kanzlerkandidatur träumt in der SPD erst recht niemand. Nicht mal Olaf Scholz. Gabriel wirkte da nur wie ein altcharismatischer Übungsleiter, der seine selbst dem Mittelfeld entrückte Truppe vor dem Abstieg retten soll. Als Maximalziel.

Da wundert es nicht, dass der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister umgehend versucht, mit seinem schwarz-roten milliardenschweren Vorstoß für eine Grundrente von etwa 900 Euro inhaltlich Schlagzeilen zu machen und damit drei bis vier Millionen Menschen zu erreichen, die trotz eines fleißigen, aber schlecht bezahlten Arbeitslebens als Rentner finanziell auf der Strecke zu bleiben drohen. Was löblich ist, wird dennoch nicht nur für Hubertus Heil zum Problem. Die Euro-Milliarden sollen aus Steuermitteln aufgebracht werden wie andere soziale Mehrkosten oder der Kohleausstieg. Dazu langt vor allem die SPD gern mit vollen Händen in die Steuerkasse, deren Überschüsse in der langsam auslaufenden fetten Konjunktur nicht mal tropfenweise an die leistungstragende breite Mittelschicht zurückgegeben wurden.

Schröder kann eine Grundrente egal sein. Bei ihm rollt der Rubel. Als Nachweis einer sehr speziellen Wirtschaftskompetenz.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de

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Erstellt:
5. Februar 2019, 10:45 Uhr

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