Ukraine-Konflikt
Selenskyj persönlich bei Ukraine-Schalten in Berlin dabei
Vor Trumps Alaska-Gipfel mit Putin sorgt ein Berliner Überraschungsgast bei der EU-Schalte für Spannung. Können Merz & Co. mitreden?

© Henning Bagger/Ritzau Scanpix Fo
Wolodymyr Selenskyj will heute in Berlin persönlich an den Videoschalten zum Alaska-Gipfel teilnehmen. (Archivbild)
Von red/dpa
KanzlerFriedrich Merz (CDU) sendet bei der Videoschalte mit US-Präsident Donald Trump zu dessen Alaska-Gipfel mit Kremlchef Wladimir Putin ein besonderes Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Als einziger Gast von Merz wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Nachmittag persönlich im Kanzleramt in Berlin bei den virtuellen Beratungen mit Trump und dessen Vize JD Vance zugegen sein. Alle anderen Teilnehmer werden per Video zugeschaltet.
Merz will Selenskyj gegen Mittag in der Berliner Regierungszentrale empfangen. Anschließend ist ein kurzes Mittagessen geplant. Gegen 16 Uhr wollten der Kanzler und Selenskyj gemeinsam öffentliche Statements zu den von 15 bis 16 Uhr geplanten Beratungen mit Trump abgeben.
Vorberatungen der Europäer mit Selenskyj
Für 14 Uhr hat Merz zunächst enge europäische Verbündete der Ukraine zu einer Vorbesprechung der Folgeberatungen mit Trump per virtueller Schaltkonferenz eingeladen. Teilnehmen sollen die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Finnland, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa, Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Selenskyj.
Initiiert wurden die Schalten mit europäischen Staats- und Regierungschefs von Merz. Ziel ist es, eine gemeinsame Linie mit Trump zu finden, bevor dieser am Freitag im US-Bundesstaat Alaska Kremlchef Wladimir Putin trifft. Im Anschluss an die Beratungen im Trump will der Bundeskanzler die Ergebnisse in der sogenannten Koalition der Willigen unter Federführung von Deutschland, Frankreich und Großbritannien nachbesprechen.
Was wollen die Europäer erreichen?
Die Europäer und Selenskyj befürchten, dass sich Trump und Putin in Alaska auf Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland verständigen könnten, die Kiew strikt ablehnt. Sie dürften von Trump eine Zusage erreichen wollen, dass er mit Putin keinen Deal über die Köpfe der Ukrainer und der Europäer hinweg macht. Aber wird er darauf eingehen? Und selbst wenn: Hält sich der US-Präsident daran - und falls ja, wie lange?
Der deutsche Regierungssprecher Stefan Kornelius hatte erklärt, bei den Gesprächen solle es um weitere Handlungsoptionen gehen, um Druck auf Moskau zu erzeugen. Zudem solle über die Vorbereitung möglicher Friedensverhandlungen und damit verbundene Fragen zu Gebietsansprüchen und Sicherheiten gesprochen werden. Der britische Premierminister Keir Starmer forderte erneut Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Was Selenskyj ausschließt
Der ukrainische Präsident schloss schon vor den Videoschalten jegliche Entscheidungen zur Ukraine beim Alaska-Gipfel erneut aus. „Zur Ukraine können sie ohne uns nichts beschließen“, sagte er der Nachrichtenagentur RBK-Ukraine zufolge in Kiew. Er hoffe, dass Trump dies bewusst sei. Selenskyj zeigte sich zugleich überzeugt, dass es zu einem Dreiertreffen zwischen Trump, Putin und ihm kommen werde, um den Krieg zu beenden.
Selenskyj betonte auch, dass die Ukraine nicht auf ihre Gebiete im Osten verzichten wolle und könne. Der Donbass würde Russland zu einem späteren Zeitpunkt nur als „Sprungbrett“ für einen neuen Krieg dienen, warnte er - so wie schon die Krim als Sprungbrett für Moskaus Angriffe gegen die Südukraine gedient habe. Bei einer Aufgabe der ukrainischen Positionen im Donbass könnten Putins Truppen später in Richtung Charkiw, Saporischschja und Dnipropetrowsk vorstoßen.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte nach einer Schaltkonferenz mit seinen EU-Kolleginnen und -Kollegen am Montag den deutschen Kurs für das Gespräch mit Trump abgesteckt - und Spekulationen über Gebietsabtretungen der Ukraine für einen Frieden mit Russland eine Absage erteilt. „Gewalt darf keine Grenzen verschieben“, schrieb er auf X. Deutschland unterstütze Trumps Ziel, den russischen Angriffskrieg zu beenden. Ergebnis müsse ein gerechter und dauerhafter Friede sein.
Im ZDF-„heute journal“ sagte Wadephul aber auch, die Ukraine wisse, dass die Verhandlungen mit Russland schwierig würden. Kiew werde „möglicherweise auch Verzichte“ zu erwarten haben. „Aber das ist später zu entscheiden.“
Welches Ziel hat Trump beim Gespräch mit Putin?
Trump stellt das am Freitag in nördlichsten US-Bundesstaat Alaska in der Stadt Anchorage geplante Treffen mit Putin als Versuch dar, einem Ende des seit rund dreieinhalb Jahre andauernden russischen Angriffskriegs näherzukommen. In diesem Zusammenhang sprach er von einem möglichen Gebietstausch zwischen der Ukraine und Russland. Am Montag versicherte Trump in Washington aber auch: „Ich werde keinen Deal machen“ - dies sei nicht seine Aufgabe. Eine Waffenruhe würde er dennoch gern sehen, fügte er hinzu.
Das Weiße Haus bestätigte, dass am Freitag ein Einzelgespräch zwischen den beiden Präsidenten geplant sei. Selenskyj ist bisher nicht nach Alaska eingeladen. Trump kündigte an, er werde den ukrainischen Präsidenten und europäische Staats- und Regierungschefs direkt nach dem Gipfel über das Gespräch mit Putin zu informieren. Und Trump stellte ein Treffen von Selenskyj und Putin in Aussicht.
Können die Europäer auf offene Ohren hoffen?
Trump betont immer wieder, dass die USA nicht weiter für den ukrainischen Verteidigungskampf zahlen wollen. Auch Zusagen für Sicherheitsgarantien zugunsten der Ukraine nach einer möglichen Waffenruhe oder gar einem Friedensschluss will der US-Präsident bisher nicht machen. Sowohl für die Finanzierung des künftigen Abwehrkampfes der Ukraine gegen Russland wie auch für die Absicherung eines möglichen Waffenstillstands oder Friedens dürfte Trump also auch auf die Europäer angewiesen sein. Das könnte dazu beitragen, dass er sich deren Forderungen nicht völlig verschließt.
Orban: Selenskyj hat Krieg gegen Russland schon verloren
Ein Querschuss zu den Beratungen der Europäer mit Trump kam vom rechtspopulistischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Dieser sagte mit Blick auf das geplante Treffen von Trump und Putin: „Er (der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj) hat diesen Krieg verloren.“ Er fügte hinzu: „Wir reden hier darüber, so als ob es sich um eine Kriegssituation mit offenem Ausgang handeln würde.“ Das sei falsch. „Die Ukrainer haben diesen Krieg verloren, Russland hat den Krieg gewonnen.“
Am Vortag hatte Ungarns Regierung die Mitunterzeichnung einer gemeinsamen Stellungnahme der anderen 26 EU-Staaten verweigert, in der die Bemühungen von Trump um ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine begrüßt werden.