Segenswerk hat Insolvenz angemeldet

Betrieb ist ab sofort geschlossen – Vorläufiger Insolvenzverwalter sieht keine Chance auf Fortführung

Im Juni des vergangenen Jahres hat in der Marktstraße in Backnang das CaféRestaurant Segenswerk eröffnet, nun ist der Betrieb bereits wieder geschlossen. Der Grund: Die Betreiber haben Insolvenz angemeldet. „Es ist kein Geld mehr da“, konstatiert der vorläufige Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Paul Johann Frank, und machte den Laden sofort zu.

Nur 16 Monate nach der Eröffnung musste das Restaurant Segenswerk Insolvenz anmelden. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Nur 16 Monate nach der Eröffnung musste das Restaurant Segenswerk Insolvenz anmelden. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. „Das Segenswerk ist ab sofort dauerhaft geschlossen. Unser Dank gilt allen, die uns bis hierher unterstützt haben.“ Mit diesem kurzen Statement haben sich die Verantwortlichen des Betriebs am Montagabend an die Facebook-Community gewandt. Die Reaktionen kamen prompt. „Sehr schade“, war der Tenor. Auch äußerten einige Nutzer ihr Unverständnis über diese abrupte Schließung. „Was ist denn jetzt los? Ich bin gerade echt sprachlos. Warum das denn?“, fragte beispielsweise Patricia Grasmik. Sie habe für diesen Mittwoch eine Reservierung aufgegeben. „Wäre gut, wenn’s eine Erklärung gäbe“, schrieb Rebecca Hart. „Einfach so, ohne Erklärung? Das ist aber verstörend“, fand auch Michael Huber. Sylvia Drave stellte zudem die Frage, was denn nun mit Gutscheinen sei, die manche Kunden noch haben. Am gestrigen Nachmittag hatten die ersten dann auch schon die Antwort auf das Warum gefunden: Insolvenz.

„Wir hatten die Hoffnung, noch bis Jahresende offen bleiben zu können“, sagt Markus Kübler, einer der Initiatoren der Segenswerks und ehemaliger Geschäftsführer. Schließlich hatte man schon viele Reservierungen entgegengenommen. Er zeigte sich sehr betroffen angesichts der Auswirkungen für die Kunden, Mitarbeiter und Unterstützer. „Es war nicht unser Ziel, dass es so zu Ende geht.“ Doch der vorläufige Insolvenzverwalter sei am Montag in den Betrieb gekommen und habe dann die sofortige Schließung angeordnet. Die Gründe für die Zahlungsunfähigkeit des Restaurants liegen laut Rechtsanwalt Paul Johann Frank auf der Hand: „Hier wurde vom ersten Tag an defizitär gearbeitet.“ In seiner Beschreibung der Situation des Betriebs nimmt der Rechtsanwalt kein Blatt vor den Mund: „Das ganze Konzept stimmt nicht. Wirtschaftlich gesehen ist es eine Katastrophe.“

Außergewöhnliches Konzept mit sozialem Anspruch

Dabei hatten sich die Betreiber anfangs hehre Ziele gesetzt. Wo zuvor, als das Café Rilke noch in den Räumen Gäste bewirtete, vor allem Feinschmecker auf ihre Kosten kamen, sollten schwäbische Klassiker zu erschwinglichen Preisen angeboten werden. Der Schwerpunkt der Segenswerk-Küche lag auf Maultaschen in diversen Variationen. Zudem gab es für jede Tageszeit das passende Angebot: Morgens gab es ein Frühstück, mittags standen spezielle Tagesgerichte auf der Karte, nachmittags umfasste das Angebot Kaffee und selbst gebackene Kuchen. Ergänzt wurde der gastronomische Betrieb um eine Handelsfläche im Erdgeschoss. Hier wurden unter anderem Schnittblumen, Dekoartikel, Kaffee und Postkarten feilgeboten.

Auch der Glaube der Betreiber, die der Biblischen Gemeinde angehören, spielte im Tagesgeschäft eine Rolle. „Wir wollen ein Segen für andere Menschen sein“, erklärte Kübler kurz vor der Eröffnung. Das äußerte sich nicht nur darin, dass man christlichen Musikgruppen eine Bühne bot. Es fanden beispielsweise auch zwei Menschen mit Behinderung im Segenswerk eine feste Anstellung (wir berichteten). Ein Treffpunkt für Menschen aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und jeden Alters sollte das Segenswerk sein. Zudem machte das Restaurant mit besonderen Aktionen von sich reden: Wer wollte, konnte einen Kaffee mehr bezahlen, als er selbst trinkt. Dieser kam dann Bedürftigen zugute. Ein kurz vor der Eröffnung des Restaurants eigens gegründeter Förderverein hat es sich zum Ziel gesetzt, hilfsbedürftige Menschen beispielsweise mit Essens- und Getränkegutscheinen des Segenswerks zu unterstützen. Die Nutzer auf Facebook hoben zudem das Mamafrühstück oder den Stilltreff hervor. „Etwas Vergleichbares sucht man im Stadtbild vergeblich“, schrieb Severin Maier auf der Facebook-Seite des Segenswerks. Ungewöhnlich war auch die Haltung der Betreiber in puncto Getränke: Alkoholisches suchte man auf der Karte des Restaurants vergeblich. Bier und Wein gab es nur in der alkoholfreien Variante, damit wollte man ein Statement setzen, erklärte Kübler damals.

Seit Anfang des Jahres keine Miete mehr bezahlt

Den gesellschaftlichen Zielen der Segenswerk-Betreiber stand aber die erbarmungslose Welt der Finanzen gegenüber. Hier konstatiert der vorläufige Insolvenzverwalter: „Es gab keine vernünftige Kalkulation.“ Die Miete habe man seit Anfang des Jahres nicht mehr begleichen können, im Vormonat seien zum Teil auch die Löhne der Mitarbeiter nicht mehr ausgezahlt worden. Den Angestellten sei nun fristgerecht gekündigt worden, ihre Gehälter seien jedoch abgeschert. „Ihnen entsteht durch die Insolvenz kein finanzieller Schaden“, versichert Frank. Allerdings bestünden auch etwa 30000 Euro Mietschulden, hinzu kämen ausstehende Forderungen des Finanzamts und diverser Lieferanten. Insofern sei für ihn eine Betriebsfortführung unmöglich gewesen. „Die Agentur für Arbeit müsste dem zustimmen und das tut sie nur, wenn ein tragfähiges Konzept vorliegt“, erklärt der Rechtsanwalt. „Da sehe ich hier nicht den Hauch einer Chance.“ Seinen Angaben zufolge hatten die Betreiber bis zuletzt auf Spenden gehofft und die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Gesellschafter noch einmal Geld in die Hand nehmen. So aber sei bisher kaum eine Insolvenzmasse vorhanden, führte Frank aus.

Ein wenig Geld sei in der Kasse gewesen. Die Geräte in der Küche hingegen seien unter Vorbehalt geliefert worden. „Da stehen noch Rechnungen der Lieferanten aus, da ist für uns nichts zu holen.“ Für ihn tue sich im Moment die Frage auf, ob man Forderungen gegen den Geschäftsführer Klaus Schmidt realisieren könne. Der wollte sich gestern nicht zu der Sache äußern. Im Raum steht auch der Verdacht der Insolvenzverschleppung – diese ist in Deutschland strafbar. Ob dieser jedoch hier vorliegt, dazu konnte der vorläufige Insolvenzverwalter noch keine Aussage treffen.

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Erstellt:
23. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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