Sich trennen, ohne dem Kind zu schaden

Richterin Anke Eisenmann vom Amtsgericht Backnang plädiert an alle Scheidungswilligen, das Wohl der Kinder im Auge zu behalten

Die Scheidung eines Ehepaars kann für die beteiligten Kinder der Horror sein – muss es aber nicht. Grundsätzlich erschüttert die Trennung der Eltern zwar die kindliche Sicht familiärer Ordnung in erheblichem Umfang. Schließlich betrachten Kinder das Zusammenleben mit beiden Eltern als selbstverständliche Lebensform von Familie. Aber wenn die Eltern sich bei der Trennung korrekt verhalten, muss die riesige Verunsicherung der Kinder nicht zwangsläufig erfolgen.

Eine Trennung der Eltern kann ein Kind innerlich zerreißen. Statt vor dem Kind zu streiten, wäre es viel besser, dem Kind zu zeigen, dass sich die Elternteile trotz der Zerrüttung immer noch respektieren. Foto: Adobe

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Eine Trennung der Eltern kann ein Kind innerlich zerreißen. Statt vor dem Kind zu streiten, wäre es viel besser, dem Kind zu zeigen, dass sich die Elternteile trotz der Zerrüttung immer noch respektieren. Foto: Adobe

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Anke Eisenmann ist Richterin am Amtsgericht Backnang und weiß nur zu gut, wie Kinder unter der Scheidung ihrer Eltern leiden können. Für die Kinder bricht eine Welt zusammen, vor allem kleine Kinder kennen schließlich nur die Familie. Und das Zerbrechen dieser Familie ist in der Regel ein radikaler Umbruch der Lebensverhältnisse.

Für Eisenmann ist es daher eine Herzensangelegenheit, dass die einstigen Paare ihren Fokus auf das Wohl des Kindes richten. „Eltern bleiben Eltern, auch wenn sie sich trennen“, lautet ihr Credo. Sie fordert im Fall einer Trennung, dass die Beteiligten zwischen Paar- und Elternebene unterscheiden. „Das ist nicht einfach, aber für die Kinder ganz wichtig.“ Denn egal, ob die Kinder künftig bei Mama oder Papa leben, sie verlieren aus ihrer Sicht in der Regel ein Elternteil.

Da vor Gericht nicht die gut gemachten Trennungen landen, sondern nur die Verfahren, bei denen ums Sorge- oder Umgangsrecht gestritten wird, kennt Eisenmann viele sehr schwierige Verfahren, „die bleiben einem länger im Gedächtnis“. Allein die Tatsache, dass das Gericht gebraucht wird, zeigt, dass die Eltern es nicht alleine auf die Reihe bekommen. „Wir versuchen in jedem Fall, eine Einigung der Eltern herbeizuführen.“ Auch der Gesetzgeber hat es schon lange begriffen, dass eine einvernehmliche Einigung der Eltern besser ist als eine Gerichtsentscheidung. Aus diesem Grund sollen die Richter auf Beratungsmöglichkeiten hinweisen. Zudem müssen die Paare verpflichtend an einem Informationsgespräch über Mediationsverfahren teilnehmen. Eisenmann: „Gerichtsverfahren tun den Menschen nicht gut. Wenn das Gericht ein Urteil fällen muss, dann ist immer einer der Verlierer.“ Und der werde in Zukunft immer wieder schauen, ob er diese Scharte in irgendeiner Form wieder auswetzen kann.

Das Verhalten der Kinder wird oft missgedeutet

Am wichtigsten ist für die Richterin, dass die Parteien miteinander sprechen und so Missverständnisse erst gar nicht entstehen. Zwar beteuern die meisten Paare, sie würden ihren Streit nicht vor den Kindern austragen, aber diese reagieren dennoch auf vielfältige Weise. Und Eltern missdeuten diese Verhaltensweisen und führen sie darauf zurück, dass der jeweils andere Elternteil dem Kind nicht guttut. Eisenmann: „Das ist der falsche Schluss. Richtig ist, dass die Kinder mit ihrem Verhalten nur zeigen, dass sie unter der Trennung leiden.“

Eltern verhalten sich dann richtig, wenn die Kinder spüren, dass sich Vater und Mutter immer noch respektieren und dass sie beide lieb haben dürfen. „Wenn die Kinder das spüren, dann geht es ihnen gut. Wir versuchen vor Gericht, den Eltern diese Mechanismen aufzuzeigen. Wir brauchen Eltern, die an einem Strang ziehen, die miteinander sprechen oder wenn dies nicht geht, dann zumindest miteinander schriftlich kommunizieren, da gibt es heute ja verschiedene schnelle Möglichkeiten wie etwa WhatsApp oder E-Mails.“

Es ist verständlich, dass manch ein Elternteil Bedenken hat, wenn das Kind zum anderen Partner geht. Dort wird vielleicht geraucht. Oder der Fernseher läuft stundenlang. Oder der Ex hat eine neue Freundin. Vielleicht zögert das Kind auch, kurz bevor es zum Umgang abgeholt wird. Vielleicht, weil es ihm wirklich nicht gefällt. Vielleicht aber auch nur, weil der gerade anwesende Elternteil kurz vor dem Abschied leidet. Oder vielleicht, weil es Angst hat, ein Elternteil ganz zu verlieren. Wenn nun dieses Zögern falsch interpretiert wird, kommt es zu einer verhängnisvollen Eigendynamik und das Kind wird in seiner Verunsicherung noch bestärkt. Viel besser hingegen wäre laut Eisenmann, wenn der Elternteil das Kind vor dem Umgang bestärkt und etwa sagt: „Ich finde es gut, dass du zu Papa/Mama gehst und ich freue mich, dass ich dann solange einen Freund oder eine Freundin treffen kann.“

Bei den Verfahren arbeitet das Gericht mit dem Jugendamt und mit den Anwälten zusammen, um eine einvernehmliche Lösung herstellen zu können. Mit im Boot ist auch ein Verfahrensbeistand. Er ist quasi der Anwalt des Kindes, der vom Gericht eingesetzt wird und der sich darum kümmert, dass auch der Wille des Kindes berücksichtigt wird.

Wenn aber alle Stricke reißen und sich die Eltern nicht einigen können, wo das Kind leben soll und wie der Umgang aussehen soll, dann ist es die Ultima Ratio, ein Urteil zu fällen und eine Regelung zu treffen. Wer nicht damit einverstanden ist, der kann sich in der nächsten Instanz ans Oberlandesgericht Stuttgart wenden.

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Erstellt:
4. September 2019, 06:00 Uhr

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