Abschiebelager in Florida

Sibirien im „Sunshine State“

„Alligator Alcatraz“: Im Eiltempo will Floridas Gouverneur Ron DeSantis ein höchst umstrittenes Abschiebelager für Migranten in den tropischen Sümpfen der Everglades errichten.

Alligatoren, Mücken und Sümpfe soweit das Auge reicht: Dafür stehen die Everglades westlich von Miami.

© Imago/USA TODAY Network//Andrew West/The News-Press

Alligatoren, Mücken und Sümpfe soweit das Auge reicht: Dafür stehen die Everglades westlich von Miami.

Von Karl Doemens

Schon vor mehr als 50 Jahren wurde der Flugplatz stillgelegt. Es gibt dort weder Strom noch Trinkwasser. Umgeben ist die 3200 Meter lange Piste von den tropischen Sümpfen der Everglades im Süden Floridas.

Für James Uthmeier, den Justizminister des sogenannten „Sunshine State“, sieht so der ideale Standort für eine riesige Abschiebehaftanstalt aus. „Wir müssen nicht viel in die Befestigung investieren“, schwärmt der Republikaner: „Auf Leute, die fliehen wollen, warten nur Alligatoren und Pythonschlangen.“

Was wie der Plot für einen Horrorfilm klingt, ist ernste Realität. Im Auftrag der Trump-Regierung will Floridas Gouverneur Ron DeSantis im Turbo-Tempo an mehreren Orten bis zu 10 000 Unterbringungsplätze für Migranten schaffen, die bei den bundesweiten Razzien der gefürchteten Einwanderungspolizei ICE oder auch regionalen Polizeiaktionen festgenommen wurden.

„Alligator Alcatraz“, wie das Projekt in den Everglades intern genannt wird, ist der Vorreiter dieser neuen, kostengünstigen Wegsperreinrichtungen. Noch in diesem Sommer sollen dort in Zelten und Containern mehr als 1000 Einwanderer untergebracht werden. Der martialische Name ist Programm. Uthmeier hat eigens ein Video produziert, in dem zwei Alligatoren mit funkelnd roten Augen aus dem schwarzen Wasser lugen. Er selbst marschiert, flankiert von zwei Polizisten, zu dröhnender Hardrock-Musik durch das Bild. „Florida ist führend bei Abschiebungen und der Unterstützung der Trump-Regierung“, sagt er markig.

Lager für „1000 kriminelle Fremde“

Diese Botschaft richtet sich vor allem an einen Zuschauer: Donald Trump. Der hatte im Mai bereits von einer Wiedereröffnung des Hochsicherheitsgefängnisses Alcatraz in der Bucht von San Francisco als „Symbol für Recht, Ordnung und Gerechtigkeit“ fabuliert. Doch anders als das Museum auf der lediglich von harmlosen Katzenhaien umgebenen kalifornischen Felseninsel, dessen Wiederaktivierung wegen der enormen Kosten von Experten rasch als unrealistisch abgetan wurde, wird „Alligator Alcatraz“ mit Hochdruck vorangetrieben.

Gouverneur DeSantis bemüht dazu ein zweifelhaftes Notstandsgesetz, um sich das 100 Quadratkilometer große Feuchtgebiet gut 70 Kilometer westlich von Miami zu sichern. Statt des Marktwerts von 190 Millionen Dollar will er dem Landkreis allenfalls ein Zehntel bezahlen. In Windeseile sollen nun entlang der Landebahn schwere Zelte, Container und andere provisorische Bauten aufgestellt werden. Schon in 30 bis 60 Tagen, verspricht Uthmeier, könne das Lager für „1000 kriminelle Fremde“ stehen. Das klingt deutlich mehr nach Sibirien als nach „Sunshine State“.

Politiker der Demokraten und Menschenrechtsanwälte sind entsetzt über das grausame Spektakel. Die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in Zelten inmitten eines moskitoverseuchten, schwül-heißen Sumpfgebiets, das noch dazu regelmäßig von Hurrikans heimgesucht wird, würde nach ihrer Überzeugung gegen Bundesrecht verstoßen. Trump und seine Helfer wollten „so viele Einwanderer, wie sie können, entführen, aushungern und schädigen“, empört sich der Abgeordnete Maxwell Frost: Der Präsident hege „eine tiefe Verachtung für Einwanderer“, der er als Sündenböcke für alle Probleme nutze.

