Politikerin aus Baden-Württemberg

Sie spricht vom „Genozid am deutschen Volk“ – die gefährlichste Frau der AfD?

Nur Höcke und Krah werden im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes häufiger zitiert als sie: Christina Baum. Wer ist die Frau, die behauptet, es gäbe keinen Rassismus?

Christina Baum ist bekannt für ihre fremdenfeindlichen Positionen.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Christina Baum ist bekannt für ihre fremdenfeindlichen Positionen.

Von Florian Dürr

Als Christina Baum den „Höcke-Taler in Silber“ vom rechtsextremen Compact-Magazin überreicht bekommt, lacht die AfD-Politikerin etwas verlegen, nimmt die kleine Münze – die 75 Euro kostet – zwischen ihre Hände und sagt: „Vielen Dank, es ist mir eine Ehre.“ Mit dem kurzen Video auf X macht sich das Magazin, dem kürzlich noch ein Verbot drohte, lustig über das Verfassungsschutzgutachten zu einer möglichen Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“. Den dritten Platz habe die 69-Jährige belegt – und für den gibt es bei Compact statt Bronze Silber.

2013 tritt die Zahnärztin zum ersten Mal in ihrem Leben einer Partei bei

Kaum ein AfD-Mitglied taucht häufiger in dem Gutachten auf als Christina Baum – nur Björn Höcke, dem der Taler gewidmet ist, sowie Maximilian Krah zitiert der Inlandsgeheimdienst in dem Dokument noch öfter. Wer ist die Frau, die nach wie vor ihren Hauptwohnsitz in Baden-Württemberg hat, Mitglied im AfD-Landesverband ist und die Rechtsaußen-Partei als stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbands Main-Tauber im nördlichsten Landkreis des Bundeslands vertritt?

Als im Jahr 2013 die Bundestagswahl ansteht, tritt die Zahnärztin zum ersten Mal in ihrem Leben einer Partei bei: Die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) war für sie die einzige Option. „Ich war mit vielen politischen Entwicklungen der damaligen Zeit nicht einverstanden“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung und verweist auf den geplanten Atomausstieg, die Bildungspolitik sowie eine ihrer Wahrnehmung nach „Einschränkung der Meinungsfreiheit“. In ihrer Zahnarzt-Praxis habe sie von Patienten immer wieder die Aussage gehört: „Aber das darf man ja nicht mehr sagen.“ Das habe sie an ihre DDR-Vergangenheit erinnert.

Fremdenfeindlich? Das sei „lediglich Ihre Interpretation“, entgegnet sie

Die Politikerin selbst reizt die Möglichkeiten der Meinungsfreiheit bis zum Äußersten aus. Wer sich durch die mehr als tausend Seiten Verfassungsschutz-Gutachten wühlt, wird im Kapitel „Menschenwürde“ immer wieder mit Baums fremdenfeindlichen Äußerungen konfrontiert: Die 69-Jährige spricht von einem „schleichenden Genozid am deutschen Volk durch die Einwanderungspolitik der Grünen“, über eine „planmäßige Ersetzung der deutschen Bevölkerung durch Migranten“ oder warnt davor, dass „unsere Enkel, spätestens unsere Urenkel, eines Tages Kopftuch tragen werden“.

Fremdenfeindlich? Das sei „lediglich Ihre Interpretation“, entgegnet sie unserer Zeitung: „Ich bin humanistisch erzogen und achte und respektiere jeden Menschen als Individuum gleichermaßen“, verteidigt sich Baum, die als enge Höcke-Vertraute gilt und Vertreterin des mittlerweile offiziell aufgelösten rechtsnationalen „Flügels“ der Partei war.

Baum über Nationalteam: „Gibt es so wenig talentierte ‚Eingeborene’?“

Laut Verfassungsschutz lässt die AfD-Politikerin immer wieder durchblicken, dass für sie nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die ethnische Herkunft entscheidend ist, ob jemand dem deutschen Volk angehört. Dieser ethnisch-homogen verstandene Volksbegriff sei mit der Menschenwürde-Garantie des Artikel 1 im Grundgesetz nicht vereinbar. Gegenüber unserer Zeitung sagt die 69-Jährige dazu: „Es gibt ein ethnisch deutsches Volk, wie es andere ethnische Völker auf der ganzen Welt gibt.“ Man könne heute „anhand der DNA sogar bestimmen, zu welchem Stamm jemand gehört“.

