„Schule muss Lebenskompetenz vermitteln“

Der neue Leiter der Max-Eyth-Realschule in Backnang ist kein Unbekannter – Timm Ruckaberle ist dort seit zehn Jahren Lehrer. Seit 2014 war er stellvertretender Schulleiter und dann Konrektor. Nun tritt der 36-Jährige in die Fußstapfen von Heinz Harter, der in den Ruhestand gegangen ist.

Für Timm Ruckaberle ist eine pädagogische Qualifizierung unerlässlich, um den Lehrerberuf gut machen zu können. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Für Timm Ruckaberle ist eine pädagogische Qualifizierung unerlässlich, um den Lehrerberuf gut machen zu können. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Timm Ruckaberle hat sich als Schüler auch vorstellen können, später einmal in den kirchlichen hauptamtlichen Dienst zu gehen, „eher so die Richtung Jugendreferent und Diakon“, hat sich dann aber bewusst, wie er betont, dagegen entschieden. Zwei Beweggründe seien damals ausschlaggebend gewesen: „Ich wollte immer auch fachliche Dinge dazu haben, also nicht nur junge Menschen pädagogisch begleiten.“ Er habe Chemie, Englisch und evangelische Religion studiert und wollte Inhalte dieser Fächer auch weitergeben. „Und ich wollte letztlich nicht nur einen bestimmten Teil junger Menschen erreichen, sondern mit ihnen grundsätzlich unterwegs sein. Und da, wo alle Kinder und Jugendlichen unterwegs sind, ist nun mal die Schule.“ Seine Entscheidung hat er auch nie bereut, sagt der Pädagoge lachend.

Stets sei es ihm immer wichtig gewesen, bei seinen Schülern zunächst den Menschen zu sehen. „Das Fachliche kommt danach. Das ist auch wichtig, aber nicht ausschlaggebend.“ Für ihn habe der pädagogische Anteil am Beruf der Lehrer und Lehrerinnen eine immense Bedeutung, die in den vergangenen zehn Jahren noch zugenommen habe. Ihn schrecke das nicht zurück, denn er komme aus der Pädagogik. „Ich glaube, man kann nicht lernen, wenn man sich nicht gesund entwickelt als junger Mensch“, ist Ruckaberle überzeugt. „Da ist Deutsch, Mathe und Englisch zwar wichtig, aber die Persönlichkeitsbildung schafft die Grundlage.“ Für den Schulleiter kommt dieser Aspekt bei der Ausbildung der Lehrkräfte momentan zu kurz. Aus diesem Grund freut er sich über seine außerschulische Jugendarbeitserfahrung. Da habe er selbst viel gelernt im Umgang mit Kindern und Jugendlichen.

Eine pädagogische Qualifizierung sei aus Sicht des 36-Jährigen unerlässlich, um den Lehrerberuf gut machen zu können. „Um ihn für die Schüler gut machen zu können und ihn gesund machen zu können für die Person selber“, fügt er an. Die Verantwortung, die man als Lehrer hat, hält er für so groß, dass es mit Learning by Doing nicht getan ist, nach dem Motto: Jetzt probier ich’s mal, das wird sich schon irgendwie finden, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgeht. Der neue Schulleiter ist froh, wie er sagt, dieses Personal an der Max-Eyth-Realschule zu haben, auf das er jetzt zählen kann. Die 55 Lehrerinnen und Lehrer würden alle professionell arbeiten. Aber er weist auf ein grundsätzliches Problem hin, dass nämlich die Coronapandemie den Einsatz für manche Lehrkräfte im Klassenzimmer zusätzlich erschwert hat.

Stichwort Corona: Zurückblickend auf die vergangenen knapp zwei Jahre hat Ruckaberle festgestellt, dass sich die direkte Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule intensiv und gut entwickelt hat und im Bereich der Digitalisierung an Schulen im Land habe sich auch viel getan, was auch notwendig gewesen sei. Aber: „Was auch deutlich wurde über die zwei Jahre ist, dass Präsenzunterricht und das tatsächliche Zusammensein in der Schule durch nichts zu ersetzen ist.“ Für einen jungen Menschen sei es einfach wichtig, zum Lernen in die Schule zu gehen, sowohl aus fachlicher wie aus überfachlicher Sicht. Viel zu kurz, wenn überhaupt, seien während der Pandemie die außerunterrichtlichen Dinge gekommen, wie Schullandheime, Klassenfahrten und Freizeiten wie Schulchor. „Das fehlt ihnen und das kommt auch nicht mehr zurück.“

Ruckaberle beobachtet mit Sorge, dass die Schülerschaft in den vergangenen zehn Jahren viel heterogener geworden ist, und zwar bezogen auf die Leistung, aber auch auf das, was die Kinder an Vorerfahrungen mitbringen würden. Da gebe es Jungen und Mädchen, die außerhalb ihres familiären Systems gar nichts erleben würden, und andere, die gleich in mehreren Vereinen aktiv seien. „Und die Spanne geht weiter auseinander“, sagt der Pädagoge. Das merke man auch an der Sozialkompetenz.

Auf Wünsche und Pläne angesprochen sagt Ruckaberle: „Was uns in der Schule beschäftigen muss, ist: Wie bereiten wir jetzt und in den nächsten Jahren Kinder auf ihre Zukunft vor. Das heißt, wir müssen Schule weiter denken, weg von einer Institution der Wissensvermittlung, hin zu einer Institution, die Lebenskompetenz vermittelt.“

Timm Ruckaberle,
ist sehr gern Lehrer und Vollblutpädagoge „Präsenzunterricht und das tatsächliche Zusammensein in der Schule ist durch nichts zu ersetzen.“
Timm Ruckaberle

Ausbildung Timm Ruckaberle wurde am 7. November 1984 in Herrenberg geboren, ist dort aufgewachsen und bis zum Abitur zur Schule gegangen. Es folgte ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich der Jugendarbeit beim evangelischen Jugendwerk in Württemberg in Stuttgart und im Freizeitzentrum in Aulendorf. Anschließend, von 2005 bis 2009, Lehramtsstudium an der pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.

Stationen Sein Referendariat hat Ruckaberle in Herrenberg absolviert. Seit Sommer 2011 unterricht er an der Max-Eyth-Realschule, wurde 2014 stellvertretender Schulleiter und dann Konrektor und ist seit 1. August dieses Jahres Schulleiter.

Privates Der 36-Jährige wohnt zusammen mit seiner Frau, die er 2011 geheiratet hat, und den beiden Kindern, einer zweieinhalbjährigen Tochter und einem vier Monate alten Jungen, in Kirchberg an der Murr.

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Erstellt:
9. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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