Die Trump-Regierung hat nach Darstellung des Washingtoner Heimatschutzministeriums eine „Partnerschaft“ mit dem vom Law-and-Order-Politiker DeSantis geführten Florida geschlossen. Dadurch will sie Kosten sparen und offenbar bundesstaatliche Unterbringungsvorschriften aushebeln. „Wenn wir diese Standards aushöhlen – was kommt dann als nächstes?“ warnt die Anwältin Elizabeth Ricci in der Lokalzeitung „Tallahassee Democrat“.

Doch solche Einwände stören DeSantis und seinen Justizminister Uthmeier nicht. „Wir können nicht alle Illegalen in regulären Gefängnissen behausen“, erklärte der Gouverneur vor wenigen Tagen. Es gebe nämlich auch noch „andere Kriminelle“, für die man Platz brauche. Das Zeltlager sei die ideale Lösung für die vorübergehende Unterbringung der Migranten vor deren endgültiger Abschiebung in ihre Heimatländer. Die könnte praktischerweise gleich von der stillgelegten Flugbahn im Sumpfgebiet erfolgen.

Auch die Proteste von indigenen Stämmen, die im direkten Umfeld des geplanten Lagers leben und von Umweltschützern, die um die sensible Natur der Everglades fürchten, wischt der Republikaner beiseite. Immerhin war der Flugplatz Ende der 1960er Jahre aufgegeben worden, um das gefährdete Ökosystem zu schützen. Er sei einer der größten Unterstützer des nahe liegenden Nationalparks, verkündet DeSantis: „Das wird null Einfluss auf die Everglades haben.“

Die meisten der aufgegriffenen Frauen und Männer sind nicht kriminell

Zu allem Überfluss soll die Zeltstadt ausgerechnet kurz vor der Hurrikan-Saison eröffnet werden, die den Bundesstaat immer weder heimsucht. Doch auch dafür hat eine Sprecherin des Gouverneurs eine Beschwichtigung parat: Im Falle eines tropischen Zyklons werde die Anlage halt evakuiert: „Das sind Standard-Abläufe.“ Rund 450 Millionen Dollar im Jahr soll „Alligator Alcatraz“ kosten – eine sehr kostengünstige Lösung, wie Uthmeier betont: Dank „Mutter Natur“ müsse man „nicht viel in Befestigung investieren“.

Möglichst viel von dem Geld will sich Florida aus Washington zurückholen. Dort besteht dringender Handlungsbedarf, seit Trump mehr Razzien der Abschiebepolizei ICE verlangt. Sein Vize-Stabschef Steven Miller, der die Deportationen überwacht, hat den Behörden eine Zielmarke von 3000 Festnahmen am Tag vorgeben. Die ist zwar noch nicht erreicht. Aber mit 56 000 Festnahmen wurde im Juni ein erster Rekord erzielt.

Dass die meisten aufgegriffenen Frauen und Männer keineswegs kriminell waren und keine Vorstrafen haben, wird in der offiziellen Kommunikation gerne verschwiegen.

Die Trump-Regierung behandelt jeden, der irregulär über die Grenze gekommen ist oder beispielsweise trotz abgelaufener Aufenthaltserlaubnis noch im Land ist, wie einen Schwerverbrecher, der weggesperrt werden muss. Dafür braucht sie Platz. Die vorhandenen 41 000 Betten sind belegt. „Zusammen mit Florida werden wir innerhalb von wenigen Tagen Räumlichkeiten und Betten schaffen“, brüstet sich Heimatschutzministerin Kristi Noem nun.

Bezahlt werden soll die Anstalt in den Sümpfen der Everglades zynischerweise im wesentlichen ausgerechnet aus Mitteln der Katastrophenschutzbehörde FEMA. Die sind eigentlich als Nothilfen bei Hurrikans und für die Unterbringung von Asylbewerbern vorgesehen, die in den USA Schutz vor Verfolgung suchen.

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Erstellt:
27. Juni 2025, 15:32 Uhr

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