Schulwege in Backnang sollen sicherer werden

In einem Pilotprojekt untersucht die Stadt Backnang, wie sie die Verkehrssituation rund um die Mörikeschule und die Schickhardt-Realschule verbessern kann. Ziel ist es, den Anteil der Kinder zu reduzieren, die mit dem „Elterntaxi“ zur Schule kommen.

Viele Autos, schmale Geh- und Radwege und eine schwierige Topografie: Die Verkehrssituation in der Aspacher Straße macht manchen Eltern Sorgen. Deshalb fahren sie ihre Kinder täglich mit dem Auto bis vors Schultor. Foto: Alexander Becher

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Viele Autos, schmale Geh- und Radwege und eine schwierige Topografie: Die Verkehrssituation in der Aspacher Straße macht manchen Eltern Sorgen. Deshalb fahren sie ihre Kinder täglich mit dem Auto bis vors Schultor. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Morgens um halb acht spielen sich rund um den Campus der Mörikeschule und der Schickhardt-Realschule chaotische Szenen ab. Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen, halten zum Teil mitten auf der Straße, andere Autofahrer schlängeln sich vorbei und dazwischen überqueren Kinder zu Fuß und auf Fahrrädern die Straße. Wenn Karin Moll das beobachtet, wird ihr angst und bange. „Es herrscht ein Kreuz-und-quer-Verkehr“, sagt die Rektorin der Mörikeschule und sorgt sich um die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler.

Eine Umfrage an der Backnanger Gemeinschaftsschule hatte ergeben, dass jedes vierte Kind regelmäßig mit dem Auto zur Schule gebracht wird. Das ist ein sehr hoher Anteil, den Stadt und Schulleitung gerne senken würden. Deshalb ist der Campus an der Aspacher Straße auch der erste, für den die Stadt ein neues Schulwegekonzept erarbeiten möchte. Unterstützt werden die Stadtplaner dabei vom Fachbüro Mobilitätslösung aus Darmstadt. Projektleiterin Katalin Saary lud vergangene Woche Vertreter beider Schulen zu einem Workshop ein. Auch Vertreter von Eltern und Schülerschaft waren mit dabei.

Zunächst ging es um die Frage, warum so viele Schüler das sogenannte Elterntaxi nutzen. Ein Hauptgrund seien Sicherheitsbedenken, weiß Saary. Viele Eltern halten die stark befahrene Aspacher Straße für zu gefährlich, um ihre Kinder alleine zu Fuß oder mit dem Fahrrad dorthin zu lassen. Was sie dabei vergessen: Jeder, der sein Kind mit dem Auto bis vors Schultor fährt, verschärft dieses Problem noch.

Nicht alle Vorschläge kosten viel Geld

Allerdings sind die Ängste der Eltern zum Teil durchaus berechtigt. Bei einer Ortsbegehung haben die Workshopteilnehmer die wichtigsten Schulwege gezielt nach Schwachpunkten abgesucht und einige gefunden. Mit Klötzchen haben sie diese auf einem großen Stadtplan markiert. So gibt es zum Beispiel in der Aspacher Straße nur bergauf einen durchgehenden Radschutzstreifen, die Gehwege sind an manchen Stellen zu schmal und an der Ampel vor der Schule müssen Fußgänger lange warten, bis sie Grün bekommen.

Die Stadt sei bereit, hier nachzubessern, versprach Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts. Er würde auch gerne eine sogenannte Kiss-and-ride-Zone einrichten, wo die Eltern in einiger Entfernung zur Schule mit ihren Autos kurz anhalten und den Nachwuchs absetzen können, ohne dabei andere Verkehrsteilnehmer zu behindern oder gar zu gefährden.

