Sie bekommt den Traummann nicht aus dem Kopf

Seit vier Jahren stellt eine 37-Jährige einem Mann nach. Zweimal stand sie bereits vor dem Kadi, nun muss sie ins Gefängnis.

Eine Frau belästigt massiv einen Autoverkäufer. Eine Bewährungsstrafe kommt für das Gericht nicht infrage. Symbolfoto: BilderBox/E. Wodicka

© BilderBox - Erwin Wodicka

Eine Frau belästigt massiv einen Autoverkäufer. Eine Bewährungsstrafe kommt für das Gericht nicht infrage. Symbolfoto: BilderBox/E. Wodicka

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren steht die 37-jährige Hauswirtschaftshelferin vor dem Amtsrichter. Und das, was ihr die Staatsanwältin zur Last legt hat sich nicht geändert. Wegen Nachstellungen und Hausfriedensbruch muss sich die Angeklagte verantworten.

Um die Angelegenheit zu verstehen, muss man ins Jahr 2017 zurückgehen. Damals arbeitete die Hauswirtschaftshelferin als Reinigungskraft in einem Autohaus. Die Beachtung, die sie durch einen 39-jährigen Autoverkäufer fand, tat ihr offenbar gut. So gut, dass sich die 37-Jährige mehr erhoffte. Aber daraus wurde nichts. Im Gegenteil, der Autoverkäufer wurde, so erzählt es die Angeklagte, schroff und abweisend. Um so größere Initiative entwickelte die Angeklagte. Sie überhäufte ihren „Traummann“ – so die Formulierung der Sachverständigen – mit Anrufen und Mails.

Es gab Tage, an denen versuchte sie es 200 Mal. Und weil diese modernen Kommunikationswege nicht fruchteten, versuchte es die Angeklagte schriftlich. An die Fensterscheiben, hinter denen der von ihr Angebetete arbeitete, heftete sie Briefe und Blumen. Obwohl ihr zuvor das Betreten des Geländes vom Chef des Hauses verboten worden war. Allerdings standen in diesen Briefen, so sagt eine mit der Sache befasste Polizeihauptmeisterin aus, nicht bloß Liebesschwüre, sondern im Gegenteil Verleumdungen. Der Automobilverkäufer wurde als „Frauenschädiger“ bezeichnet.

Schon bald wurde die Sache dem Automobilverkäufer zu bunt. Er schaltete die Polizei ein, ließ eine Fangschaltung einrichten. Da die 37-Jährige auch vor dem Autohaus auf den von ihr Umschwärmten wartete, verließ dieser seinen Arbeitsplatz über einen Hinterausgang. Der Automobilverkäufer, als Zeuge aussagend, gibt an, dass der Geschäftsbetrieb durch die Anrufe und Mails massiv beeinträchtigt sei. Mittlerweile leide er unter Schlafstörungen. Die Stelle zu wechseln sei für den 39-Jährigen keine Option, da er damit den von ihm aufgebauten Kundenstamm verlieren würde.

Als die Angelegenheit zum ersten Mal vor Gericht kam, wurde das Verfahren eingestellt. In der zweiten Runde erhielt die Hauswirtschaftshelferin eine dreimonatige Gefängnisstrafe auf Bewährung. Seit Beginn diesen Jahres hat die 37-Jährige eine Betreuerin. Jede Woche treffe man sich, so sagt diese, und arbeite die anstehenden Themen auf. Zum Beispiel die Wohnsituation und den Umgang mit dem Schuldenberg, den die Angeklagte angehäuft hat. Aber auch der Automobilverkäufer sei immer wieder Thema. Schwierig sei es für die Angeklagte, Besprochenes abzulegen.

So muss manches zum wiederholten Mal durchgesprochen werden. Auf die schlichte Frage des Richters, warum sie das denn mache, sagt die Angeklagte, sie wolle, dass es wieder gut sein solle zwischen ihr und dem Automobilverkäufer. Und fügt an: „Ich lieb den gar nicht.“

Als der Verkäufer den Saal betrat, sei die Sonne aufgegangen.

Eine psychiatrische Gutachterin berichtet über ihre Untersuchungsgespräche mit der Angeklagten. Als der Automobilverkäufer als Zeuge aufgerufen wurde und den Saal betrat, so die Gutachterin, sei für die 37-Jährige die Sonne aufgegangen. In der Tat fällt auf, dass die Angeklagte den Zeugen, solange er anwesend ist, unverwandt anschaut. Irgendeine krankhafte Störung konnte die Psychiaterin nicht feststellen. Das Problem der Angeklagten sei, den von ihr angehimmelten Mann aus dem Kopf zu bekommen. Die Angeklagte hadere mit der Realität, will allerdings auch, dass alles nach ihren Regeln funktioniert.

Die Staatsanwältin fordert in ihrem Plädoyer elf Monate Gefängnis. Die Strafe zur Bewährung auszusetzen, dafür, so die Anklagevertreterin, fehlen allerdings die Voraussetzungen. Dem entgegen plädiert die Verteidigerin der Angeklagten entschieden für Bewährung. Mit diesem Jahr sei ein Hilfeplan angelaufen, der Besserung verheißt. Ein Gefängnisaufenthalt würde nur wieder den Fokus auf Automobilverkäufer als den „Verursacher“ der Strafe richten.

Der Richter verhängt mit seinem Urteilsspruch eine neunmonatige Gefängnisstrafe. Anhaltspunkte für eine positive Sozialprognose, die Voraussetzung für eine Bewährungsstrafe seien, sehe er nicht. Da ist noch zu wenig an Verhaltensänderung geschehen. Nach des Richters Einschätzung reagiere die Angeklagte nur auf massiven Druck. Erst im Februar diesen Jahres habe sie die belästigenden Telefonanrufe eingestellt. Alle vorangegangenen Warnungen habe die Verurteilte ignoriert.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Erstellt:
18. Mai 2021, 16:00 Uhr

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