Seit der Eingemeindung hat sich viel getan

Am 1. Januar 1972 trat die Eingliederung der Gemeinde Heiningen in die Stadt Backnang in Kraft. In der Reisbachhalle fand am vergangenen Freitag ein Festakt statt, mit dem das 50. Jubiläum der Eingemeindung gefeiert wurde.

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (links) überreicht Ortsvorsteher Leonhard Groß das Backnang-Lexikon. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (links) überreicht Ortsvorsteher Leonhard Groß das Backnang-Lexikon. Foto: Tobias Sellmaier

Von Uta Rohrmann

Backnang. „Ich fühle mich hier sauwohl“, sagt Hans Meißmer über seine Wahlheimat Heiningen. Am Abend seines 91. Geburtstags befindet er sich mit vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie offiziellen Gästen beim Festakt zum 50. Jubiläum der Eingemeindung Heiningens nach Backnang in der Reisbachhalle. Ein Ständchen wird ihm gesungen, begleitet von Julia Klöpfer am Flügel. Die junge Kirchenmusikerin im Kloster Maulbronn und mittlerweile ziemlich bekannte Heiningerin sorgt als Überraschungsgast für den festlichen Rahmen zu den angekündigten vier Reden.

„Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität“, sagt Ortsvorsteher Leonhard Groß in seiner Begrüßungsrede. „Das heißt für uns in Heiningen, dass wir mit der Tatsache der Eingliederung leben und das Beste daraus machen müssen.“ Die Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Heiningen in die Stadt Backnang war am 21. Oktober 1971 vom damaligen Bürgermeister Ulrich Schäfer und dem damaligen Oberbürgermeister (OB) Martin Dietrich unterzeichnet worden, nachdem sich bei der Bürgeranhörung am 10. Oktober 1971 eine klare Mehrheit dafür ausgesprochen hatte (137 Bürger waren dafür, 30 dagegen).

Vier Heininger Ortsvorsteher und fünf Backnanger Bürgermeister in 50 Jahren

Viel habe sich seither im Ort getan: Neue Baugebiete wurden in den 70er- und 80er-Jahren erschlossen, das Industriegebiet Süd und die Heinrich-Hertz-Straße geplant und gebaut. Der Dorfplatz als Mittelpunkt des Ortes wurde neu gestaltet, Talschule und Kindergarten wurden erweitert beziehungsweise saniert. Auch der Ausbau der Reisbachhalle, des Ortes dieses Festakts, sei eine Auswirkung des Eingliederungsvertrags. Mit Aufnahme in das Landesförderprogramm Entwicklung Ländlicher Raum (ELR) unter dem vorigen Ortsvorsteher Heinz Franke konnte der Ort mit weiteren Sanierungen und Naturschutzmaßnahmen wie der Öffnung des Reisbachs bis zur Ortsmitte noch lebenswerter gestaltet werden.

Vier Heininger Ortsvorsteher in 50 Jahren und fünf Backnanger Bürgermeister im gleichen Zeitraum: „Die Kontinuität ist bei uns etwas höher“, stellt Leonhard Groß fest, der sich bei OB, Amtsleiter und Mitarbeitern der Stadtverwaltung bedankt und sich wünscht, dass in 50 Jahren ein genauso gutes Verhältnis bestehen möge wie heute.

OB Maximilian Friedrich hebt die „stolze Geschichte Heiningens“ hervor, die es als alemannische Gründung bereits im fünften Jahrhundert gegeben habe – eine der ältesten Siedlungen im gesamten Landkreis. Die Schenkung im Jahr 1134 an das Stift Backnang könne als historischer Vorläufer der Eingemeindung betrachtet werden. Die gemeinsame Bürgermeisterei der drei Orte Waldrems, Heiningen und Maubach bereits 1965 sei ein Novum in Baden-Württemberg gewesen. Die Eingliederung, die am 1. Januar 1972 in Kraft trat, sei für Backnang mit mehr Möglichkeiten zu Wohnbau und Industrieansiedlungen ein großer Gewinn gewesen, während die Teilorte von der leistungsstarken Verwaltung und Investitionen in die Infrastruktur profitierten.

Archivar Bernhard Trefz zeigt anhand vieler Details auf, wie langwierig der Prozess der Eingemeindung war, der im Zusammenhang mit der Gemeinde- und Kreisreform von 1968 bis 1975 in Baden-Württemberg stand. Deren politisches Ziel war es, die Verwaltung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg kaum verändert hatte, zu professionalisieren.

Der Zusammenschluss bereits im Jahre 1965 der drei kleinen Gemeinden Waldrems, Heiningen und Maubach zu einer Art Verwaltungsgemeinschaft hatte laut Trefz pragmatische Gründe: Die bisherigen Bürgermeister aller drei Gemeinden seien kurz vor dem Ruhestand gewesen, deren Stellen aber zu unattraktiv für potenzielle Nachfolger. Viele persönliche Eitelkeiten und Befindlichkeiten, nicht zuletzt des ehrgeizigen Ulrich Schäfer, welcher der gemeinsame Bürgermeister der drei Ortschaften geworden war, hätten eine Rolle gespielt.

Die Bürgermeisterei zu einer selbstständigen Gemeinde umzugestalten – ein Ziel, das Schäfer verfolgt habe und das in erster Linie von den Räten in Waldrems angestrebt worden sei – konnte sich nicht durchsetzen, zumal sich die Maubacher nach Backnang orientierten, was ihnen argwöhnische Unterstellungen eingebracht habe. Auch zwischenzeitliche Verhandlungen mit Allmersbach im Tal – für den angedachten Gemeindezusammenschluss habe es bereits den Namen „Waldheimbach“ gegeben – scheiterten.

Regelungen wie die unechte Teilortwahl, mit der gewährleistet war, dass die südlichen Teilorte ausreichend im Gemeinderat vertreten waren und finanzielle Vorteile hatten, trugen dazu bei, die unumgängliche Eingliederung zu akzeptieren. Der Eingliederungsvertrag, so der damalige OB Dietrich, habe „in verschiedenen Abstufungen Freude, Optimismus, vorsichtige Zurückhaltung, Skepsis“ ausgelöst. „Letztendlich war es eine sachgerechte Lösung“, urteilt Trefz. „Die Aufgabe der Selbstständigkeit ist nicht die Aufgabe der Eigenständigkeit.“

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Erstellt:
23. Mai 2022, 06:00 Uhr

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