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Für breitere Rad- und Fußwege wäre Großmann sogar bereit, den einen oder anderen Parkplatz am Straßenrand zu opfern. Das fordert auch Katalin Saary: „Wer am Straßenrand parkt, nutzt privat eine Fläche, die eigentlich der Allgemeinheit gehört“, sagt die Mobilitätsexpertin. Allerdings weiß sie auch, dass Parkplätze in deutschen Städten eine „heilige Kuh“ sind.

Mit Klötzchen haben die Workshopteilnehmer auf der Karte Schwachstellen markiert. Gemeinsam mit Projektleiterin Katalin Saary entwickeln sie mögliche Lösungen. Foto: K. Fritz

Mit Klötzchen haben die Workshopteilnehmer auf der Karte Schwachstellen markiert. Gemeinsam mit Projektleiterin Katalin Saary entwickeln sie mögliche Lösungen. Foto: K. Fritz

Doch nicht für jede Verbesserung müssen gleich Bauarbeiter anrücken. Manchmal reicht es vielleicht schon, eine Hecke zurückzuschneiden, die den Kindern die Sicht versperrt, oder eine dunkle Ecke besser zu beleuchten. Maria-Teresa Vizziello hofft zudem auf Verbesserungen bei den Busverbindungen. „Der Fahrplan ist bei uns nur auf die erste Stunde ausgerichtet“, beklagt die Rektorin der Schickhardt-Realschule. Wer erst später Unterricht habe, müsse oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Mit zusätzlichen Bussen ließe sich aus ihrer Sicht der Anteil der ÖPNV-Nutzer erhöhen.

Aber auch die Schulen selbst können dazu beitragen, dass weniger Kinder mit dem Elterntaxi kommen. „Mobilitätserziehung“ ist dabei das Stichwort. Dazu gehört für Katalin Saary nicht nur die Radfahrausbildung in der 4. Klasse, sondern auch, dass die Kinder den schnellsten und sichersten Fuß- oder Radweg zu ihrer Schule überhaupt kennen oder wissen, wie man ein Busticket löst. Auch regelmäßige Aktionen wie „Stadtradeln“ oder „Zu Fuß zur Schule“ können Kinder zum Umsteigen motivieren. Die Anregungen und Ideen aus dem Workshop werden nun zunächst innerhalb der Stadtverwaltung diskutiert. Am Ende soll dann ein schriftliches Konzept mit konkreten Verbesserungsvorschlägen stehen, das Tobias Großmann noch vor den Sommerferien im Gemeinderat vorstellen möchte.

Der muss dann auch entscheiden, was davon umgesetzt wird und in welcher Reihenfolge. „Wir wollen nicht alles auf links drehen, sondern Schritt für Schritt vorgehen“, betont Großmann. Um Kosten zu sparen, sollen bauliche Veränderungen möglichst mit ohnehin geplanten Baustellen kombiniert werden.

Wenn das Schulwegekonzept für den Campus Mörikeschule/Schickhardt-Realschule fertig ist, soll das Projekt an anderen Backnanger Schulen weitergehen. Als Nächstes hat Tobias Großmann dabei die Schulkomplexe in der Taus und auf der Maubacher Höhe sowie den Campus von Schillerschule und Pestalozzischule in der Innenstadt im Blick.

Programm „Movers“

Förderung Das Land Baden-Württemberg hat 2022 die Aktion „Movers – aktiv zur Schule“ gestartet. Sie unterstützt damit Schulen und Kommunen, die sich dafür einsetzen, dass mehr Kinder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule kommen. Mobilitätsberaterinnen und -berater kommen an die Schulen und entwickeln mit den Beteiligten vor Ort Ideen und Verbesserungsvorschläge.

Ziele „Unser Ziel ist es, die Anzahl der Elterntaxis bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu reduzieren“, erklärt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die Anzahl der Schulwegunfälle soll im selben Zeitraum um 30 Prozent gesenkt werden. Weitere Informationen zum Programm gibt es online unter www.movers-bw.de.

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Erstellt:
13. Mai 2024, 06:00 Uhr

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