Schwieriger Start für das Stadtticket

Ab morgen gibt es die vergünstigten Fahrkarten auch in Backnang – Kaufen kann man sie vorerst nur am Automaten und per Handy

Rund 20 Städte in der Region Stuttgart sind schon mit dabei und ab morgen auch Backnang: Mit dem neuen Stadtticket können Fahrgäste für drei Euro innerhalb eines Tages beliebig viele Fahrten mit Bus und Bahn im gesamten Stadtgebiet machen. Das neue Angebot startet allerdings zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, denn wegen der Coronapandemie werden in den Bussen zurzeit gar keine Tickets verkauft.

In anderen Städten gibt es ein Stadtticket schon länger, so etwa in Ludwigsburg. Foto: LKZ

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In anderen Städten gibt es ein Stadtticket schon länger, so etwa in Ludwigsburg. Foto: LKZ

1 Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Wo das Stadtticket neu eingeführt wird, laden der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) und die jeweilige Stadtverwaltung normalerweise zu einem Pressetermin ein, um das Angebot vorzustellen. Doch in diesen Tagen ist alles anders: Weder eine Pressekonferenz noch eine Testfahrt mit dem Oberbürgermeister wird es geben. Erst auf Nachfrage im Rathaus bekommen wir die Bestätigung: Ja, das Stadtticket wird wie geplant zum 1. April eingeführt – trotz Corona.

„Der Zeitpunkt ist natürlich sehr ungünstig“, räumt Erster Bürgermeister Siegfried Janocha ein, „aber es wurden bereits vertragliche Regelungen getroffen. Deshalb konnten wir an dem Datum nichts mehr ändern.“ Der Zeitpunkt ist gleich aus zwei Gründen schlecht gewählt: Zum einen will man wegen der Ansteckungsgefahr in diesen Tagen eigentlich niemanden zur Fahrt mit Bus und Bahn motivieren, der nicht unbedingt darauf angewiesen ist. Wegen des geringeren Fahrgastaufkommens gilt momentan auch die ganze Woche der Samstagsfahrplan. Zum anderen können Fahrgäste das Stadtticket in den Bussen zurzeit gar nicht kaufen, denn die Firma FMO, die die Linienbusse in Backnang betreibt, hat den Ticketverkauf beim Fahrer wegen Corona vorübergehend gestoppt. „Das Stadtticket kann deshalb zunächst nur an den Automaten am Bahnhof oder über die VVS-App erworben werden“, erklärt Janocha.

Das Stadtticket gibt es in zwei Varianten, nämlich als Einzelticket für drei Euro und als Gruppenticket für sechs Euro. Letzteres gilt für bis zu fünf Personen, darf wegen der bestehenden Kontaktsperre vorerst aber nicht zum Einsatz kommen. Beide Tickets lohnen sich bereits ab der zweiten Fahrt. Sie gelten vom Zeitpunkt, an dem sie gelöst wurden, bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr für beliebig viele Fahrten, allerdings nur innerhalb des Backnanger Stadtgebiets. Wer mit dem Bus nach Aspach oder Auenwald will, kann die vergünstigten Fahrscheine also nicht nutzen, wer mit der S-Bahn von Maubach nach Backnang fährt, hingegen schon.

Das vergünstigte Ticket wird von der Stadt mitfinanziert. Laut Janocha beträgt der Zuschuss 2,20 Euro pro Einzelticket sowie 4,40 Euro für jedes Gruppenticket. Das entspricht der Differenz zum regulären Preis für ein Einzel- beziehungsweise Gruppentagesticket für eine Zone und wird der Stadt am Jahresende vom VVS in Rechnung gestellt. Aufgrund der Erfahrungen in anderen Städten rechnet man in Backnang mit jährlichen Kosten von rund 150000 Euro.

Beschluss gegen den Widerstand von OB Nopper

Der Backnanger Gemeinderat hatte die Einführung des Stadttickets im vergangenen Dezember beschlossen – einstimmig, allerdings gegen den Widerstand von Oberbürgermeister Frank Nopper. Der OB hatte argumentiert, von dem neuen Angebot würde nur ein Bruchteil der Fahrgäste profitieren, weil rund 80 Prozent der ÖPNV-Nutzer mit Monats- oder Jahresabos unterwegs seien. Wichtiger als günstigere Ticketpreise ist in Noppers Augen, die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern und Verspätungen zu reduzieren. Diese Verbesserungen würden dann allen Fahrgästen zugutekommen und nicht nur den Gelegenheitsfahrern.

Doch mit dieser Position stand Nopper im Gemeinderat alleine da, das Gremium stimmte geschlossen für das Stadtticket, auch weil Martin Schugt vom VVS nicht versprechen konnte, ob eine Einführung zu einem späteren Zeitpunkt noch ohne Weiteres möglich ist. Der Gemeinderat hofft, dass es – nach der Coronapandemie – gelingt, durch das Stadtticket mehr Menschen für die Fahrt mit Bus und Bahn zu gewinnen. Die Erfahrungen aus anderen Städten lassen dies jedenfalls erwarten: So stieg in Ludwigsburg, wo es das vergünstigte Ticket bereits seit August 2018 gibt, die Zahl der Gelegenheitsfahrer um rund 15 Prozent.

Die Frage, wie man den öffentlichen Nahverkehr darüber hinaus attraktiver machen kann, steht derweil weiter auf der Agenda. „Es gibt da sicher noch Verbesserungsbedarf“, sagt Siegfried Janocha. So sollen etwa auf einigen Linien der Takt verdichtet und der Anschluss an die S-Bahn verbessert werden. Laut Janocha gab es dazu auch schon Gespräche, bis das Thema wegen Corona auf der Prioritätenliste nach hinten rutschte.

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Erstellt:
31. März 2020, 11:00 Uhr

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