Selbst der Wahlkampf ist klimaneutral

Politisch engagiert ist Marco Schlich in Backnang schon seit Jahren, ob in verschiedenen Initiativen oder bei „Die Partei“. Nun strebt er das Amt des Oberbürgermeisters an. Ihm liegen besonders die Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit am Herzen.

OB-Kandidat Marco Schlich am Murrufer, im Hintergrund die Kundgebung zum Gedenken an die Opfer von Hanau. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

OB-Kandidat Marco Schlich am Murrufer, im Hintergrund die Kundgebung zum Gedenken an die Opfer von Hanau. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Während sich in ganz Backnang die Straßenlaternen und Zäune kaum noch vor Wahlplakaten retten können, ist ein Gesicht noch nicht unter den Abgebildeten zu finden. Und das wird auch so bleiben. „Ich habe mich dagegen entschieden, Wahlplakate aufzuhängen. Aus Umweltschutzgründen“, sagt Marco Schlich, der als einer von acht Kandidaten bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Backnang antreten wird. „Die Wahlplakate sind alle aus Kunststoff. Nach acht Wochen liegt da dann ein riesiger Haufen Müll.“ Selbst wenn die Plakate grundsätzlich als recycelbar gelten, werde das nicht immer auch getan. Statt auf Plakate will sich Marco Schlich im Wahlkampf auf das Verteilen von Flyern konzentrieren. Diese will er an jeden Haushalt verteilen – zu Fuß, versteht sich, und mit der Hilfe von Freunden.

Gedruckt wurden die mehrere Tausend Flyer von einer Backnanger Firma, wie er betont: „Und zwar klimaneutral“. Kein Wunder, denn genau das hat sich der 45-Jährige bei seiner Kandidatur zum Schwerpunkt gesetzt. Er will Backnang klimaneutral und klimagerecht machen. Man müsse auch in der Stadt endlich mehr im Bereich Klimaschutz unternehmen und dabei darauf achten, dass Maßnahmen nicht zulasten einer einzelnen Gruppe gehen. „Klimaschutz muss auf den Schultern aller verteilt werden, nicht nur auf die Reichen oder die Armen.“ Dazu gehört für ihn, alle Backnanger Betriebe klimaneutral zu bekommen und eine andere Stadt- und Verkehrsplanung anzugehen. „Dabei will ich niemand das Auto verbieten“, sagt Schlich. Ihm gehe es vielmehr darum, für Bürger Anreize zu schaffen, um sich klimaneutral zu verhalten. „Als Stadt kann man dafür bestimmte Voraussetzungen schaffen. Konkret wäre das zum Beispiel, das Busfahren an Samstagen kostenlos zu machen oder das Radwegnetz auszubauen.“

Klimaschutz war eine Motivation für seine Bewerbung. „Ich wollte den ökologischen Aspekt in den Wahlkampf einbringen.“ Immer häufiger sei er auch auf eine mögliche Kandidatur angesprochen und sogar darum gebeten worden.

Der Klimaschutz spielt auch in seinem Berufsalltag eine Rolle. Als Diplomingenieur arbeitet er bei der Backnanger Firma Soundplan und erstellt dort Gutachten rund um das Thema Lärmschutz. „Dadurch habe ich schon viele Einblicke in die Arbeit von Städten und Gemeinden, aber auch in die Stadtplanung und -entwicklung bekommen.“ Um Gutachten für die Stadt Backnang selbst kümmert er sich aber schon länger nicht mehr – aus eigener Entscheidung. „Da ich mich für verschiedene Initiativen vor Ort einsetzte, will ich mir bei der Erstellung von Gutachten nichts nachsagen lassen.“ Die Arbeitserfahrung könne ihm auch in einer Verwaltung einiges nützen: So müsse er als Gutachter Dinge immer rational abwägen, neutral bleiben und bei Problemen die genau passenden Lösungen finden. Dabei will er im Wahlkampf aber noch gar keine fertigen Lösungskonzepte vorlegen, sondern sich von Experten beraten lassen. „Ich will nicht mit irgendwelchen Schlagworten um mich werfen, sondern würde eine Untersuchung von Fachleuten durchführen lassen, wo und wie man in Backnang mit dem Klimaschutz anfangen kann.“

Geboren und aufgewachsen ist Schlich in Schorndorf. Studiert hat er Bauingenieurwesen in Stuttgart. Für seinen ersten Job wollte er dann weiter weg – eine neue Stadt sehen, das Großstadtleben genießen – und ist nach Düsseldorf gezogen. Doch schnell habe er gemerkt, dass das Leben im Ruhrgebiet doch nicht zu ihm passt. „Ich bin ein Kind vom Ländle, ich wollte doch wieder zurück in die Region um Stuttgart“, sagt der 45-Jährige. Eher durch Zufall hat es ihn dann vor 15 Jahren beruflich in die Murr-Metropole verschlagen. „Und jetzt bekommt man mich hier nicht mehr weg.“ Der Begriff „Metropole“ gefällt ihm im Zusammenhang mit Backnang übrigens so gar nicht. „Unter Metropole stellt man sich etwas ganz anderes vor. Wir sind schließlich eine schwäbische Kleinstadt, und genau das macht doch den Reiz aus.“ Ihm liege Backnang am Herzen, deshalb auch die Kandidatur. Höhere politische Bestrebungen, zum Beispiel auf Landes- oder Bundesebene, hat er deshalb nicht.

