UN-Vollversammlung
Selenskyj warnt vor Russland und hofft auf US-Kehrtwende
Vor den Vereinten Nationen wirbt der ukrainische Präsident für mehr Hilfe für Moldau. Rund um die UN-Generaldebatte fragen sich viele, ob Donald Trump nun wirklich seine Meinung zum Krieg ändert.

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Der ukrainische Präsident setzte sich für die internationale Unterstützung Moldaus ein.
Von dpa
New York - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor den Vereinten Nationen um Unterstützung für sein Land geworben - und zugleich eindringlich vor Gefahren für die Weltgemeinschaft gewarnt. Dazu zählten ein weltweites, zerstörerisches Wettrüsten, der wachsende Einfluss von Künstlicher Intelligenz bei Waffensystemen und das anhaltend aggressive Verhalten Russlands. Selenskyj lobte auch das jüngste Gespräch mit US-Präsident Donald Trump, der am Rande der UN-Generaldebatte eine russlandkritischere Sicht auf den Krieg angedeutet hatte.
"Wir hatten gestern ein gutes Treffen mit Präsident Trump und ich habe auch mit vielen anderen starken Führern gesprochen und zusammen können wir viel verändern", sagte Selenskyj in seiner Rede. Sein Land zähle auf Europa und die Vereinigten Staaten. Für den Frieden komme es auch auf die Vereinten Nationen an, erklärte er vor den versammelten Staats- und Regierungschefs in New York. "Bitte bleiben Sie nicht stumm, während Russland diesen Krieg weiter verlängert. Bitte sprechen Sie sich dagegen aus und verurteilen sie ihn."
Warnung vor russischem Handeln in Moldau
Selenskyj warnte in seiner Rede vor weiteren russischen Aggressionen. Die Republik Moldau verteidige sich gerade gegen russische Übergriffe, doch die Antwort der internationalen Gemeinschaft darauf sei nicht ausreichend. Das russische Eindringen in den Luftraum von Polen und Estland zeige, wie dringend eine Unterstützung sei, so der ukrainische Präsident.
"Europa kann es sich nicht leisten, auch Moldau zu verlieren", sagte Selenskyj. Die EU müsse Moldau mit finanziellen Mitteln und Unterstützung im Energiesektor helfen und die Menschenrechte dort sichern. "Für Europa ist es nicht teuer, Moldaus Stabilität zu unterstützen. Wenn man es verpasst, wird das einen viel höheren Preis haben", sagte Selenskyj.
Erst am Dienstag hatte die proeuropäische Präsidentin Moldaus, Maia Sandu, vor einer Einmischung Russlands in ihrem Land gewarnt. Dort wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Bei landesweiten Razzien am Montag seien 74 Personen festgenommen worden, hieß es weiter. Ihnen wird vorgeworfen, Massenunruhen in Moldau vorbereitet zu haben.
Warnung vor Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Militär
Selenskyj warnte außerdem wegen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in Waffensystemen vor dem "zerstörerischsten Wettrüsten der Menschheitsgeschichte". Vor zehn Jahren habe sich niemand vorstellen können, dass durch Drohnenangriffe ganze Gebiete ohne Leben entstehen könnten. Das sei früher nur durch einen Atomschlag denkbar gewesen. Er forderte internationale Regeln für die KI-Nutzung in Waffensystemen. Dies sei "so dringend wie die Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen".
Der eigene Einsatz von Drohnen sei nötig, um das Überleben der Ukraine sicherzustellen. "Die Ukraine verfügt zwar nicht über die großen Raketen, mit denen Diktatoren gerne bei Paraden angeben. Aber wir haben Drohnen, die bis zu 3.000 Kilometer weit fliegen können", sagte Selenskyj. Auch vor dem Hintergrund der militärischen Entwicklungen sei es wichtig, Moskau entschiedener entgegenzutreten. "Russland jetzt zu stoppen ist billiger, als sich zu fragen, wer als Erstes eine simple Drohne bauen wird, die einen Atomsprengkopf transportieren kann."
Rede begleitet von möglicher US-Kehrtwende im Ukraine-Krieg
Selenskyj hielt seine Rede kurz nach Signalen eines Kurswechsels von US-Präsident Donald Trump im Ukraine-Krieg. Trump hatte sich am Dienstag deutlich kritischer als bisher über Russland geäußert. Das Land sei schwach und wirke nach dreieinhalb Jahren ohne echte Erfolge auf dem Schlachtfeld wie ein "Papiertiger", hatte Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social geschrieben. Bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte der US-Präsident zudem gesagt, dass seine Beziehung zu Russlands Präsident Wladimir Putin "leider nichts bedeutet" habe.
Zu den Kriegschancen der Ukraine hatte sich Trump positiver als zuletzt geäußert, allerdings ohne eine umfangreichere US-Hilfe anzukündigen. "Ich denke, dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen", hatte Trump nach einem Treffen mit Selenskyj am Rande der UN-Generaldebatte am Dienstag erklärt.
Die Ukraine ist nach Einschätzung Trumps zusammen mit ihren Verbündeten in der Lage, ihre von russischen Kräften besetzten Gebiete zurückzuerobern - und vielleicht sogar "noch weiter" zu gehen, wie er in seinem Post schrieb.
Nachhaltige Abkehr von Putin?
Es ist längst nicht Trumps erster Kurswechsel im Ukraine-Krieg. Dennoch hoffen neben den Ukrainern auch ihre europäischen Verbündeten und Diplomaten bei der UN-Vollversammlung in New York auf eine echte Wende im Krieg und eine nachhaltige Abkehr Trumps von Putin. Nach seinem Treffen mit Putin im August in Alaska sah sich Trump harter Kritik ausgesetzt, den weitgehend isolierten Kremlchef auf die Weltbühne zurückgeholt und ihm einen roten Teppich ausgerollt zu haben, ohne dass Russland substanzielle Zugeständnisse gemacht hatte. Zu einem von Trump angekündigten Treffen zwischen Selenskyj und Putin kam es nie.

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Selenskyj auf den Bildschirmen im Sitzungssaal der UN-Generaldebatte in New York.