Es sei „wichtiger denn je, sich zu seinem abstammungsmäßig zugehörigen Volk zu bekennen“, heißt es in einem ihrer vielen Facebook-Beiträge, die der Verfassungsschutz zusammensuchte. Mit Blick auf ein Foto der deutschen Fußballnationalmannschaft stellt Baum einmal die Frage, ob man nicht von einer „passdeutschen“ Mannschaft sprechen müsste: „Gibt es tatsächlich so wenig talentierte ‚Eingeborene’?“

Im Landtagsbüro soll sie einen Rechtsextremisten beschäftigt haben

AfD-Vertreter wie Baum versuchten immer wieder, „anhand unsachlicher – teils rassistischer – Vergleiche die vermeintliche Absurdität des derzeitigen Staatsbürgerschaftsrechts herauszustellen“, schreibt der Verfassungsschutz in seinem Gutachten. Selbst Parteikollegen gehen auf Distanz, wie Baums Fraktionskollege im Bundestag, Markus Frohnmaier: „Manche ihrer Ansichten zum Volksbegriff kann ich so nicht teilen“, sagt der baden-württembergische Landes-Co-Vorsitzende unserer Zeitung.

Im Südwesten begann im Jahr 2016 Baums Karriere als Abgeordnete, als sie für die AfD in den Landtag einzog. Mehrmals sorgte sie dort für Schlagzeilen.

Zum Beispiel, als sie sich bei einer erfolglosen Klage gegen unsere Zeitung vertreten lässt durch den Rechtsanwalt Matthias Brauer, der 2007 aus der Bonner Burschenschaft Marchia ausgeschlossen wurde, weil er im Garten des Verbindungshauses beim Verbrennen eines Holzkreuzes im Stil des rassistischen Ku-Klux-Klans „Hail White Power!“ – „Heil der Weißen Macht!“ gerufen hatte. Auch soll sie in ihrem Landtagsbüro den Rechtsextremisten Marcel Grauf, ein ehemaliges Mitglied der NPD, beschäftigt haben.

AfD-Landeschef Frohnmaier irritiert über Baums Mitgliedschaft

Nach dem verpassten Wiedereinzug in den Landtag im Jahr 2021 schafft es Baum über die Landesliste in den Bundestag, von 2022 bis 2024 war sie außerdem Beisitzerin im AfD-Bundesvorstand. Und heute? Geht auch die baden-württembergische AfD möglichst auf Abstand. Denn mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr könnten Akteure wie Baum möglicherweise potenzielle Wählerinnen und Wähler abschrecken.

Die Mitglieder des Landesverbands hatten sie für die Bundestagswahl Ende Februar nicht mehr auf die Landesliste gesetzt, also musste sich Baum einen neuen Wahlkreis in einem anderen Bundesland suchen: Im Bundestagswahlkreis Harz (Sachsen-Anhalt) holte die 69-Jährige dann das Direktmandat für Berlin. Dass sie sich aber nach wie vor im Landesverband tummelt, scheint den Landeschef zu stören: „Ich finde das irritierend, das ist ja Mitgliederverarsche“, sagt Frohnmaier. Baum gilt als Gegnerin von Alice Weidel – anders als der Landesvorsitzende, der die Linie der Parteichefin vertritt.

Christina Baum: „Es kann keinen Rassismus geben“

In den häufigen Nennungen im Verfassungsschutzgutachten sieht Baum eher eine Bestätigung, „dass wir die wunden Punkte der Regierungspolitik angesprochen haben“. Ja, gar Freude empfinde sie, „dass auf diese Weise meine Aussagen in die Öffentlichkeit getragen werden“.

Rassismus könne sie darin nicht erkennen, der existiere in ihrer Welt überhaupt nicht: „Da es keine Rassen gibt, jedenfalls nicht in Bezug auf Menschen, kann es auch keinen Rassismus geben.“ Rassismus sei wie „rechtsextrem“ zu einem „politischen Kampfbegriff“ geworden, „um den politischen Gegner zu diskreditieren“. Der Verfassungsschutz hingegen sieht in Baums Aussagen „zahlreiche eindeutige Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“.

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Erstellt:
4. Juli 2025, 15:08 Uhr

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