Stattdessen engagiert er sich in mehreren Backnanger Initiativen und Vereinen. Zum einen ist er Mitbegründer und erster Vorsitzender des Ortsverbands Backnanger Bucht der Partei „Die Partei“. Die Kandidatur als Oberbürgermeister tritt er aber parteiunabhängig an. Die Satirepartei habe da ganz andere Ansatzpunkte und auch ein anderes Ziel. „Satire ist dazu da, den Finger in die Wunde zu legen und Gespräche zu erzeugen. Das ist eine tolle Sache. Aber als Kandidat will ich mit Sachthemen punkten.“ Seit etwa zehn Jahren interessiert sich der gebürtige Schorndorfer für die Politik, in den vergangenen drei Jahren dann auch etwas intensiver. 2019 war Schlich außerdem Kandidat bei der Gemeinderatswahl auf der Liste der Backnanger Demokraten. „Den Gemeinderat habe ich knapp verpasst, aber man braucht ja nicht unbedingt ein politisches Amt, um sich politisch zu engagieren“, sagt der OB-Kandidat.

Mehr Bürgerbeteiligung, Transparenz und


direkte Demokratie.

Und das setzt er auch seit Jahren so um. Engagiert ist Schlich in einigen Initiativen und Vereinen. Er ist Mitbegründer der Initiative „Backnang für Alle“, die sich für genug bezahlbaren Wohnraum in Backnang einsetzt. Ein weiteres Thema, das er in seinem Programm hat. Denn die Mieten in Backnang seien hoch, der Wohnraum begrenzt. „Diese Spirale muss unterbrochen werden.“ Er will sich dafür einsetzen, dass die Stadt nach und nach wieder Wohnraum zukauft, um auch bedürftigen Menschen einen dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu bieten.

Das ist aber noch lange nicht sein einziges politisches Engagement. Schlich ist auch Mitglied der Initiative „Klimaentscheid Backnang“, die sich das Ziel gesetzt hat, die Stadt Backnang bis 2035 klimaneutral zu gestalten. Auch sei er in den Bürgerdialogen zur IBA-Bauausstellung sehr aktiv gewesen, sagt er. Genau solche Veranstaltung würde er in Zukunft in Backnang gerne öfter sehen. Die Bürgerbeteiligung ist deshalb ein weiterer wichtiger Punkt auf seiner Agenda. „Ich bin begeisterter Demokrat. Ich möchte es jedem ermöglichen, sich politisch einzubringen.“ Für ihn gehören Bürgerbegehren, Befragungen und Transparenz zu einer guten Verwaltung dazu. Erreichen will er zum Beispiel, dass die Gemeinderatssitzungen aufgezeichnet und so barrierefrei für alle zugänglich werden. Er will in Backnang eine Politik zum Mitmachen gestalten.

In seiner Freizeit wird Marco Schlich kreativ. Seit mehreren Jahren stellt er eigene Masken und Outfits her. Dafür setzt er sich auch selbst an die Nähmaschine und näht neben Kostümen auch Kuscheltiere für seine Nichte. Mit seinen eigenen Kostümen ist er am liebsten auf Mittelaltermärkten und Barockfesten unterwegs. Zum Beispiel auf der Venezianischen Messe in Ludwigsburg. Zuletzt war er dort als „Grumpy Satyr“ (Bild unten) zu sehen. Durch Corona mussten solche Veranstaltungen im vergangenen Jahr natürlich ausfallen. Viel Freizeit bleibt Schlich aber trotzdem nicht. „Mit dem Vollzeitjob und dem Wahlkampf habe ich gerade eine Sieben-Tage-Woche.“

Allzu lange hat Schlich dadurch auch nicht Zeit für den Termin mit unserer Zeitung. Er will noch weiter zum Gedenken an die Opfer von Hanau, das am vergangenen Freitag auf der Bleichwiese stattgefunden hat. Eine Angelegenheit, die ihm am Herzen liegt: „Gerade in diesem Fall ist es wichtig, dass man nicht schweigend bleibt, sondern seine Stimme erhebt.“

Selbst der Wahlkampf ist klimaneutral

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Erstellt:
26. Februar 2021, 06:00 Uhr

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