Camp vor Präsidentenpalast

Serbiens Landesvater igelt sich ein

In Belgrad haben die Machthaber ein Camp aus WC-Häuschen und Zelten errichtet, um sich von Demonstranten abzuschotten – zum Ärger der Anwohner.

Serbiens Präsident Vucic sind die Proteste gegen Korruption lästig.

© dpa/Darko Vojinovic

Serbiens Präsident Vucic sind die Proteste gegen Korruption lästig.

Von Thomas Roser

Unbarmherzig gleißt die Mittagssonne über den Dächern der braunen WC-Häuschen vor Serbiens Parlament. Lustlos starren einige Zeltinsassen unter den weißen Planen auf dem Belgrader Nikola-Pasic-Platz in ihre Telefone: Geschützt von schwitzenden Gesetzeshütern blockieren die hitzebeständigen Auftragscamper die sechsspurigen Verkehrsachse im Herzen der Hauptstadt seit Ende April.

Seit Anfang März ist der zwischen dem Präsidentenpalast und dem Rathaus gelegene Pionierpark zu einem merkwürdigen Biotop regimetreuer Campingfreunde mutiert. Zwischen den verrosteten Absperrgittern um den Park wuchert das Unkraut und verrotten Müllreste. Über olivgrünen Zeltplanen scheppern patriotische Volksliedweisen durch das entvölkerte Lager.

Präsident steht unter Druck

Serbiens autoritär gestrickter Landesvater igelt sich ein. Seit Monaten versucht der zunehmend unter Druck geratene Präsident Aleksandar Vucic, sich mit einem bizarren Schutzkordon aus Zelten, WC-Häuschen, breitschultrigen Auftragscampern und Polizisten vor seinem Amtssitz gegen die lästigen Proteste gegen die Korruption zu wappnen: Das sogenannte „Ćacilend“-Camp ist zu Belgrads größtem Verkehrshindernis und Dauerärgernis der Anwohner mutiert

Seit fast fünf Monaten könne sie mit ihrem Hund weder in den Park noch mit ihren Enkeln auf den Spielplatz gehen, klagt in der angrenzenden Dragoslav-Jovanovic-Straße genervt die Rentnerin Jelena (Name auf Wunsch geändert): „Überall Absperrungen, Baustellen, Polizei, die furchtbare Musik und die merkwürdigen Leute, die sie immer wieder hierherkarren. Es ist ein einziges Chaos. Sie machen, was sie wollen. Und wenn Du morgens aufstehst, aus dem Fenster schaust und dieses Lagerelend siehst, wirst Du sofort daran erinnert, in was für einem Land wir Serben leben. Es ist einfach deprimierend.“

Bereits eine Woche vor der von Studenten organisierten Großdemonstration am 15. März, als fast eine halbe Million Menschen in Belgrad gegen Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch über die Straßen zogen, hatten zwei Dutzend junger Leute das von scheinbarer Geisterhand aufgebaute Zeltlager vor dem Präsidentenpalast bezogen. Lange blieben die Lagerpioniere nicht allein, die sich als „Studenten, die studieren wollen,“ vorstellten und ihren Camp-Einsatz mit ihrem Unwillen über die von Studenten blockierten Universitäten begründeten: Busweise und am helllichten Tage wurden damals aus dem fernen Kosovo bezahlte Camp-Söldner in das Lager gekarrt.

Während sich der Präsident in den folgenden Wochen regelmäßig mit drei Vorzeigestudenten aus dem Camp vor den Kameras regierungsnaher Medien traf, füllten nicht nur eher betagte SNS-Aktivisten, Polizeibeamte in Zivil und Geheimdienstler das vermeintliche Studentenlager. Ob bei Großdemonstrationen von Regierungsgegnern oder bei von den Machthabern organisierten „Volksfesten“: Zur Unterstützung von Vucic rollen laut der liberalen Kosovo-Politikerin Rada Trajkovic noch stets Busse mit Kosovo-Serben zum Camp.

Enorme Unzufriedenheit im Land

Zwar köcheln selbst im Hochsommer im ganzen Land noch immer die Proteste. Doch an den Fakultäten wird inzwischen wieder gelehrt. Das Ziel des „völlig absurden“ Ćacilend-Lagers sei es, vor dem Präsidentenpalast Proteste zu verhindern, vermutet Djordje Pavicevic, Abgeordneter des oppositionellen Grün-Links-Bündnisses. „Mit Methoden aus dem Geheimdienstlehrbuch über den Bürgerkrieg streiten die Machthaber gegen gewaltlose Demonstranten.“

Als Zeichen der „Angst“ und des schwindenden Vertrauens von Vucic in Serbiens Sicherheitsdienste bewertet der Analyst Dragomir Andjelkovic gegenüber Danas das falsche Studentencamp. Vucic sei sich der „enormen Unzufriedenheit“ bei Polizei und Armee bewusst und nutzte das Lager, um bei Bedarf paramilitärische „Formationen“ vor seinem Palast zu stationieren: „Ćacilend hat mit den Studentenprotesten nichts zu tun. Sondern es ist entstanden, weil sich der Präsident bewusst ist, dass die Mehrheit der Serben genug von ihm hat.“

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Erstellt:
25. Juli 2025, 15:24 Uhr

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