Schwarzer Jogger von Weißen erschossen

dpa Washington. Es sollte kein „Todesurteil“ sein, als Schwarzer Sport zu betreiben, kritisiert US-Senatorin Harris. Genau das scheint einem 25-Jährigen in Georgia aber widerfahren zu sein - schon vor Wochen. Erst ein verstörendes Handy-Video bringt die Ermittlungen nun in Gang.

Brunswick im US-Bundesstaat Georgia: Demonstranten fordern im Fall des Todes von Ahmaud Arbery Antworten der Justiz. Foto: Bobby Haven/The Brunswick News via AP/dpa

Brunswick im US-Bundesstaat Georgia: Demonstranten fordern im Fall des Todes von Ahmaud Arbery Antworten der Justiz. Foto: Bobby Haven/The Brunswick News via AP/dpa

Ahmaud Arbery wollte nur joggen gehen - dann wurde der 25-jährige Schwarze von mindestens zwei Weißen in einem Pritschenwagen verfolgt, gestoppt und erschossen.

Der Fall vom 23. Februar in Brunswick im US-Bundesstaat Georgia hat für Empörung gesorgt. Besondere Brisanz gewinnt er nun durch die Veröffentlichung eines Handy-Videos, das die Tat zeigen soll. Georgias Kriminalamt GBI teilte mit, Staatsanwalt Tom Durden habe die Behörde beauftragt, den Tod Arberys zu untersuchen. Gouverneur Brian Kemp schrieb auf Twitter, die Menschen in Georgia verdienten Antworten. Auch US-Präsident Donald Trump schaltete sich ein.

Arbery wird in Medienberichten als Athlet beschrieben, der regelmäßig trainierte. Die vom Anwalt seiner Familie, Lee Merritt, auf Twitter verbreitete Aufnahme zeigt, wie ein Jogger auf einen stehenden Pick-up zuläuft. Als dieser um das Fahrzeug herumläuft, wird er in ein Handgemenge mit einem Mann mit einem Gewehr verwickelt. Ein weiterer Mann auf der Ladefläche scheint zugleich eine Handfeuerwaffe in Anschlag zu bringen. Schüsse sind zu hören.

Der 28-Sekunden-Clip ist aus einem Fahrzeug aufgenommen, das sich der Szene nähert und schließlich selbst zum Stehen kommt. Die Aufnahme ist verwackelt. Die Kamera schwankt zwischendurch hin und her.

Der Aussage eines Verdächtigen im Polizeibericht zufolge brach Arbery nach den Schüssen auf der Straße zusammen. Merritt nannte die Täter „Rassisten“.

Nach US-Medienberichten handelt es sich bei den Verdächtigen um einen früheren Polizisten (64) und dessen Sohn (34). Nach dem von der „New York Times“ veröffentlichten Polizeibericht sagte der Vater aus, der Jogger habe einem Einbrecher ähnlich gesehen, der zuvor auf Videokameras in der Nachbarschaft aufgenommen worden sei. Er habe daraufhin seinen Sohn gerufen, beide hätten sich bewaffnet. Sie seien Arbery in ihrem Pick-up hinterhergefahren und hätten ihm zugerufen, sie wollten mit ihm sprechen. Dann hätten sie angehalten.

Im Polizeibericht heißt es, der Sohn sei mit seinem Gewehr ausgestiegen. Der Vater habe angegeben, Arbery habe den Sohn dann angegriffen, es sei zu einem Kampf ums Gewehr gekommen. Der Sohn habe zweimal geschossen. Arbery sei an den Verletzungen gestorben. Opfer-Anwalt Merritt warf den Verdächtigen in einer Mitteilung „Mord“ vor: „Arbery hatte kein Verbrechen begangen und es gab keinen Grund für diese Männer zu glauben, dass sie das Recht hätten, ihn mit Waffen zu stoppen oder tödliche Gewalt anzuwenden.“

Der Anwalt forderte, die Verdächtigen müssten bis zur Anklageerhebung in Untersuchungshaft genommen werden. Zwar habe Staatsanwalt Durden angekündigt, den Fall vor ein Geschworenengericht zu bringen. Wegen der Corona-Pandemie sei die Zusammenkunft von Geschworenengerichten derzeit aber ausgesetzt. Georgias Generalstaatsanwalt Chris Carr zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ von dem Video. Die prominente Demokratin Stacey Abrams aus Georgia, eine Hoffnungsträgerin der Partei, nannte den Fall beunruhigend und forderte in einem Tweet umfassende Ermittlungen und eine unvoreingenommene Strafverfolgung.

Anwalt Merritt sprach am Mittwoch (Ortszeit) von drei Verdächtigen. Der Vater, der Sohn und ein dritter Verdächtiger „jagten und töteten“ Arbery, „weil sie Rassisten sind“, schrieb er auf Twitter. Sie sollten im Gefängnis sitzen - mit lebenslangen Haftstrafen ohne Aussicht auf Bewährung. In US-Medienberichten war nur von zwei Verdächtigen die Rede: dem Ex-Polizisten und seinem Sohn.

Der Fall sorgte auch in der US-Hauptstadt Washington für Aufruhr. Trump sagte am Donnerstagnachmittag (Ortszeit), er werde noch am Abend einen Bericht zu dem Fall bekommen. Das Video habe er nicht gesehen, sagte Trump auf Nachfrage. Er betonte aber, dies sei eine „sehr traurige Sache“ und sprach den Angehörigen des Mannes sein Mitgefühl aus.

US-Senatorin Kamala Harris - eine von nur zwei schwarzen Senatoren in der Parlamentskammer - teilte mit, das Video mache sie „krank bis ins Mark“. Sie schrieb auf Twitter: „Es sollte kein Todesurteil sein, als Schwarzer Sport zu betreiben.“ Der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte den Vorfall „herzzerreißend und widerwärtig“. Arberys Familie habe Gerechtigkeit verdient. „Es muss eine vollständige, unparteiische und schnelle Untersuchung geben.“

Auch Prominente wie Basketball-Superstar LeBron James äußerten sich schockiert. „Wir werden JEDEN TAG/JEDES MAL buchstäblich gejagt, wenn wir unsere eigenen vier Wände verlassen! Können nicht mal joggen gehen“, schrieb der Profi der Los Angeles Lakers am Mittwochabend (Ortszeit) zu einem Bild Arberys auf Instagram. „Was zum Teufel, Mann, soll das ein Witz sein?!?!?!?!?!?“ US-Sänger und Schauspieler Justin Timberlake (39, „Cry Me A River“) zeigte sich ebenfalls empört: „Wenn ihr nicht aufgebracht seid, solltet ihr es sein. Gerechtigkeit für Ahmaud Arbery.“

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Erstellt:
7. Mai 2020, 07:59 Uhr

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