Schweißtreibender Kampf gegen „lila Bachufer“

30 Helfer reißen bei der fünften Neophyten-Aktion des Fremdenverkehrsvereins Spiegelberg das indische Springkraut mit Stumpf und Stiel aus

Der Fremdenverkehrsverein Spiegelberg organisierte zum fünften Mal eine Neophyten-Bekämpfungsaktion, bei der es dem indischen Springkraut an den Kragen ging. 30 Helfer rissen rund um den Ort unzählige dieser unbeliebten Pflanzen mit Stumpf und Stiel aus.

Simon Benz aus Kornwestheim ist wie seine Mitstreiter auch mit vollem Einsatz dabei. Bei der Bekämpfung kann jeder mithelfen. Thomas Denzler appelliert daher: „Gerne zugreifen und Aggressionen abbauen bei der Springkraut-Bekämpfung.“ Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Simon Benz aus Kornwestheim ist wie seine Mitstreiter auch mit vollem Einsatz dabei. Bei der Bekämpfung kann jeder mithelfen. Thomas Denzler appelliert daher: „Gerne zugreifen und Aggressionen abbauen bei der Springkraut-Bekämpfung.“ Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

SPIEGELBERG. Impatiens glandulifera ist das, was man umgangssprachlich als „richtige Kampfsau“ bezeichnet: durchsetzungsfähig und anspruchslos besiedelt die einjährige Pflanze mit den schönen purpurroten Blüten in ihrer Heimat im indischen Himalaja in Windeseile Erdrutsche und leistet so wertvolle Pionierarbeit. Als dekorative Bauernorchidee fand das bis zwei Meter hohe Balsaminengewächs vor rund 150 Jahren Eingang in europäische Gärten. Von dort brach es dank seiner langlebigen Samen bald aus. Dies war einfach, da jede Pflanze Tausende Samen hat, die bei schon leichter Berührung aus den reifen Kapseln explosionsartig bis zu sieben Meter herausgeschleudert werden – daher der deutsche Name Springkraut.

Inzwischen ist das Indische Springkraut europaweit an vielen Standorten bestandsbildend und hat mit seiner Ellenbogentaktik vor allem in Flussauen und entlang von Bachläufen die heimische Vegetation verdrängt. Bei so viel Kampfkraft haben nicht mal unsere allgegenwärtigen Brennnesseln etwas zu lachen: Materialsparend schiebt der gnadenlose Neophyt rasch einen dünnen, hohlen Stängel durch den Bestand, um sich dann oben am Licht breitzumachen, bis darunter alles erstickt ist.

Forstwirt Ronald Blümle vom Landschafts-Erhaltungsverband (LEV) beschäftigt sich seit 17 Jahren mit dem Thema und hat sich schon „mit Leuten aller Glaubensrichtungen unterhalten“. Er weiß: „Esoteriker sehen das Springkraut daher als Antwort der Natur auf unsere schnelllebige, reizüberflutete Zeit.“ Auch ein Aspekt. Beliebt ist das Gewächs allerdings bei Imkern, denn die späten Blüten des Springkrauts spenden den Honigbienen 40-mal so viel Nektar wie andere Blumen und dies zu einer Zeit, in der sonst nichts mehr blüht.

Thomas Denzler aus Spiegelberg jedenfalls wünschte sich statt lila Bachufer unsere heilkräftigen Mädesüß-Hochstaudenfluren mit Baldrian, Wasserdost und Blutweiderich zurück und hat vor fünf Jahren zusammen mit dem LEV dem exotischen Eindringling den Kampf angesagt: Einmal im Jahr wird in einer Gemeinschaftsaktion rund um den Ort Springkraut ausgerupft. „Nur das eingeschleppte indische wird bekämpft, das kleinere heimische, gelbblütige lassen wir stehen.“ Um nachhaltig zu sein, heißt es gewusst wie: „Mitsamt der Wurzel ausreißen, sonst treiben die nach“, erklärt er zu Beginn seiner Mannschaft. „Dann entweder zum Vertrocknen über einen Ast oder so hängen, oder am Boden zertrampeln. Aber gründlich“, ermahnt er die Helfer, „aus den Stängelknoten bilden die sonst sofort wieder Wurzeln“. Falls trotz des frühen Termins wider Erwarten schon Blüten mit Kapseln vorhanden wären, müssten diese in einer Plastiktüte mitgenommen werden: „Die reifen auch am Boden noch nach.“

Freilich braucht es für solch eine Aktion viele Freiwillige. Neben zehn Einheimischen konnte Thomas Denzler über das Netzwerk der Geocacher fast 20 Helfer vor allem aus dem Badischen gewinnen – ein kluger Schachzug. In kleinen Gruppen und mit Karte ausgestattet ziehen die Aktivisten los.

Kirsten Kindermann vom LEV ist seit fünf Jahren mit von der Partie. „Nur so macht’s Sinn, wenn man dran bleibt“, stellt sie fest, als sie beim Kontrollgang rund um den Parkplatz am Bach im Gestrüpp nur noch einzelne Exemplare findet. Thorsten Sperr lebt seit drei Jahren in Spiegelberg und fand die bunten Flächen zuerst sehr schön. „Aber irgendwann hab ich gesehen: Da wächst ja gar nichts anderes mehr.“ Klaus Frank und Gudrun Keilbach aus Backnang sind treue Teilnehmer der monatlichen Wandertouren und inzwischen aktive Mitglieder im Fremdenverkehrsverein Spiegelberg: „Im Größewald bei Strümpfelbach sollte man so was auch mal machen.“

Einer, der besonders motiviert ist, ist Reiner Muelbredt, der zur Gruppe der Geocacher gehört und schon zum vierten Mal dabei ist. „Das macht doch Spaß: Durch den Regen gestern gehen die wunderbar zum Ausreißen“, meint er, als er nach zwei Stunden das letzte Bündel über das linke Geländer der alten Steinbrücke hängt. Außerdem sehe man deutlich den Fortschritt in der Bekämpfung: „Das ist ein Erfolgserlebnis: Vor vier Jahren hatten wir zuletzt beide Brückengeländer voll, dabei haben wir heute sogar den Straßenrand noch mitgemacht.“

Für die Geocacher ist die Aktion ein sogenanntes Cito, ein Cache-in-trash-out (Versteck suchen und Müll beseitigen). Alle verbindet das Hobby, per GPS versteckte Schatzkästchen zu finden. „Das ist für mich Erholung pur“, schwärmt Annett Muelbredt. Man lerne dabei interessante Plätze und Leute kennen und erlebe tolle Geschichten, „man kann das ja gemütlich oder sportlich angehen, das kann eine richtige Therapie sein.“

Martina Borchers, die die Muelbredts aus der Heidelberger Ecke mitgebracht hat, hat inzwischen zu Hause auch erfolgreich ein Springkraut-Cito initiiert: „Das Zeug ist ja überall ein Problem inzwischen.“

Im Kofferraum der Heidelberger Geo-cacher befindet sich ihre Kletterausrüstung. Nach der gemeinsamen Mittagspause will man am Nachmittag in der Nähe einen neuen Cache suchen. Ihre Homezone sei clean, wie es im Fachjargon heißt – sprich: zu Hause hat man schon alles abgegrast. „Der Cache hat Geländewertung fünf, ist also nur mit Ausrüstung zu erreichen.“ Das könne auch mal eine Leiter, ein Boot oder Taucherausrüstung sein. „Eins dagegen geht auch mit Rollstuhl.“

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Erstellt:
9. Juli 2018, 06:00 Uhr

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